Kabarettist Alfons: "Ich will, dass die Leute darüber nachdenken, warum sie lachen"

Hamburg - Unterwegs mit oranger Trainingsjacke und Puschelmikrofon: Durch seine oft sehr komischen Straßenumfragen hat sich Emmanuel Peterfalvi (56), besser bekannt als Kabarettist "Alfons", einen Namen gemacht. Dabei sei eines seiner Erfolgsgeheimnisse, den Menschen "mit echtem Interesse" zu begegnen, wie der gebürtige Franzose im Interview mit TAG24 verrät. Ihm geht es nicht darum, nur einen gut pointierten Gag, sondern die Geschichten dahinter zu erzählen. Ab dem heutigen Dienstag gastiert der Wahl-Hamburger im Rahmen seines Programmes "Alfons - Jetzt noch deutscherer" mit seiner eigenen Familiengeschichte im St. Pauli Theater.

Unterwegs mit oranger Trainingsjacke und Puschelmikrofon: Durch seine oft sehr komischen Straßenumfragen hat sich Emmanuel Peterfalvi (56) alias "Alfons" einen Namen gemacht.
Unterwegs mit oranger Trainingsjacke und Puschelmikrofon: Durch seine oft sehr komischen Straßenumfragen hat sich Emmanuel Peterfalvi (56) alias "Alfons" einen Namen gemacht.  © Guido Werner

TAG24: Herr Peterfalvi, als TAG24 Hamburg muss ich Sie natürlich als Erstes fragen, was lieben Sie so sehr an Hamburg, dass Sie all die Jahre nie woanders hinwollten?

Peterfalvi: "Ich bin tatsächlich ganz provisorisch nach Hamburg gezogen und dieses Provisorium hält jetzt bereits seit über 30 Jahren (lacht). Ich kann es nicht mal richtig beschreiben, ich fühle mich hier einfach wohl. Die Stadt ist groß genug, dass viel passiert, aber klein genug, dass es menschlich bleibt. Viele Hamburger beschweren sich, dass die U-Bahn immer voll ist und ich sage dann nur: 'Fahr mal nach Paris!'. Das ist einfach mein Vergleich."

TAG24: Werden Sie in Hamburg oft erkannt?

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Peterfalvi: "Mit Jacke sofort, ohne ist es ein bisschen so, als wäre ich unsichtbar."

TAG24: Ich hätte jetzt gedacht, dass Sie auch viele an Ihrer markanten Stimme erkennen.

Peterfalvi: "Das passiert tatsächlich! Manchmal gucken mich Leute in der U-Bahn an und wenn ich dann spreche, sagen sie: 'Ach an Ihrer Stimme habe ich Sie jetzt erkannt'."

TAG24: Apropos Jacke, Ihr Markenzeichen und ein DDR-Unikat, das es so nicht mehr gibt. Was machen Sie, um sie zu schützen? Haben Sie heimlich ein Back-up anfertigen lassen?

Peterfalvi: "Beides: Ich habe ein Back-up anfertigen lassen, weil, wenn die Jacke verloren geht, wäre das ein echtes Drama. Benutzt habe ich dieses aber noch nie. Es ist einfach etwas anderes, ein ganz anderes Gefühl. Und die Original-Jacke wird regelmäßig von einer Schneiderin in Berlin grundsaniert und ich bringe die Jacke immer extra hin, weil ich sie nicht schicken will. Ich lasse sie nie ohne Aufsicht und habe die Jacke immer in einem speziellen Beutel mit dabei. Dennoch wird sie immer kaputter."

TAG24: Oh nein, also lösen sich die Nähte auf?

Peterfalvi: "Nein, das kriegt sie gut hin. Sie müssen sich das so vorstellen: Eine Renovierung bei der Schneiderin geht so, dass sie alle Teile an den Nähten auseinandernimmt, diese wäscht und gegebenenfalls mit neuer Farbe versieht. Das erste Mal war ich wirklich nervös, aber mittlerweile weiß ich, sie kann das. Nur leider sind es jetzt nicht mehr die Nähte, sondern es geht an die Substanz. Und das macht mir ein bisschen Angst."

TAG24: Denken Sie, es würde auch ohne Jacke funktionieren?

Peterfalvi: "Nein, ich glaube, das würde es nicht. Wenn ich die Jacke trage, dann ist Alfons da. Er ist ja durch die Jacke geboren. Aber ich bin zuversichtlich, dass diese auf jeden Fall einmal noch gerettet werden kann."

2021 erhielt der deutsch-französische Kabarettist das Bundesverdienstkreuz am Bande für seine Verdienste für die Kultur und Toleranz und Humanität sowie sein Engagement für die Völkerverständigung.
2021 erhielt der deutsch-französische Kabarettist das Bundesverdienstkreuz am Bande für seine Verdienste für die Kultur und Toleranz und Humanität sowie sein Engagement für die Völkerverständigung.  © Marcus Brandt/dpa

"Mehr als ein Kabarettist bin ich ein Geschichtenerzähler!"

Das St. Pauli Theater in Hamburg ist einer von "Alfons" Lieblingsorten in Hamburg: "Also erstmal ist es wunderschön und ich verbinde damit viele gute Erinnerungen".
Das St. Pauli Theater in Hamburg ist einer von "Alfons" Lieblingsorten in Hamburg: "Also erstmal ist es wunderschön und ich verbinde damit viele gute Erinnerungen".  © St. Pauli Theater

TAG24: Ab dem 16. Mai spielen Sie wieder für eine Woche im St. Pauli Theater Ihr Programm "Alfons - Jetzt noch deutscherer". Warum dieses und nicht Ihr neues "Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Und gibt es dort genug Parkplätze?"

