Ostrocker Silly über heutige "Zensur": "Meinungskorridor durch Political Correctness immer enger"
Hamburg/Berlin - Die Ostrocker von Silly haben (Musik-)Geschichte geschrieben, weil sie einzigartige Rockmusik mit einzigartigen Texten gemacht haben, ist Frontfrau Julia Neigel (58) überzeugt. Seit 2019 bereichert die Sängerin die Band mit ihrer Stimme. Im Gespräch mit TAG24 sprach Silly unter anderem über ihre anstehende Tour, ihre Texte und die heutige "Zensur".
Erstaunlich sei, wie viel Gültigkeit alte Silly-Songs, die sich mit gesellschaftlichen Prozessen auseinandergesetzt haben, auch noch heute unter anderen Vorzeichen haben.
"'Alles wird besser, aber nichts wird gut', das trifft auch heute noch den Nagel auf den Kopf", so Uwe Hassbecker (63) gegenüber TAG24.
"Egal, was man erreicht hat, man ist nie zufrieden. Eine offenbar zutiefst menschliche Eigenschaft. Vielleicht spielt das bei den vielen Unzufriedenen, die wir in unserem Land haben, auch eine Rolle."
Damals, in ihrer Hochzeit in den 70er- und 80er-Jahren, sah sich die Band noch mit der Zensur der DDR konfrontiert. Zensur sei aber auch noch heute aktuell, sind Neigel und Toni Krahl (74) überzeugt.
"Im Medium Fernsehen kann man nicht alles machen, was man will. Da wird sehr drauf geachtet, dass alles politisch korrekt ist. Jetzt kommt auch noch die Woke-Polizei dazu", erklärte Sänger Krahl im Gespräch. "Das geht einfach bei uns vorbei."
Durch die Entwicklung der Internet-Medien sei die Empörungsgesellschaft "so groß" geworden, so der 74-Jährige weiter. "Jeder äußert sich, teilweise auch anonym und damit auch, finde ich, zu krass und zu offen, zu spontan. Gleich mit einer Absolutheit, wodurch es auch persönlich wird." Es verändere merklich die Gesellschaft.
Neigel: "Der Meinungskorridor wurde durch Political Correctness immer enger"
Vor Jahren habe es eine größere Toleranz in Bezug auf die Meinungsfreiheit gegeben, so Julia Neigel weiter, die zuletzt medienwirksam gegen Sachsens Corona-Schutzverordnung vom 5. November 2021 klagte.
"Der Meinungskorridor wurde in den vergangenen Jahren durch Political Correctness immer enger. Wenn da einer ein bisschen abweicht, was wir eigentlich 'Andersdenkende' oder 'Freigeistigkeit' nennen, wurde das mit einem Shitstorm oder Diffamierung beantwortet. Man könnte das als eine Art Zensur bezeichnen, auch wenn sie jetzt vielleicht nicht direkt von oben verordnet wird."
Eine Art Selbstzensur, weil man eben sehr genau darüber nachdenken müsse, was man sagt, ergänzte Krahl im Gespräch.
Dass "Wokeness" im Idealfall bedeutet, dass sich Menschen durch mehr Achtsamkeit weniger verletzen und sich dadurch im besten Fall sicherer und auch gesehen fühlen, lässt die Band dabei außer Acht.
Silly gehen auf Tour
Ab November geht Silly wieder auf große Tour und kommt beispielsweise nach Dresden, Berlin und Rostock. "Wir haben uns die schönsten Stücke unserer gesamten Bandgeschichte genommen, die auf ihren Ursprung runtergedampft und behutsam neu arrangiert", erklärt Hassbecker.
"Und so reduziert, ohne zu großes, überladenes Arrangement, kriegen die Lieder einen ganz anderen nahen, warmen Charakter. Die Inhalte kommen nach vorne. Und das haben wir versucht, mit vielen akustischen Instrumenten – Flügel, Kontrabass, Gitarren, Mandoline, Violine, Cello – so gut wir können auf den Punkt zu bringen."
Wer das Ergebnis erleben will, hat in den kommenden Monaten die Chance dazu. Tickets und Termine findet ihr unter silly.de.
Titelfoto: PR