Nahtod-Erfahrungen? Netzer berichtet von Gespräch mit Beckenbauer
Von Robert Semmler
München - Franz Beckenbauer (†78) hat sich in einem Gespräch unter Fußball-Idolen bei Günter Netzer (80) nach dem Verlauf von dessen Herzoperation erkundigt.

Netzer hatte 2016 sechs Bypässe erhalten, bald danach habe ihn der im Vorjahr gestorbene Beckenbauer auf Sylt besucht, berichtete Netzer jetzt in einem Interview des Magazins "Stern".
Beckenbauer habe dabei erzählt, dass er ebenfalls große Herzprobleme habe. "Franz fragte mich, ob ich Nahtod-Erfahrungen gemacht hätte bei der OP. Er wollte wissen, wie man solch einen schweren Eingriff psychisch verarbeitet", erzählte Netzer.
Der 80-Jährige: "Es war ein wunderbares Gespräch über die großen Fragen des Lebens. Franz ist sehr gelöst und zufrieden zurück nach München gereist."
Beckenbauer habe später vier Bypässe erhalten.
Netzer scherzte wenig später mit dem Kaiser über die Bedeutung der Eingriffe: "Da habe ich ihn angerufen: 'Hör mal, du hast vier Stück gekriegt und ich sechs. Damit ist der endgültige Beweis erbracht, dass ich der bessere Spieler war und auch mehr gelaufen bin als du'."
Günter Netzer bezeichnete seine Herzoperation als Zäsur

Der einstige Mittelfeldregisseur von Borussia Mönchengladbach und der Libero des FC Bayern München führten die Nationalmannschaft 1972 zum erstmaligen Gewinn des Europameistertitels.
1974 war Beckenbauer Kapitän der Weltmeister-Mannschaft, Netzer musste bei der Endrunde in Deutschland mit der Rolle des Reservisten leben.
Der spätere Manager des Hamburger SV bezeichnete seine Herzoperation als eine Zäsur.
Während einer Nacht auf der Intensivstation habe er im Krankenhaus die ganze Zeit lang auf einer Uhr den Sekundenzeiger mit den Augen verfolgt.
"Ich war gedanklich noch nie so klar wie in diesen Stunden. Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand ein Blatt Papier bringt, damit ich meine Gedanken aufschreiben kann. Am nächsten Morgen war alles weg. Komplett gelöscht. Das bedauere ich bis heute", sagte Netzer rückblickend, dem derzeit eine Sonderausstellung im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund gewidmet ist.
Titelfoto: Felix Hörhager/dpa