The Who in Berlin: Höherschlagende Fan-Herzen statt zerschlagener Gitarren

Berlin - The Who gehörten in den 1960er und 1970er Jahren zu den wichtigsten britischen Rockbands. Für ihre Fans hat sich bis heute nichts daran geändert. Am Dienstagabend hat die Band ihr einziges Deutschlandkonzert nach sieben Jahren auf ihrer "The Who Hits Back!"-Tour gegeben. In der Berliner Waldbühne bewiesen die alten Haudegen mit hochkarätiger Unterstützung, dass sie es immer noch draufhaben.

Roger Daltrey (79, M.) und Pete Townshend (78, r.) nahmen die Fans am Dienstagabend mit auf eine musikalische Zeitreise.
Roger Daltrey (79, M.) und Pete Townshend (78, r.) nahmen die Fans am Dienstagabend mit auf eine musikalische Zeitreise.  © Carsten Koall/dpa

Davon konnten sich laut Veranstalter 14.000 Zuschauer überzeugen. Die Waldbühne mit 22.290 Plätzen bekamen The Who demnach nicht voll.

Ein Blick in die hinteren und seitlichen Ränge offenbarte teils gähnende Leere. Mag's an den Ticketpreisen bis 300 Euro gelegen haben? Das zumeist ältere Publikum in Bandshirts und Multifunktionshosen ließ sich aber den Spaß an einer der dienstältesten Rock-Bands nicht vermiesen.

Den ein oder anderen Hit sollten Gitarrist Pete Townshend (78) und Sänger Roger Daltrey (79) liefern. Sie sind die verbliebenen Gründungsmitglieder mit viel Erfahrung auf dem Buckel: Nächstes Jahr feiern sie sechzigjähriges Bühnenjubiläum.

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Ihre Mitstreiter sind jetzt: Zak Starkey (57) und Simon Townshend (62). Der Sohn von Ex-Beatles-Drummer Ringo Starr (82) saß auch in der Waldbühne am Schlagzeug. Pete Townshends Bruder hingegen drischte ebenfalls auf die Gitarre ein und war als Background-Sänger zu hören.

Schon um 19.30 Uhr und damit reichlich früh betraten The Who nach der Berliner Vorgruppe The Wake Woods pünktlich die recht karge Bühne. Das Filmorchester Babelsberg begleitete die Band bei zwei der drei Teile des Konzerts.

Wenn der wuschelköpfige Daltrey in seinem weißen Hemd und Porno-Sonnenbrille à la Atze Schröder wie ein Rock-Messias die Tamburine über seinem Kopf schüttelte, er immer wieder sein Mikrofon an dem Kabel wie ein frenetischer Dieter Thomas Heck um sich herumwirbelte, während Townshend seinen berühmten Schlagarm wie einen Windmühlenflügel kreisen ließ, dann riss es die Fans von den Stühlen.

Es dauerte allerdings etwas, bis das Publikum warm wurde und auf Betriebstemperatur kam - trotz sengender Sonne. Erst bei "Pinball Wizard" flog die Kuh und es kam Stimmung auf.

Nach gut 45 Minuten mussten The Who vorübergehend ohne das Orchester auskommen. "Wir spielen jetzt ein paar ältere Stücke. Wir werden den Sound nachahmen, den wir als junge Band hatten", verkündete Pete Townsend und setzte etwas nostalgisch nach: "Aber das wird nicht passieren. Wir versuchen es trotzdem." Und es klappte!

The Who spielen in Berlin drei Tourdebüts

Das Filmorchester Babelsberg begleitete The Who bei zwei der drei Teile des Konzerts.
Das Filmorchester Babelsberg begleitete The Who bei zwei der drei Teile des Konzerts.  © Carsten Koall/dpa
Zak Starkey (57), Sohn von Ex--Beatles-Drummer Ringo Starr (82), drosch auf das Schlagzeug ein.
Zak Starkey (57), Sohn von Ex--Beatles-Drummer Ringo Starr (82), drosch auf das Schlagzeug ein.  © Carsten Koall/dpa

Mit dieser Ansage begannen die Rock-Legenden den zweiten Teil des Konzertes mit dem Klassiker "The Kids Are Alright" vom ersten Album. Eine kleine Sensation, denn neben "The Acid Queen" und "Tattoo" ein Tour-Debüt. Da waren sie auf einmal, die wippenden Finger der Fans, als wollten sie sagen: sind wir immer noch! Schwer in Ordnung und jung!

Ein Zuschauer dirigierte den Takt mit seiner Krücke, fast alle trugen ein Lächeln auf den Lippen, als die Livemusik ihrer Helden sie auf eine Zeitreise mitnahm.

Die Rock-Maschine war gut geölt und schnurrte ohne Ausreißer. Dafür gab es immer wieder Standing Ovations. Auf den größten Hit der Band mussten die Fans ebenso verzichten wie auf zerschlagende Gitarren. Die Mod-Hymne "My Generation" von 1965 hatten "The Who" an diesem Abend nicht im Gepäck.

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Mit dabei hatten sie aber "Won't Get Fooled Again", was semi-jüngeren Menschen als Titelmelodie von "CSI: Miami" ein Begriff sein dürfte. Der 79-Jährige stieß in dem Song das ikonische und langgezogene "Ah" aus, ein Urschrei, der über die Waldbühne bis in die Baumgipfel erschallte. Da war kein Halten mehr.

Als Daltrey zum vorletzten Song "Love, Reign O'er Me" wie ein Hohepriester der Rock-Musik die Hände zum Himmel reckte, als würde er um Regen bitten, dann inbrünstig aus voller Kehle schmetterte, dann löste das Gänsehaut aus. Das fulminante Finale bestand erwartungsgemäß aus "Baba O'Riley", womit das Konzert unter frenetischen Applaus beschlossen wurde.

Um 21.40 Uhr war das Spektakel vorbei. Ohne Zugabe. Zu den Klängen der Batman-Titelmelodie entließen die Väter der Rockoper das Publikum in die Hitze der Nacht. Vielleicht das letzte Mal.

Setlist: Konzert von The Who im Rahmen der "The Who Hits Back!"-Tour in der Berliner Waldbühne

Smartphone-Meer in der Berliner Waldbühne.
Smartphone-Meer in der Berliner Waldbühne.  © TAG24/privat
Pete Townshend (78) ließ seinen Schlagarm wie einen Windmühlenflügel kreisen.
Pete Townshend (78) ließ seinen Schlagarm wie einen Windmühlenflügel kreisen.  © Carsten Koall/dpa

Mit Orchester:

  • Overture
  • 1921
  • Amazing Journey
  • Sparks
  • The Acid Queen
  • Pinball Wizard
  • We're Not Gonna Take It
  • Who Are You
  • Eminence Front

Ohne Orchester:

  • The Kids Are Alright
  • You Better Bet
  • The Seeker
  • Substitute
  • Tattoo
  • Won't Get Fooled Again
  • Behind Blue Eyes

Mit Orchester:

  • The Real Me
  • I'm One
  • 5:15
  • The Rock
  • Love Reign O'er Me
  • Baba O'Riley

Titelfoto: Carsten Koall/dpa

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