Chronologie des Prozesses des Jahres: Gil Ofarim nach Antisemitismus-Lüge ohne Urteil
Leipzig - Der Gerichtsprozess, der in Leipzig im Jahr 2023 wohl am meisten Aufsehen nach sich gezogen hat, war das Verfahren gegen den Musiker Gil Ofarim (41). Warum die Verhandlung doch schneller vorbei war als gedacht, warum kein Urteil fiel und ob Gil Ofarim bereits seine Strafe bezahlt hat, erfahrt Ihr in der TAG24-Chronologie.
Hickhack um den Prozessstart
Ursprünglich war bereits der Oktober 2022 für den Prozessstart vorgesehen, dieser sollte jedoch noch einmal ein knappes Jahr auf sich warten lassen:
Eine Woche vor dem ersten Prozesstermin wurde selbiger auf unbestimmte Zeit verschoben. Wegen einer "Terminkollision" hatten Ofarims Anwälte den Verhandlungstermin abgesagt, auch ein weiterer Antrag der Nebenklage und Kritikpunkte bezüglich der starken Medienpräsenz des Falls spielten bei der Absage eine Rolle.
Noch im Juni 2023 fehlte von einem konkreten ersten Verhandlungstermin jede Spur - vonseiten der Leipziger Justiz hieß es, das Verfahren gegen den Musiker habe "nicht die höchste Priorität".
Erst Mitte Juli dann gab das Landgericht den 7. November als Prozessstart bekannt.
Für das Verfahren wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung wurden zunächst zehn Verhandlungstage anberaumt, auch eine falsche Versicherung an Eides statt wurde dem 41-Jährigen zur Last gelegt.
Zahlreiche Zeugen stützten Standpunkt der Anklage
Nach der blutigen Terrorattacke der militant-islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel gewann das Verfahren noch einmal an Brisanz. Experten erwarteten vor allem vor dem Hintergrund des Nahostkonfliktes ein maximal erhöhtes Interesse an dem Prozess, das Landgericht Leipzig prüfte erhöhte Sicherheitsmaßnahmen vor Ort.
Unter anderem wurde zum Prozessstart der Zuschauerraum verkleinert, um mehr Abstand zur Anklagebank herzustellen. An zwei Eingangsschleusen wurden Ausweis- und Taschenkontrollen durchgeführt, überall im Haus waren Sicherheitskräfte postiert.
Am 7. Oktober versammelten sich bereits in den frühen Morgenstunden zahlreiche Medienvertreter vor dem Leipziger Justizgebäude.
Am ersten Verhandlungstag wurde dann seitens der Staatsanwaltschaft der Standpunkt der Kläger verlesen: Der Antisemitismus-Vorwurf, den der Musiker am 4. Oktober 2021 in einem Video auf Instagram gegen den Hotelmanager Markus W. (35) erhoben hatte, entspräche nicht der Wahrheit. Ofarims Verteidiger, darunter Star-Anwalt Dr. Alexander Stevens (42), erklärte stellvertretend für den Angeklagten, dass man auf der in Video festgehaltenen Version Ofarims beharre.
Neben Nebenkläger Markus W. kamen auch noch weitere Zeugen wie eine Aushilfe des Hotels und zwei weitere Gäste, die hinter dem Musiker in der Schlange warteten, zu Wort.
Am vierten Prozesstag wurde der Mittweidaer Digital-Forensiker Prof. Dirk Labudde (57) gehört, der mit einem Gutachten nachweisen konnte, dass Ofarim seine Kette mit dem Davidstern erst nach der Auseinandersetzung am Hotelschalter angelegt haben muss.
Gil Ofarim überraschte mit unerwartetem Geständnis
Für den sechsten Prozesstag wurden unter anderem die Musiker Jeanette Biedermann (43) und Gregor Meyle (45) geladen, die im Zeitraum der Video-Veröffentlichung Kontakt mit Gil Ofarim gehabt haben sollen.
So weit sollte es aber nicht kommen: Am 28. November 2023 räumte der 40-Jährige ein, in seinem Video nicht die Wahrheit gesagt zu haben. "Die Vorwürfe treffen zu", sagte er sichtlich bewegt im Gerichtssaal. Zu Hotelmanager Markus W. sagte er: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid."
Der 41-Jährige muss nun einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Euro zahlen, der je zur Hälfte an die jüdische Gemeinde in Leipzig und an den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz gezahlt wird.
Die beiden Teilbeträge sind innerhalb eines halben Jahres fällig. Erst danach gilt der Prozess tatsächlich als eingestellt. Medieninformationen nach soll das Geld rund einen Monat nach dem Geständnis noch nicht bezahlt worden sein.
Mit dem Nebenkläger habe sich Ofarim außerdem auf eine Schmerzensgeldzahlung in für die Öffentlichkeit unbekannter Höhe einigen können.
Formal gilt Ofarim nach dem Geständnis und der finanziellen Einigung immer noch als unschuldig - einen Eintrag ins Strafregister gibt es auch nicht.
Titelfoto: Ralf Seegers