Peterfalvi: "Dieses Programm ist anders und kommt auch anders bei den Leuten an. Es überrascht und rührt das Publikum mehr, als sie im ersten Moment denken und ich habe noch nie so viele Reaktionen auf ein Programm bekommen. Viele wollen es nochmal sehen oder wollen es noch sehen, weil sie es als 'Klassiker' empfohlen bekommen haben und ich kann es auch nicht einfach lassen. Wenn ich es wie jetzt länger nicht gespielt habe, habe ich auch immer richtig Lust darauf, meine Geschichten dem Publikum zu erzählen. Mehr als ein Kabarettist bin ich ein Geschichtenerzähler."

TAG24: Wann setzte bei Ihnen der Gedanke ein, dass Sie Menschen nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken anregen wollen, oder hat das schon immer mitgeschwungen?

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Peterfalvi: "Ich glaube, es hat schon immer mitgeschwungen, aber mehr unbewusst oder auch als Wunsch, aber ich wusste nicht, wie ich es umsetzen sollte. Und dann gab es tatsächlich einen Schlüsselmoment. Als ich meine Umfragen auf dem Wochenmarkt machte, habe ich einen älteren Herrn namens Heinz kennengelernt und der hat mir über Jahre immer nur eine einzige Frage beantwortet und musste dann immer schnell wieder weg. Der war immer toll und hat sehr pointierte Antworten gegeben.

Einmal habe ich ihn dann gefragt: 'Ich kenne Sie aus Hamburg, aber sind Sie aus Hamburg?' und er meinte 'Endlich mal eine gute Frage' und sagte, dass er aus Berlin kommt, aber 60 Jahre nicht da war und es auch nie wieder sehen wird. Er wäre zu alt und könne nicht mehr reisen. Und darauf die Woche ist er das erste Mal zu mir gekommen und meinte, es gäbe doch eine Sache, die er unbedingt in Berlin machen will. Und das war die Schule, in der er 1922 eingeschult wurde, noch einmal zu sehen. Und durch einen großen Zufall gab es die Schule noch, allerdings sollte sie in zwei Monaten für immer schließen."

TAG24: Nein! Das ist ja wieder eine Geschichte.

Peterfalvi: "Ich weiß, unglaublich! Nachdem wir die Schule angefragt hatten, sind wir, also ich, mein Kameramann, ein Tonmann und Heinz nach Berlin und haben die Schule besucht. Als wir ankamen, standen die Schüler Spalier und er hat ihnen erzählt, was er alles in der Schule gelernt hat. Mit dem Ergebnis, dass wir alle geweint haben. Ein paar Wochen später ist er gestorben und ich hatte dieses Filmmaterial und wusste erst nicht, was ich damit anfangen soll.

Irgendwann kam dann die Idee, ich zeige es auf der Bühne und erzähle seine Geschichte. Daraus ist das erste Programm dieser Art entstanden und ich habe gemerkt, dass ich genau das machen will. Mittlerweile weiß ich, dass, wenn ich nur einen Gag nach dem anderen mache, erfüllt mich das nicht. Ich will, dass die Leute nach Hause gehen und darüber nachdenken, warum sie gelacht haben."

"In Frankreich träumt man einfach nicht davon, in Deutschland zu leben!"

Der Kabarettist Emmanuel Peterfalvi (56, l.) bekam 2017 vom damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) feierlich die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen.
Der Kabarettist Emmanuel Peterfalvi (56, l.) bekam 2017 vom damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) feierlich die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen.  © Christian Charisius/dpa

TAG24: Seit 2017 sind Sie deutscher Staatsbürger und in Ihrem Programm erzählen Sie, dass Sie sich zwar geehrt gefühlt haben, aber sich aufgrund Ihrer Familiengeschichte schwer mit der Entscheidung getan haben. Haben Sie sich denn vorher schon unbewusst als Deutscher gefühlt oder hat vielleicht auch Ihr Job mit dem Oberthema "Franzose in Deutschland" dies verhindert?

Peterfalvi: "Das Interessante ist, dass ich da nie darüber nachgedacht habe. Unterbewusst gab es all diese Fragen bestimmt in meinem Körper, sie sind aber nie bis zu meinem Kopf vorgedrungen. Und ich brauchte mich auch nicht darum zu kümmern, als Franzose dürfte ich hier außer Wählen alles machen. Erst als der Brief von Olaf Scholz kam, der damals Bürgermeister war, musste ich mich fragen, ob ich das will. Und dann begann das Chaos in meinem Leben. Der eine Teil von mir wollte, der andere nicht. Letztendlich habe ich es gemacht und keine Sekunde bereut."

TAG24: Was hat Ihre Familie damals eigentlich gesagt, als Sie in Hamburg geblieben sind, bzw. was sagt sie heute noch?

Peterfalvi: "Damals war es schon merkwürdig für alle. In Frankreich träumt man einfach nicht davon, in Deutschland zu leben. Hätte ich jetzt gesagt, ich zieh in die Karibik, das hätten sie vielleicht verstanden (lacht). Aber so kam immer die Frage nach dem Warum und ich habe dann immer gesagt 'Ich finde es toll hier'. 'Was? Sollen wir dir einen Arzt schicken?' war dann die Reaktion darauf. Aber jetzt nach über 30 Jahren ist alles gut und zum Urlaub machen fahre ich noch immer nach Frankreich."

Für eine Woche (16. Mai bis 20. Mai) gastiert Kabarettist Alfons mit seinem Bühnenprogramm "Alfons - Jetzt noch deutscherer" im Hamburger St. Pauli Theater. Tickets gibt es ab 17,90 Euro unter der Rufnummer 040 / 4711 0 666, auf st-pauli-theater.de und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Titelfoto: Guido Werner

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