Sven Regener wird deutlich: "Die meisten Leute würden Blut kotzen"

Berlin - Er ist Kopf der Berliner Band Element of Crime, Bestseller-Autor um den Antihelden "Herr Lehmann" im Kreuzberg der Wendezeit. Nun sprach Sven Regener (63) unter anderem über seinen Debütroman von 2001, Planlosigkeit mit 30 und Trennung zwischen Kunst und Politik.

Sven Regener (63) kam Anfang der Achtzigerjahre nach Berlin.
Sven Regener (63) kam Anfang der Achtzigerjahre nach Berlin.  © Gerald Matzka/dpa

"Vielleicht wurde der Roman zu dem Zeitpunkt so ein Erfolg, weil damals die Diskussion um prekäre Beschäftigungssituationen losging und viele Leute nicht wussten, wie sie in den Beruf hereinkommen sollten", erzählt Regener im "Tagesspiegel"-Podcast "Eine Runde Berlin".

Heute sei dies anders als in den 2000er Jahren nicht mehr so, weil die Nachfrage nach Arbeitnehmern höher sei.

Damals traf das Sujet eines Dreißigjährigen, der in einer Kneipe arbeitet, offenbar einen Nerv bei jungen Menschen, die in Praktika feststeckten, der Mindestlohn noch kein Thema war und sozialversicherungspflichtige Jobs auch nicht die Regel waren.

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"Es ist eine interessante und dringende Frage, ob man so ein Leben wie Herr Lehmann leben kann", berichtet der Schriftsteller weiter, der Anfang der Achtzigerjahre nach Berlin kam. "Trotzdem merkt er natürlich, dass er älter wird, dass es vielleicht auch andere Perspektiven braucht und manche Abschnitte im Leben auch einfach mal abgeschlossen sind."

Der 63-Jährige wehrte sich beim Erscheinen von "Herr Lehmann" gegen die Behauptung von Journalisten in Interviews, der Protagonist sei ein "Taugenichts".

"Element of Crime"-Sänger Sven Regener über "Herr Lehmann": "Das stimmt überhaupt nicht"

Sven Regener (63) ist Kopf der Berliner Band Element of Crime.
Sven Regener (63) ist Kopf der Berliner Band Element of Crime.  © Henning Kaiser/dpa

Dazu stellt der Regener klar: "Das stimmt überhaupt nicht. Der Mann arbeitet mehr als alle anderen. Die meisten Leute, die so etwas sagten, würden Blut kotzen, wenn sie diese Arbeit machen müssen, und trotzdem wird es so gesehen. "

Und dann führt der Rock-Poet aus: "Das heißt auch, wie niedrig das Sozialprestige plötzlich ist, wenn man mehr feststellt: Ihr müsst euch ja nicht wundern, wenn die Leute hinter dem Tresen euch scheiße behandeln und keinen Bock haben, euch zu bedienen, wenn ihr die Leute so verachtet."

Mit Blick auf das geringe Sozialprestige äußert sich der gebürtige Bremer auch zu der angespannten Lage in vielen Branchen auf dem Arbeitsmarkt nach der Corona-Pandemie.

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"Viele Leute sind herausgegangen aus ihrem Beruf und sind nicht wiedergekommen. Die suchen jetzt überall händeringend Kellner, Köche und sonst was. Die Leute sagen: Ich bin scheiße behandelt worden, woanders werden auch Leute gesucht, da gehe ich da weg, dann mache ich das nicht mehr", so der Schriftsteller.

Der Autor ist Verfechter von mehr Gelassenheit im Leben: "Man muss sich nicht mit 30 sicher sein, wo es langgeht. Wenn man das ist: schön. Aber wenn nicht, ist auch nicht schlimm."

Zudem spricht sich der Musiker vehement für eine klare Trennung von Kunst und Politik aus. Er lehne es eher ab, "Leute politisch weiterzubilden und schlauer zu machen, weil das etwas Zweckgebundenes hat. "Vielmehr vertritt er den Standpunkt: "Politik ist Politik. Und Kunst ist Kunst. Ich will ja auch nicht, dass im Bundestag gesungen wird."

Sven Regener lebt mit seiner Familie in Berlin.

Titelfoto: Gerald Matzka/dpa

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