Tierfilmer Andreas Kieling starb fast an einem Schlangenbiss

Hamburg - Obwohl er vor zwei Wochen noch halbtot in einer Wellblechhütte in Namibia lag, ließ es sich Andreas Kieling (63) nicht nehmen, im Interview mit TAG24 über sein 30-jähriges Jubiläum als Tierfilmer zu sprechen. Und natürlich auch über den verheerenden Schlangenbiss. Teil seiner Jubiläumsstaffel "Kielings wilde Welt" aus der Reihe "Terra X" sind die Reptilien allerdings nicht, dafür erwarten die Zuschauer einzigartige Einblicke in die Welt der Amerikanischen Küstenbraunbären, Menschenaffen und Wüstenelefanten.

Zusammen mit Kameramann-Kollegen Frank Gutsche (l.) war Andreas Kieling (r.) an den entferntesten Orten der Welt, um Tiere zu filmen. Hier sind beide gerade in der Eifel, Andreas' Wahlheimat.
Zusammen mit Kameramann-Kollegen Frank Gutsche (l.) war Andreas Kieling (r.) an den entferntesten Orten der Welt, um Tiere zu filmen. Hier sind beide gerade in der Eifel, Andreas' Wahlheimat.  © Sven Klöpperm/ZDF

TAG24: Herr Kieling, was war Ihr erstes Gefühl, als Sie angefangen haben, sich mit Ihrem 30-jährigen Jubiläum zu beschäftigen?

Kieling: "Ich dachte immer, dass ich mal ruhiger werde, dass meine Leidenschaft und meine Neugier nachlassen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich kann es gar nicht erwarten, dass es in einer Woche wieder losgeht. Ich fliege wieder nach Namibia, gut, es geht auch um ein NGO-Projekt, also um den Bau eines tiefen Brunnens."

TAG24: Was ist das für ein Projekt?

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Kieling: "Wir waren eigentlich dort, um Wüstenelefanten zu filmen und haben dabei eine ganz abgelegene Siedlung, wo nie ein Touri hinkommt, gesehen. Dort herrscht enorme Wasserknappheit, es hat seit sieben Jahren nicht mehr geregnet und die Leute da leben eigentlich von dem unterirdischen Wasser.

Sie haben versucht, ihren Brunnen immer tiefer zu buddeln und irgendwann kam dann eine kleine Salzlauge. Ein Kind ist in meinen Händen gestorben, weil es Salzwasser aus dem Brunnen getrunken hat, da dachte ich 'Shit, hier musst Du etwas machen'. Ich habe dann über 22.000 Euro Spenden gesammelt und noch 30.000 aus eigener Tasche gegeben und in einer Woche kann dann endlich der Bohr-Truck starten.

Und während der ganzen Aktion bin ich auch noch von der Schwarzen Mamba gebissen worden."

"Wenn Tiere so wären, wie wir denken, dann hätten wir unsere Evolution gar nicht geschafft."

Andreas Kieling mit der "Schwarzen Mamba", kurz bevor diese zugebissen hat.
Andreas Kieling mit der "Schwarzen Mamba", kurz bevor diese zugebissen hat.  © privat

TAG24: Nein!

Kieling: "Die letzten Wochen habe ich - wie die Einheimischen auch - in einer Wellblechhütte gelebt und auf einmal war mein Hund da am Kratzen, ich sehe den Schwanz und denke 'Oh Shit, Schwarze Mamba'. Eine der giftigsten Schlangen Afrikas. Und die Hütte ist drei mal drei Meter. Ich habe dann alles leergeräumt und sie hat sich bei mir unter der Liege versteckt.

Ich habe sie mit Insektenspray angesprüht, damit sie ein bisschen dizzy wird und betäubt ist. Dann habe ich sie gefangen, sie war circa 1,70 Meter lang - also noch kein ausgewachsenes Tier, die werden bis zu drei Meter lang - und wollte ein Selfie machen, weil ich alleine war. Dafür wollte ich mit einem Finger die Lefze hochziehen und bei der Aktion hat sie mich mit einem Giftzahn in meinen linken Zeigefinger gebissen."

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TAG24: Was passierte dann?

Kieling: "Einen Schwarzen-Mamba-Biss überlebt man eigentlich nicht. Ich habe es nur überlebt, weil es nur ein Giftzahn war und sie vorher bei den Verteidigungsbissen schon Gift abgegeben hatte. Mir ging es ganz schnell sehr mies, bei dem Gift handelt es sich um ein Neurotoxin, welches die Atmung lähmt. Mein Guide hat mich dann gefunden und eine Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht und dann lag ich ein paar Tage zwischen Baum und Borke. Man muss dann ganz ruhig liegen und flach atmen. Es sah so aus, als würde ich sterben, aber dann bin ich doch nicht gestorben."

TAG24: Ich wollte eigentlich fragen, ob Sie über die Jahre ängstlicher geworden sind, aber diese Frage hat sich mit der Geschichte erledigt.

Kieling: "Nein, ich bin nicht ängstlicher geworden, aber ich meine, wir lernen ja alle dazu im Leben. Und auch ich habe noch viel zu lernen. Für mich persönlich lebe ich nur einmal - da bin ich mir ganz sicher -, aber so wie ich lebe und gelebt habe, ist einmal auch genug. Vorsichtiger werde ich auch nicht, im Gegenteil: Mit meinen Erfahrungen kann ich die Tiere immer besser einschätzen. Ich lasse die Tiere entscheiden, inwieweit sie sich mir nähern wollen. Die Aufnahmen, die Sie letztendlich im Fernsehen sehen und denken 'Hat der sie nicht mehr alle', da gehen ja zwei, drei Wochen Gewöhnungszeit im Voraus mindestens ins Land."

