Alex Christensen im Interview: "Ich kann viele verstehen, die freiwillig aufhören"
Von Christian Grube
Leipzig - Alex Christensen (55) zählt mittlerweile zu den Urgesteinen der deutschen Elektro-Musik, ist seit über 30 Jahren im Business aktiv und hat seitdem unzählige Platten und Singles veröffentlicht. 2020 sollte es für den Komponisten und Produzenten eigentlich auf Tour gehen, doch Corona macht dem einen Strich durch die Rechnung. Zwei Jahre später kann die Konzertreihe endlich nachgeholt werden, auf der "Alex C" auch in Leipzig zu Gast ist. TAG24 traf den DJ vorab zum Interview.
TAG24: Hey Alex, knapp zwei Jahre gab es jetzt keine Konzerte. Ist das ein gutes Gefühl, endlich wieder auf der Bühne zu stehen?
Alex Christensen: Es ist ein großartiges Gefühl! 27 Monate keine Konzerte zu spielen, ist eine verdammt lange Zeit. Ich freue mich wie ein Schneekönig, dass es endlich wieder losgeht!
TAG24: Worauf können sich die Besucher bei deinen Konzerten freuen? Und welche Rolle wirst du dabei einnehmen?
Alex Christensen: Ich mache alle Beats, spiele die Baselines und moderiere – quasi der Allroundmann bzw. moderne Orchesterleiter. Wir werden mit dem Orchester alle großen Hits spielen, mit speziellen Live-Versionen und einem großartigen Medley. Die Menschen können sich zwei Stunden in eine Wohlfühloase begeben, sich einfach fallen lassen und den Alltagsärger einmal vergessen.
TAG24: Welche Gäste wirst du dabei haben?
Alex Christensen: Wir haben viele verschiedene tolle Sänger dabei, die von Stadt zu Stadt wechseln. Hier in Leipzig wird unter anderem Felix Räuber (37, Anm. d. Red.), der Sänger von Polarkreis 18, dabei sein. Auch Yass (35), mit der ich seit 20 Jahren Musik mache, wird auftreten. Mit dem Berlin Orchestra sind es etwa 30 Personen auf der Bühne.
TAG24: Ist es eigentlich schwierig, die "Classical Dance"-Platten live umzusetzen?
Alex Christensen: Ich finde ja, dass es wichtig ist, das Kernelement der Dance-Musik – also das Fundament, den Groove elektronisch zu lassen. Der Rest kommt live vom Orchester. Das ist auch eine lange Probephase, dass so hinzubekommen. Hier treffen ja auch unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen aufeinander. Doch inzwischen haben wir das echt gut hinbekommen.
TAG24: Geht mit einem Orchester nicht ein wenig die Flexibilität im Konzert verloren?
Alex Christensen: Nein, gar nicht. Wir haben es auch schon gehabt, dass wir bei einem Konzert ins Publikum gerufen haben, was wir denn noch spielen sollen. Und dann haben die irgendwas zugerufen und ich habe mich umgedreht und los ging's.
"Es ist schon so, dass aus den Neunzigern relativ wenige Musiker noch aktiv sind"
TAG24: Auf deinen Alben hast du fast ausnahmslos andere Sänger engagiert, um bekannte Songs neu zu interpretieren. Ronan Keating (45) singt beispielsweise "Smalltown Boy" von "Bronski Beat". Die einzige Ausnahme ist Bonnie Tyler (70) mit "Total Eclipse of the Heart". Wie kam es zu den Neu-Interpretationen?
Alex Christensen: Ich finde es einfach spannend, der Musik einen neuen Ansatz zu geben. Ich will die Songs nicht kopieren, sondern eher entstauben und modernisieren. Dadurch, dass das Orchester im Mittelpunkt steht, ergibt sich auch eine neue Sichtweise – auch auf der Tour. Das Ganze mit jungen, neuen Sängern zu entwickeln, ist etwas Tolles. Bonnie Tyler war da die einzige Ausnahme. Wenn man mit den originalen Sängern arbeitet, müsste man ein komplettes Album so machen. Ich habe da aber auch nie wirklich drüber nachgedacht, da ich den anderen Weg spannender finde.
TAG24: Bei einigen Musikern würde das mittlerweile auch schwierig werden. Einige machen keine Musik mehr, andere sind mittlerweile leider sogar verstorben.
Alex Christensen: Ja, das stimmt. Robert Miles (†47), Melanie Thornton (†34) oder Prince Ital Joe (†38) sind nicht mehr unter uns. Mark Wahlberg ("Marky Mark", 50) schauspielert.
TAG24: Fühlt man sich da als Überbleibsel oder Relikt einer gewissen Generation?
Alex Christensen: Es begleitet einen ja das ganze Leben, dass Menschen leider versterben. In der Musik ist das nicht anders. Relikt - ich weiß nicht, da muss ich vielleicht erst so alt werden wie Siegfried und Roy. Es ist schon so, dass aus den Neunzigern bzw. unserem Genre relativ wenige Musiker noch aktiv sind. Es ist aber auch schwer, sich 30 Jahre in der härtesten Branche der Welt über Wasser zu halten. Das ist ein körperlicher und psychischer Kraftakt und ich kann viele verstehen, die freiwillig aufhören und etwas anderes machen wollen.
"Ich bin mir noch gar nicht sicher, was ich als Nächstes mache"
TAG24: Gibt es jemanden, mit dem du unbedingt nochmal zusammen arbeiten möchtest?
Alex Christensen: Es gibt eigentlich immer jemanden. Aber ich finde, wenn man einen bekannten Künstler hat, dann hat der auch seine Marke, die er irgendwie schützen muss. Dadurch kann er sich vielleicht nicht so bewegen, wie er möchte, oder vielleicht fühlt er sich ja auch in seinem Metier so wohl, dass er vielleicht gar nicht über den Tellerrand schaut. Da habe ich keine Lust mehr drauf. Ich finde junge Künstler, die viele Ideen haben, vom Grammy träumen und offen für Neues sind, viel spannender.
TAG24: Du hast nun drei Neunziger-Platten gemacht, eine Achtziger-Platte. Geht es als Nächstes mit den Siebzigern weiter?
Alex Christensen: Ich bin mir noch gar nicht so sicher, was ich als Nächstes mache. Ich freu mich jetzt erst einmal auf die Tour und die weiteren Schritte ergeben sich dann durch Inspiration. Ich bin da ganz entspannt.
Alex Christensen ist am 8. Juni zu Gast in der QUARTERBACK Immobilien ARENA. Karten für die Show gibt es unter anderem bei Eventim, sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Titelfoto: Christian Grube