Die Toten Hosen mit neuer Musik auf 40-Jahre-Album: Ein Wut-Song ist auch dabei!
Düsseldorf - Seit 40 Jahren machen die Toten Hosen ihr Punkrock-Ding. Nach dem offiziellen Band-Geburtstag im April wird nun so richtig gefeiert. Live wollen es Campino & Co. ab Juni krachen lassen. Vorher gibt's auf einem Album kleine Perlen, große Hits - und einige neue Songs.
Das Daumen-runter-Urteil mancher Fans der ersten Stunde ist fast so alt wie die Toten Hosen selbst.
Und es nervt Campino, deshalb nimmt er es auch gleich am Anfang eines neuen Songs aufs Korn: "Die Hosen sind kein Punkrock mehr - alle sagen das", brüllt der Sänger nörgelnden Begleitern des Massenerfolgs seiner einst kleinen, räudigen Straßenköter-Truppe entgegen.
Die hat jetzt stolze 40 Jahre als Deutschpop-Unikat auf dem Buckel
Danach verbindet Campino die persönliche Spitze gegen das gefühlt ewige "Mainstream"-Gemurre mit einem bissigen Text über "Fake News" und Verschwörungsmythen.
"Ein Hoch auf die Gerüchteküche/wer beweist mir, dass ich lüge". Das mit einem hübschen Spaghettiwestern-Intro ("3 Akkorde für ein Hallelujah!") eingeleitete Lied zeigt: Doch, die Toten Hosen haben noch reichlich Punk-Rotz in petto.
"Alle sagen das" ist eines von insgesamt sieben neuen Stücken auf einem opulenten Jubiläumsalbum zum 40. Band-Geburtstag in diesem Frühjahr, der ab Juni auch bei einer großen Tournee gefeiert wird.
Der Wut-Song gehört zu den Höhepunkten von "Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen" (Veröffentlichung: 27. Mai), einer stark erweiterten Hit-Compilation zur erstaunlichen Karriere dieser aus Düsseldorfs Punk-Underground der frühen 80er steil emporgewachsenen Musiker.
Sieben neue Lieder auf der 40-Jahre-Werkschau
"Es gab diese schöne, aggressive Melodie mit hohem Tempo, da hat sich die Thematik einfach angeboten", erzählt Campino im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin über "Alle sagen das".
Denn dieses Geraune, diese Lügen gehen ihm gewaltig gegen den Strich: "Jeder kann doch inzwischen irgendeine Behauptung aufstellen und findet gleichzeitig im Internet eine dubiose Quelle, die das Angebliche bestätigt. Am Ende bleibt nur eine Riesenschreierei übrig."
Andere neu geschriebene Lieder des als Vierfach-Vinyl-Box oder Doppel-CD veröffentlichten Albums sind eher augenzwinkernd politisch ("Scheiss Wessis") und fast schon punkschlagerhaft eingängig ("Amore Felice", "Teufel").
Oder sie spiegeln das aktuelle Selbstbild des würdevoll in die Jahre gekommenen Quintetts um Frontmann Andreas Frege alias Campino (59).
Etwa das bestens zum Mitgrölen im Stadion geeignete "112" ("Wir sind bereit seit 40 Jahren/bleiben Sieger gegen die Zeit/an guten wie an schlechten Tagen/in uns nichts als Dankbarkeit"). Ja, fast schon demütig dankbar für die tollen Jahre und ihre treuen Fans ist sie wirklich, diese "Band, die euch der Himmel schickt".
Und auch ein bisschen trotzig - von wegen Altersmilde oder gar Spießigkeit, dagegen rebelliert immer noch der "Chaot in mir" (Songtitel).
"Wünsch dir was" und "Tage wie diese" sind auf der neuen Platte
"Es ist eine Zusammenstellung von Liedern, die für uns wegweisend waren. Schlüsselmomente, die nicht nur am kommerziellen Erfolg gemessen werden können", sagt Campino über das bewusst nicht chronologische Album.
Fans der Frühphase müssen also nicht auf Sauf- und Funpunk-Lieder wie "Zehn kleine Jägermeister", "Eisgekühlter Bommerlunder" oder "Opel Gang" verzichten.
Große Hosen-Hits ("Wünsch dir was", "Hier kommt Alex", "Tage wie diese") stehen direkt neben dezidiert politischen, gesellschaftskritischen Songs ("Willkommen in Deutschland") oder sehr persönlichen ("Draußen vor der Tür", "Nur zu Besuch").
Auch "Bayern", das gegen einen gewissen Rekordmeister-Fußballverein ankläffende Lied von 1999 ("Es kann so viel passieren/es kann so viel geschehen/nur eins weiß ich hundertprozentig/nie im Leben würde ich zu Bayern gehen") findet in dieser Best-of-Hosen-Mixtur einen Ehrenplatz.
"Es gehört einfach zu unserer Historie dazu. Ich bin da jetzt nicht sonderlich stolz darauf, aber einer musste das ja damals tun, so waren es halt wir", sagt Campino - und präsentiert im Zoom-Interview sein breitestes Campino-Schelmenlachen.
Campino wird bald 60 Jahre alt! Wie geht es weiter mit den Toten Hosen?
40 Jahre - eine lange Zeit für eine Band, die aus dem Deutschpunk-Hobbykeller kam und anfangs nur ein bisschen Spaß haben wollte.
Campino, Andreas von Holst (Gitarre), Michael Breitkopf (Gitarre), Andreas Meurer (Bass) und Vom Ritchie (Schlagzeug) sind äußerlich leicht verwittert, aber als Musiker, Songschreiber und Performer weiterhin sehr gut in Form.
Was kann also jetzt noch kommen, wo der Frontmann doch im Juni auch schon die 60 erreicht?
Seit über zwei Jahrzehnten sei "unsere Mannschaftsaufstellung auf der Bühne immer dieselbe geblieben, und ich könnte mir auch keine andere vorstellen", schreibt Campino in seinem sympathisch bescheidenen "Vorwort" zum Album.
Im dpa-Interview sagt er: "Es wird mit den Toten Hosen ja nicht ewig weitergehen - insofern ist das ein schöner Gedanke, dass wir das letzte Line-up sind."
Er sei "derzeit sehr glücklich, die Stimmung zwischen uns ist gut, wir treffen uns regelmäßig zum Proben und werden auf jeden Fall bis zum Herbst gut beieinander sein. Was das Leben dann für uns bereit hält, weiß man nicht."
Diesem vorsichtigen Ausblick fügt er dann noch etwas Fußball-Sprech hinzu: "Also wollen wir lieber von Tag zu Tag denken, von Spiel zu Spiel, wenn man so möchte, und dann schauen, was am Ende dabei rauskommt."
Titelfoto: ---/JKP/Warner/dpa