Atze Schröder: Bereust Du, dass du eine Kunstfigur bist?
Dresden - Seit gut 30 Jahren gehört Atze Schröder (59) zu den Stars der deutschen Comedyszene. Aktuell ist der Ruhrpott-Proll mit Minipli-Perücke und getönter Piloten-Brille (Kultspruch: "Ja nee, is' klar") mit seinem neuesten Programm "Der Erlöser" auf Tour. Atze agiert quasi als Messias, der sein Publikum auffordert: "Werft Eure Sünden auf mich, ich übernehme Eure Schuld!" TAG24 sprach mit dem Künstler hinter der Kunstfigur, der konsequent seine Anonymität wahrt.
TAG24: Atze Schröder, zwei Stunden "Ablass ohne Schuld" werden zur Show "Der Erlöser" versprochen. Welche Schuld kann man denn in einem Comedyprogramm loswerden?
Atze Schröder: Eine Menge, wir haben alle etwas zu bereuen. Es gibt schließlich nicht nur gute Entscheidungen im Leben. Es geht um Neid, Missgunst, Eifersucht und natürlich auch ums Fremdgehen. Ein unerschöpfliches Thema, ich hatte ja mal ein ganzes Programm, das so hieß. Da kann man sehr viel mit anfangen, weil ja immer viele Pärchen im Publikum sind. Für die fange ich mit einer Frage an. Ich sage: Wir schauen jetzt mal alle unsere Partner an. Wer von Euch denkt jetzt: Oh, zu mehr hat’s also nicht gereicht? Und wenn dann gelacht wird, weiß ich, es wird ein schöner Abend für mich.
TAG24: Welche Sünden müsste Atze Schröder selber beichten?
Ich bin wohl oft zu spöttisch und mache zu viel Blödsinn mit Leuten, das fiele mir als Erstes ein. Meine Freundin verdreht immer schon die Augen, wenn ich Leute einfach anquatsche. Sagen, was man denkt, ist zwar oft witzig, kann aber auch schräg sein.
TAG24: Wie aktuell ist das Programm? Bei vielen Comedians ändern sich Inhalte, ändern sich Gags. Bei Ihnen auch?
Klar. Was ich denke und beobachte, fließt immer frisch mit ein. Ich lese morgens Zeitungen und wenn mir etwas besonders auffällt, wird es am Abend schon auf der Bühne umgesetzt.
Atze Schröder: Anonymität ist "purer Luxus"
TAG24: Atze Schröder greift ja meist tief ins pralle Leben, da kommen gerne auch deftige Gags. Nun heißt es ja, der Zeitgeist sei "woke", das Publikum teilweise empfindlicher. Wie empfinden Sie es: Macht das Comedy schwieriger? Werden Sie bisweilen zahmer?
Zahmer nicht. Aber man muss sicherlich mehr aufpassen. Das sehe ich aber als Herausforderung: Ich muss einfach raffinierter sein. Ich formuliere genauer und arbeite etwa viel mit Halbsätzen. Die muss das Publikum dann für sich vervollständigen. Da bin ich fein raus, denn ich kann sagen: Die Schweinerei habt Ihr doch selber gedacht.
TAG24: Sie haben von Anfang an Bühnenfigur und Privatperson strikt getrennt, sind ausschließlich als Atze in der Öffentlichkeit präsent. Stehen Sie nach wie vor zu dieser Entscheidung?
Mehr denn je! Viele bekannte Menschen, viele Prominente beneiden mich darum. Stefan Raab etwa hat das immer angesprochen, wenn ich früher bei ihm in seiner Sendung war. Es ist wirklich komfortabel. Ich wohne in Hamburg und kann mich unbehelligt im Alltag bewegen. Das ist purer Luxus.
TAG24: Sie werden nächstes Jahr 60. Wie lange kann es mit dem breitbeinig auftretenden Atze in gewohnter Form weitergehen? Keine Angst, dass die Figur irgendwann unglaubwürdig wird?
Da bin ich ganz zuversichtlich. Bis 85 mache ich auf jeden Fall weiter. Sylvester Stallone dreht schließlich auch noch Filme (lacht). Außerdem: Komiker werden mit dem Alter besser. Denn da speist sich die Summe des Lebens mit ein.
Titelfoto: Monika Skolimowska/dpa