Christian Rach zog sich vor zwölf Jahren aus der Gastronomie zurück: Das macht er heute!
Hamburg - Der Sternekoch Christian Rach (66) ist vielen vor allem als "Rach, der Restauranttester" bekannt. Er selbst zog sich bereits vor zwölf Jahren aus der Gastronomie zurück. Wie es ihm damit geht und was er eigentlich heute macht, verriet er TAG24 im Interview.
TAG24: Herr Rach, gerade erschien Ihr neues Kochbuch "Deutsche Küche". Was ist darin das Besondere?
Christian Rach: Ich versuche, in dem Buch eine Vision zu gestalten. Deswegen richtet sich die Gliederung nicht nach Jahreszeiten oder der Geografie, sondern danach, wofür Deutschland steht: für tolles Brot, für weißen Spargel oder dafür, was wir aus Kohl und Rüben machen. Etwa 30 Prozent sind traditionelle Gerichte und der Rest ist innovativ mit viel Gemüse und viel Getreide.
TAG24: Wie genau hat sich denn die deutsche Küche in Ihren Augen verändert?
Rach: Moderne deutsche Küche heißt: Weg von der Fleischlastigkeit. Früher hieß es: Jeder braucht jeden Tag ein Schnitzel auf dem Teller. Das war ein Zeichen des wirtschaftlichen Wachstums und der Erholung nach den Weltkriegen. Davor gab es den Sonntagsbraten und dann gab es den Überfluss. Und wir haben in Deutschland sehr lange den Produkten gegenüber keine Wertschätzung gezeigt.
Heute wollen die jungen Menschen wieder wissen, wo die Produkte herkommen und wenn sie Fleisch essen, dann möchten sie nicht, dass es aus der Massentierhaltung kommt. Das ändert sich sehr und das sind neue Herausforderungen an die Produzenten. Die müssen wir mit unseren Traditionen koppeln. Und wir haben unglaublich tolle Traditionen in Deutschland.
TAG24: Gab es vor dem Hintergrund auch die Überlegung, Ihr Kochbuch komplett fleischlos zu gestalten?
Rach: Ja, aber dann wäre es nicht mehr die "Deutsche Küche". Dann müsste man es "Vegetarische deutsche Küche" nennen. Und das wäre auch nicht meine Überzeugung. Ich esse zwar so gut wie keine zusammengesetzte Wurst mehr, aber ich esse gerne mal einen guten Schinken von einem super Produzenten.
Christian Rach zur Mehrwertsteuer-Diskussion: "Wird es schwer machen"
TAG24: Noch vor der Corona-Pandemie haben Sie der Gastronomie eine düstere Zeit vorausgesagt. Sehen Sie das jetzt bestätigt?
Rach: Es geht mir nicht um Bestätigung. Es ist schade so. Aber die Corona-Pandemie darf auch nicht als Ausrede dienen, um über Missstände hinwegzusehen, die es sowieso in der Branche gibt. Aber heute erleben wir unglaublich viele junge Kollegen und Kolleginnen, die neue Konzepte machen, die inhaltlich neu arbeiten und sich auch personell neu aufstellen. Und das ist großartig.
TAG24: Das heißt, Sie blicken auch wieder etwas positiver in die Zukunft der Branche?
Rach: Ich glaube, die eine große Lösung wird es nicht geben. Wir müssen viele kleine individuelle Lösungen haben und daraus entsteht das große Ganze. Die Gastronomie ist eine Branche mit unglaublich vielen kleinen Arbeitgebern. Das ist die fehlende Power, aber auch die große Chance. Denn jeder Betrieb kann aus einer Überzeugung andere Arbeitsbedingungen, andere Qualitätsbedingungen und eine andere Mitarbeiterwertschätzung generieren. Und das schlägt dann die Welle nach außen und bringt den Change.
TAG24: Wo ordnen Sie da die Rückkehr zur alten Mehrwertsteuer auf 19 Prozent ein?
Rach: Die Erhöhung wird es noch einmal schwer machen. Warum? In der Gastronomie werden Lebensmittel für sieben Prozent eingekauft, dann aber für 19 Prozent versteuert. Das heißt, da ist ein Delta von zwölf Prozent, das zu dem Aufschlag, den man sowieso kalkulatorisch dazurechnen muss, um wirtschaftlich arbeiten zu können, noch dazukommt. Es wird also eine spannende Zeit.
Sehen wir den "Restauranttester" bald wieder mit einer eigenen Sendung?
TAG24: Sie selbst haben sich bereits seit Jahren aus der Gastronomie zurückgezogen. Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?
Rach: Nein. Das Kapitel ist abgeschlossen. Ich habe so lange und so viel in meinem Leben gearbeitet, 80 bis 90 Stunden die Woche, und irgendwann ist gut. Ich habe für drei Leben gearbeitet. Heute möchte ich nicht mehr für 60 oder mehr Leute verantwortlich sein. Ich bin zwar immer noch so voll von neuen Ideen. Aber ich muss sie nicht alle umsetzen.
TAG24: Und sehen wir Sie stattdessen mal wieder mit einer eigenen TV-Sendung?
Rach: Man wird nicht jünger und attraktiver auch nicht [lacht]. Und man muss sich da auch nicht selber permanent angucken. Ich mache nur noch ausgewählte Dinge, das ist herrlich, aber ich bin mit meinem täglichen Pensum sehr zufrieden. Eine neue eigene Sendung ist da nicht angedacht.
TAG24: Was machen Sie denn sonst so, wenn Sie nicht gerade Kochbücher schreiben?
Rach: Ich mache seit fast drei Jahren einen wöchentlichen Podcast mit Wolfgang Bosbach, in dem wir über politische und gesellschaftliche Dinge reden. Wir sind unterschiedliche Charaktere, aber es harmoniert sehr gut und wir bekommen immer tolle Leute vor unser Mikrofon. Das ist das, was im Moment die meiste Zeit beansprucht.
Titelfoto: TAG24/Franziska Rentzsch