TAG24: Hat sich das über die Jahre geändert?

Kieling: "Wenn Tiere so wären, wie wir denken, dann hätten wir unsere Evolution gar nicht geschafft. Wenn ein Löwe vollgegessen ist, muss man das erkennen können. Als ich meinen ersten Löwen sah, saß ich in einem Wendewagen und habe mich nicht näher herangetraut, aber jetzt gehe ich an Löwen zu Fuß ran: Der pennt, dann spreche ich ihn an, er guckt mich kurz an und pennt dann weiter. Warum? Weil uns große Beutegreifer ebenfalls als große Beutegreifer identifizieren.

Wir riechen übel und wir haben eine aggressive Motorik: Wir gehen auf zwei Beine, das suggeriert den Tieren 'Oh, der stellt sich auf, da ist etwas im Busch'. Fluchttiere wie Antilopen oder Hirsche würden sofort fliehen."

"Das Problem ist, dass die Kameras heute deutlich mehr Strom brauchen als früher."

Wüstenelefanten haben sich an die kargen Bedingungen der Namib-Wüste perfekt angepasst. Sie haben breitere Füße und kommen länger als ihre Verwandten aus ohne zu trinken. Eine Wasserstelle ist in der Gluthitze Namibias dennoch immer willkommen.
Wüstenelefanten haben sich an die kargen Bedingungen der Namib-Wüste perfekt angepasst. Sie haben breitere Füße und kommen länger als ihre Verwandten aus ohne zu trinken. Eine Wasserstelle ist in der Gluthitze Namibias dennoch immer willkommen.  © Andreas Kieling/ZDF

TAG24: War die Arbeit als Tierfilmer vor 30 Jahren einfacher oder schwieriger?

Kieling: "Ich bin noch gelernter Filmkameramann und habe auf 35-Millimeter-Film und auf Super 16 gedreht. Mit einer Arriflex Kamera. Und auf so einer Rolle, nur um Ihnen mal eine Idee zu geben, waren 120 Meter drauf und das waren bei normaler Geschwindigkeit 25 Bilder pro Sekunden, das Ding war in zehn Minuten durch.

Eine große Produktion waren immer so 80 bis 90 Rollen. So viel ist das gar nicht, aber man musste den ganzen Kram mitschleppen und irgendwo deponieren. Im Fall von Alaska im Permafrost vergraben und hoffen, dass kein Tier es ausgräbt. Auf dem Rückweg nach Deutschland hatte man dann immer den Kampf mit dem Handgepäck wegen der Röntgenstrahlen, dass die Filme keinen Schaden nehmen."

TAG24: Ach krass, darüber habe ich noch nie nachgedacht.

Kieling: "Und wir drehen heute noch genauso knapp, weil ich das einfach so gewohnt bin. Also wenn Sie mich so fragen, ist es heutzutage einfacher. Das Problem ist, dass die Kameras heute deutlich mehr Strom brauchen als früher. Eine Filmkamera ist rein mechanisch, gut, sie hatte einen quarzgesteuerten Motor, aber dieser brauchte so wenig Strom, dass ich mit einem Akku einen Monat drehen konnte. Heute drehen wir in 8K für Netflix und Amazon Prime und die Kameras haben sogar einen Lüfter, weil so viele Rechenprozesse ablaufen.

Ende Dezember haben wir Wüstenelefanten in Namibia gedreht, ich dachte, ich kriege die Bilder meines Lebens und das Ding bleibt einfach stehen und zeigt mir an, es muss sich abkühlen. Bei 38 Grad im Schatten sind das natürlich Extreme, aber eine Arriflex wäre weitergelaufen."

Andreas Kieling über die perfekten Bilder: "Man hat oft nur eine Chance!"

Für seine spektakulären Aufnahmen müssen sich die Tiere erst einmal an Andreas Kieling gewöhnen.
Für seine spektakulären Aufnahmen müssen sich die Tiere erst einmal an Andreas Kieling gewöhnen.  © Andreas Kieling/ZDF

TAG24: Können Sie eigentlich auch noch ohne Kamera unterwegs sein, ohne zu denken "Mist, hätte ich das mal gefilmt"?

Kieling: "Bei mir ist das eine Mischung aus Leidenschaft und Neugier, und natürlich auch der Gedanke, dass du weißt, du erlebst das genau einmal. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du beißt die Zähne zusammen und drehst, wenn du eine Kamera dabei hast oder du gehst Flitzen, weil es zu gefährlich ist. In der Regel entscheide ich mich für Ersteres und deswegen bin ich der erste Kameramann, der mit einem Eisbären sowie einem wilden Grizzly getaucht ist.

Natürlich hat es länger gedauert, den Bär unter Wasser an mich zu gewöhnen, aber das erzähle ich ja auch. Ich bin auch der Einzige, dem es bis jetzt gelungen ist, einen Keiler-Kampf in freier Wildbahn zu filmen. Bei allen anderen sieht man einen Zaun im Hintergrund, das wurde dann in Gehegen gefilmt. Wenn ich da nur spazieren gegangen wäre und gesagt hätte 'Morgen komme ich wieder', tja, morgen wäre es vorbei gewesen. Man hat oft nur eine Chance."

Die Folgen der dreiteiligen Dokumentationsreihe "Terra X: Kielings wilde Welt" laufen übers Osterwochenende am 7., 9. und 10. April jeweils um 19.15 Uhr im ZDF oder ab dem 5. April in der ZDFmediathek.

Titelfoto: Sven Klöpperm/ZDF

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