Sabine Vitua über Demenz: Das erlebte sie mit ihrem "Mami-Baby"
Berlin - Die Zeit zwischen den Feiertagen nutzen viele von uns gern, um auf das Vergangene zurückzuschauen. Doch was ist, wenn man sich daran nicht mehr erinnern kann? Wenn durch Demenz Erinnerungen allmählich gelöscht werden? Wie schwer es ist, geliebte Menschen an diese Krankheit zu verlieren, erzählt Schauspielerin Sabine Vitua (63, "Pastewka") im TAG24-Interview.
"Weil ich die Demenz bei meiner Mutter miterlebt habe", engagiert sie sich für die Aufklärung darüber. "Diese Krankheit kann man nicht als Altersschwäche ansehen, sondern sie ist eine schwere und unheilbare Krankheit, die unfassbar schambesetzt ist", erklärt sie.
"Deshalb ist die Sichtbarmachung unglaublich wichtig. Selbst bei aufgeklärten Menschen, die einen Demenzkranken in der Familie haben, heißt es: 'Das sagen wir aber niemandem.' Und das ist leider kein Einzelfall."
Seit Februar 2024 ist die Mimin Botschafterin für das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) - ein Forschungsinstitut, das nach Ursachen und Therapien unter anderem für Demenz sucht.
Persönlichkeit der Erkrankten verändert sich
Bei jedem Erkrankten äußert sich die Krankheit anders. "Betroffene sind anfangs relativ pfiffig, ihre Symptome zu verstecken oder zu überspielen." Bei ihrer Mutter, die über acht Jahre lang mit der Erkrankung kämpfte, habe Vitua eine Persönlichkeitsveränderung festgestellt.
"Meine Mutter war früher sehr aufgeweckt, unternehmungslustig und witzig. Als sie dann erkrankte, wurde sie langsam, vor allem im Kopf, und sprachlich schwerfällig. Sie wollte nur noch wenig raus, man konnte sie nur noch selten begeistern. Sie konnte aber auch gerade in der Anfangsphase bockig und aggressiv sein. Beim Fortschreiten der Krankheit kam aber ihr Humor und Charme wieder zum Vorschein."
Hilfe wollte sie von ihrer Tochter nicht annehmen. Damit sich ihre Mutter nicht gegängelt fühlte, entsorgte Vitua heimlich verdorbene Lebensmittel aus dem Kühlschrank oder putzte die Wohnung, während ihre Mutter schlief.
Die 63-Jährige hatte das Glück, dass sie einen Heimplatz für ihr "Mami-Baby", wie Vitua sie nannte, in Berlin-Spandau bekommen hat. Die Hilfe durch die Pflegerinnen und Pfleger habe ihre Mutter sehr gut angenommen.
"Dass ich die Verantwortung für den Alltag mit Essen, Waschen, Hygiene abgeben konnte", war eine große Erleichterung.
"Zur Eingewöhnung war ich täglich vor Ort, später dann zwei-, dreimal in der Woche. Unser tägliches Ritual war es, um 18 Uhr zu telefonieren. Wenn ich mal nicht konnte, übernahm mein Mann", erinnert sie sich.
"Nur einmal vergaß ich es. Ich rief erst 19 Uhr an und da weinte meine Mutter ganz fürchterlich. 'Ich warte schon so lange', sagte sie. Dabei hatte sie damals schon kein Zeitgefühl mehr."
So sollte man mit dementen Menschen umgehen
Wenn Sabine Vitua zu Besuch war, spielten die beiden mit bunten Schokoladentieren oder schauten sich Bilderbücher an. "Sie mochte alles, was bunt ist." Deshalb habe die Schauspielerin das Heimzimmer farbenfroh eingerichtet.
Vor knapp drei Jahren starb ihre Mutter im Alter von 87 Jahren. Seitdem gibt sie ihre Erfahrungen weiter, um anderen Angehörigen auch Mut zu machen.
"Menschen sind unsicher, wie man mit Demenzkranken umgehen soll." Es komme vor allem auf Rücksicht an. "Ich habe gelernt: Man sollte einem Erkrankten nicht zu viele Fragen stellen und ihm Entscheidungen abnehmen. Statt 'Welches Stück Kuchen möchtest du haben?' ist es besser zu sagen: 'Ich bringe dir ein Stück Kuchen mit.' Es ist hilfreich, in kurzen, knappen Sätzen zu sprechen, um die demente Person nicht noch mehr zu verwirren", erklärt Sabine Vitua.
"Und statt einen Demenzkranken mit der Frage vorzuführen 'Erkennst du mich etwa nicht?' stellt man sich besser vor. Auf Überforderung und Hilflosigkeit reagieren die Erkrankten unterschiedlich, entweder mit Depression, Aggression und Rückzug", so die 63-Jährige.
Titelfoto: Mirjam Knickriem/privat