Warum wurde Attila Hildmann noch nicht nach Deutschland ausgeliefert?
Berlin - Die Bundesregierung hat die Türkei noch immer nicht um Auslieferung von Attila Hildmann (41) gebeten, obwohl dessen Aufenthaltsort seit Oktober 2022 dank Recherchen des "stern" bekannt ist.
Das bestätigte die leitenden Ermittlungsbehörde, die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, auf Anfrage des Magazins.
Ein Behördensprecher sagte, die Staatsanwaltschaft habe erst durch den "stern" und die Recherchegruppe Hildbusters erfahren, dass Hildmann in der türkischen Kleinstadt Kartepe lebt. Dort wohnt er laut "stern"-Informationen auch weiterhin.
Da ein Interpol-Haftbefehl vorliegt, ist die Türkei gemäß Europäischen Auslieferungsabkommen dazu verpflichtet, Hildmann festzunehmen und nach Deutschland zu überstellen.
Laut Aussage der Generalstaatsanwaltschaft kann die Bundesregierung die Türkei erst dann offiziell um Auslieferung bitten, wenn die türkische Polizei Hildmann entweder festgenommen hat oder die Türkei Deutschland explizit dazu auffordert, ein Auslieferungsersuchen zu stellen.
Beides sei bislang nicht der Fall. "Auslieferungsersuchen ins Blaue hinein werden hingegen nicht gestellt", sagt ein Sprecher der Behörde. Gegen Hildmann sei deswegen von der Bundesregierung "noch kein Auslieferungsersuchen gestellt" worden.
Hildmann könnte von Erdogan als Druckmittel benutzt werden
Ob die Bundesregierung auf diplomatischer Ebene Versuche unternommen hat, die Auslieferung zu erbitten, dazu wollte das zuständige Bundesministerium für Justiz keine Stellung nehmen.
Im November hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) ihren türkischen Amtskollegen Süleymann Soylu (53) in Ankara besucht. Das Gerücht kam auf, Faeser habe mit Soylu auch über Hildmanns Auslieferung gesprochen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte dem "stern", dies sei "nicht zutreffend".
Warum aber kommt die Türkei seiner Pflicht nicht nach, Hildmann festzunehmen? Der Linke-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (59) bezeichnete Hildmann als "Verhandlungsmasse" für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (68).
"Er wird versuchen, ihn als Druckmittel einzusetzen, um im Gegenzug türkische Oppositionelle aus Deutschland ausgeliefert zu bekommen", sagte Hunko dem Magazin.
Titelfoto: Carsten Koall/dpa