Alphaville-Frontmann Marian Gold: So steht es um das Ende der Band
Münster - Marian Gold legt 40 Jahre nach der Gründung von Alphaville noch mal eins drauf: Mit dem neuen Album "Eternally Yours" wagt er den Schritt ins Symphonische und bringt unter anderem die 80s-Hymnen "Big in Japan", "Sounds like a Melody" und "Forever Young" mit einem bombastischen Klassiksound auf die Bühne. Im Gespräch mit TAG24 erzählte der 68-Jährige auch, wie viel Glück ihn während seiner gesamten Band-Karriere begleitet hat.
TAG24: Viele Konzerte Ihrer aktuellen Tournee sind bereits ausverkauft. Andere Künstler haben nicht so viel Glück.
Marian Gold: Das ist wahr. Viele Künstler sind im Moment in einer sehr bedrohlichen Situation. Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Künstler zu sein, ist ziemlich risikoreich. Deshalb hat mir das am Anfang auch ein wenig Sorgen bereitet, denn ich wusste nicht, wie groß das Interesse an unserer Tournee sein wird.
Als wir im September vergangenen Jahres das Album veröffentlichten, war die Resonanz derartig positiv, dass ich mir ab da weniger Gedanken gemacht habe. Generell bin ich sehr zufrieden mit den Vorverkäufen für die Tickets, das läuft wirklich super.
TAG24: Ihre Auftritte werden vom Deutschen Filmorchester Babelsberg begleitet ...
Marian Gold: Für mich war das ein Sprung ins kalte Wasser, weil es schon länger her ist, dass ich mit einem großen Symphonie-Orchester aufgetreten bin. Aber mir war klar, worauf ich mich einlasse.
Es gibt einen großen Unterschied: Bei einer normalen Rockshow kann ich improvisieren, ich kann spontan auf das Publikum reagieren oder auch die Musik verändern, die ich gerade spiele. Mit einem Orchester geht das nicht. Ein Orchester ist wie ein Uhrwerk, das man anstellt und dann geht es los. Alle Gags, die zur Unterhaltung beitragen, muss ich mir also vorher überlegen. Ich bin dann quasi selbst ein Zahnrad in dem Uhrwerk.
Als das Deutsche Filmorchester Babelsberg signalisierte, dass sie Interesse haben, mit uns zusammenzuarbeiten, war das die goldene Gelegenheit. Da habe ich zugeschlagen. Es war ein Glücksfall, dass wir dieses großartige Orchester bekommen haben.
Mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg auf Tournee
TAG24: Wird es trotzdem Rock-Konzerte von Alphaville geben oder sind in Zukunft vor allem Auftritte mit Orchester geplant?
Marian Gold: Ich empfinde die Zusammenarbeit mit einem großen Orchester als eine Weiterentwicklung. Oder sagen wir so: Das Spektrum für mich und auch die Band wird größer. Ich vermisse die Rockshows aber nicht, weil wir immer noch welche spielen.
Mit den symphonischen Konzerten gastieren wir ausschließlich im deutschsprachigen Raum. Parallel dazu treten wir weltweit mit den Rockshows auf. Deshalb ist dieses Jahr auch sehr busy, weil beide Projekte gleichzeitig passieren.
TAG24: Sie haben bereits über Ihr Karriereende gesprochen. Die Leute wollen Sie aber weiterhin live erleben. Denken Sie immer noch darüber nach?
Marian Gold: Ich zwinge mich selbst, darüber nachzudenken und an diesen Gedanken zu gewöhnen. Es gibt gewisse Dinge, die einfach unausweichlich sind. Irgendwann wird meine Stimme nicht mehr funktionieren. Alphaville-Songs sind gesanglich sehr herausfordernd, die werde ich nicht mehr so singen können. Ich könnte mir dann einen anderen Stil aussuchen oder gesanglich ein anderes Genre.
Wir werden in dieses Leben geworfen und müssen irgendwann sterben. Mit diesem Gedanken muss man sich irgendwann auseinandersetzen, damit man nicht völlig unvorbereitet in diese unausweichliche Situation gerät. So ist das auch in beruflicher Hinsicht.
Alphaville: "So ein Phänomen entsteht nur, wenn es keinen Plan B gibt"
TAG24: Bei Alphaville haben alle Bandmitglieder als Autodidakten angefangen. Gab es einen Plan B, falls es schiefgeht?
Marian Gold: Wenn es einen Plan B gegeben hätte, dann hätte es Alphaville wahrscheinlich nie gegeben. So ein Phänomen wie Alphaville entsteht nur dann, wenn es keinen Plan B gibt, sondern nur einen Weg, nämlich den nach vorne. Und wenn man alle Wege hinter sich abschneidet und eine sehr hohe Motivation hat, das durchzuziehen, was man sich vorgenommen hat.
Uns hat geholfen, dass es seit Ende der 70er-Jahre Instrumente wie Synthesizer und Rhythmusmaschinen gab. Die haben uns musikalischen Dilettanten ermöglicht, Musik zu komponieren. Das zu programmieren, ist auch nicht ganz einfach. Aber es ist die einzige Möglichkeit für jemanden, der kein Instrument wie Schlagzeug oder Gitarre spielt, sich musikalisch auszudrücken.
Es ist ja nicht so, dass wir keine Ahnung von Musik hatten. Wir wussten, wie andere Leute Musik machen und was wir toll fanden und was nicht. Das waren die Leitlinien für uns, an denen wir uns anfangs orientiert haben und aus denen wir schöpfen konnten, um tolle Songs zu schreiben.
Marian Gold: "Als Künstler braucht man drei Sachen"
TAG24: Alphaville haben also alles richtig gemacht?
Marian Gold: Als Künstler brauchst du drei Sachen: Du musst unglaublich talentiert sein. Dann musst du auch wahnsinnig, obsessiv sein und eine Macke haben, dass du dich überhaupt auf so etwas einlässt. Drittens brauchst du unglaublich viel Glück.
Wir hatten von Anfang an so viel Glück. Das geht auf keine Kuhhaut. Wir haben eine Single veröffentlicht, die gleich ein Welthit wurde: "Big in Japan". Wir mussten uns nicht durch Discotheken spielen oder jahrelang im Proberaum im Keller sitzen. Einfacher kann man es nicht haben, mehr Glück aber auch nicht.
Doch wenn man Glück haben will, dann braucht man eines: Geduld. Wenn man keine Geduld hat, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass man auch Glück hat. Das Glück kommt ja nicht alle Tage um die Ecke gelaufen. Das ist wie beim Angeln: Um einen dicken Fisch an Land zu ziehen, braucht es manchmal ein paar Wochen. Vieles passiert nicht von heute auf morgen, man muss Geduld mitbringen.
Dass Alphaville nach 40 Jahren immer noch existiert liegt allerdings daran, dass es außer Glück auch noch ein paar andere Komponenten bei uns gibt. Zum Beispiel Teamgeist. Die besten Stücke habe ich immer mit anderen Leuten zusammen geschrieben. Die wären ohne die Anderen nie entstanden.
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Titelfoto: Helen Sobiralski