Luisa Neubauer mit emotionaler Rede über Demos gegen rechts: "Für viele sind wir viel zu spät!"
Hamburg - Bereits zum dritten Mal in wenigen Wochen sind am gestrigen Sonntag Tausende Menschen auf Hamburgs Straßen gegangen. Für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Gegen die AfD. "Heute bin ich besonders stolz darauf, Hamburgerin zu sein", sagte Rednerin Luisa Neubauer (27). Die Aktivistin übte in ihrer mitreißenden Rede aber auch Kritik: Mit den aktuell bundesweit organisierten Demos seien "wir" viel zu spät dran.
"Ich bin froh und dankbar, dass wir heute hier sind, aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir für viele schon viel zu spät sind", betonte die 27-Jährige bei der "Hamburg steht zusammen"-Kundgebung von der Bühne aus.
"Das sind Menschen, die sich nicht vorstellen müssen, wie eine rechte Gewalt aussieht, weil sie erleben sie jeden Tag [...] Das sind Menschen, die unter Generalverdacht gestellt werden, nicht zuletzt von unserem eigenen Bundespräsidenten", so Neubauer in ihrer Rede.
"Es ist ein Privileg, nicht wütend geboren worden zu sein. Und für diejenigen unter uns, die diese Wut erst gelernt haben: Wir haben einen besonderen Job, genau jetzt hinzuhören, die Augen aufzumachen und feststellen, dass die Correctiv-Recherchen nur der Gipfel vom Eisberg waren."
Diese hatten vor rund drei Wochen ein Treffen radikal rechter Kreise mit Extremisten und AfD-Funktionären in Potsdam aufgedeckt, auf dem unter anderem über Deportations- und Vertreibungspläne von Migranten und Menschen mit Einwanderungsgeschichte beraten wurde.
Für viele der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Seit den Enthüllungen finden jedes Wochenende in ganz Deutschland zahlreiche Demos mit Tausenden Teilnehmenden statt, die gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke auf die Straße gehen.
Ein Zustand, der auch Neubauer Mut macht. Gerade die wiederholt riesigen Menschenmengen in der Hansestadt. "Hamburg könnte der Gegenbeweis sein, dass die Gleichgültigkeit nicht siegen muss", so die Aktivistin.
"Hamburg steht zusammen": Zehntausende fluten erneut Hamburgs Straßen
Michel Abdollahi: "Wir als Demokraten gemeinsam gegen die verdammten Nazi-Schweine!"
Unter den Rednern am Sonntag war auch Moderator und Journalist Michel Abdollahi (42), der bereits vor über sechs Jahren in einem offenen Brief an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (69, CDU) seine Sorgen über die "zunehmend bedrohliche Stimmung auf den Straßen" kundgetan hatte.
"Mich erreichen täglich Dutzende Nachrichten von Menschen, die in Deutschland aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer Herkunft herabwürdigend behandelt werden", schrieb der 42-Jährige damals in seinen Anfangszeilen.
"Ich habe diesen Brief 2018 an die Kanzlerin geschrieben und seitdem ist nichts passiert, weil die Leute dachten, das wird sich schon von alleine regeln", so Abdollahi am Sonntag wütend.
"Seitdem ist die AfD von fünf auf mittlerweile 35 Prozent in Ostdeutschland angestiegen. Und das Einzige, was wir dagegen machen können, ist - weil uns die Politik nicht hilft und immer noch der Meinung ist, das würde schon irgendwann wieder vorbeigehen - als Demokraten gemeinsam gegen die verdammten Nazi-Schweine auf die Straße gehen."
Der deutsch-iranische TV-Moderator möchte seine Heimat nicht noch ein zweites Mal verlieren.
Fridays for Future: "Wir wissen, ohne Demokratie haben wir keine Chance im Klimaschutz!"
Organisiert wurde "Hamburg steht zusammen" von "Fridays for Future Hamburg (FFF)". Eine der am häufigsten gestellten Fragen sei laut Luisa Neubauer am Sonntag gewesen, was denn Klimaschutz mit Demokratie zu tun habe.
FFF-Sprecherin Annika Kruse erklärte im Gespräch mit TAG24 den "offensichtlichen" Zusammenhang. "Wir wissen, ohne Demokratie haben wir keine Chance im Klimaschutz. Und andersherum muss es etwas Lebenswertes geben, wofür man kämpft, und das ist unsere Demokratie, wo jeder Mensch die gleichen Rechte hat."
Zudem habe FFF inzwischen das Know-how, um in kürzester Zeit sehr große Demos zu organisieren. "Das Thema ist ja nicht mit einer Demonstration beendet", betonte Kruse.
"Wir merken bei allen politischen Themen, wie unfassbar wichtig es ist, immer wieder auf die Straße zu gehen.Un die Probleme eben nicht nach einer Demo gelöst werden. Wir müssen als Bevölkerung gemeinsame Stärke zeigen!"
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers