Nino de Angelo: "Habe schon öfter gelebt" - Nach Koks und Krebs kam der musikalische Neuanfang

Allgäu - Nino de Angelo (59) hatte schwere Zeiten hinter sich. Suchtprobleme, die keine Geheimnisse waren. Herz-Operation. Die unheilbare Lungenerkrankung COPD. Doch nun will er ein neues Kapitel – oder gar Experiment – starten. Seine erste Solo-Tour. Doch die wird nichts für Schlagerherzen.

Vom Schlager zum Melodic Rock: Nino de Angelo (59) hat einen extremen Wandel hingenommen.
Vom Schlager zum Melodic Rock: Nino de Angelo (59) hat einen extremen Wandel hingenommen.  © Concertbüro Zahlmann GmbH

Die beiden zuletzt veröffentlichten Alben zeigen es bereits: Gute-Laune-Foxtrott gehört der Vergangenheit an.

Seine Musik ist ernster geworden. Düsterer. Irgendwo zwischen melodischem Gothic und Grunge Ballad, zwischen "Unheilig" und "Oomph!" – mal musikalisch, mal inhaltlich. Wie es zu diesem Wandel kam und was der Musiker nach seinem 60. Geburtstag noch alles auf seiner To-do-Liste hat, verriet er im Gespräch mit TAG24.

TAG24: Musikalisch hast Du ja eine deutliche Veränderung vorgenommen. Das aktuelle Album heißt "Von Ewigkeit zu Ewigkeit", wie ein Lied der deutschen Rockband "Selig". Soll das eine Anlehnung daran sein?

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Nino de Angelo: Nein, überhaupt nicht. Ich habe auch im Nachhinein von dem Song erfahren und ihn mir angehört. Das ist textlich eine komplett andere Baustelle, als mein Lied, das ja auch Namensgeber für den Albumtitel wurde.

TAG24: Warum gerade dann "Von Ewigkeit zu Ewigkeit"?

Nino de Angelo: Ich fand diesen Satz so schön. Weil ich auch der Überzeugung bin, dass die Seele niemals stirbt, dass sie ewig weiter lebt. Und da passte das sehr gut. Es geht immer, immer weiter.

TAG24: Da höre ich doch einen sehr starken Glauben an Reinkarnation heraus, oder?

Nino de Angelo: Ich bin davon überzeugt, dass man wiedergeboren wird, ja. In irgendeiner Form. Auch bin ich davon überzeugt, dass ich schon öfter gelebt habe und dass jeder seine Aufgaben mitbekommt. Jeder bekommt seine Aufgabenliste mit, die er zu erledigen hat.

Ich komme wieder: Der Musiker ist davon überzeugt, dass ein Mensch sterben kann, die Seele allerdings nicht.
Ich komme wieder: Der Musiker ist davon überzeugt, dass ein Mensch sterben kann, die Seele allerdings nicht.  © Jörg Carstensen/dpa

Erst als er von der Plattenfirma Abschied nahm, kam die Kreativität

TAG24: Diese Aufgabenliste hast Du aber einige Jahre vernachlässigt. (Angespielt auf die Suchtproblematik.)

Nino de Angelo (lacht): Das stimmt allerdings, ja.

TAG24: Das war ein langer Prozess, ein schwerer Prozess. Kann es sein, dass wir in den letzten beiden Studioalben hier eine Form der Selbsttherapie hören?

Nino de Angelo: Ja, aber das ist halt auch mein Leben. Und bevor ich das damals in Musik verpackt hatte, habe ich mir schon sehr viele Gedanken gemacht. Ich habe viel erlebt und vieles nicht so gemacht, wie ich es hätte machen sollen. Oder wollen. Irgendwann, 2017, wollte ich dann dieses Karussell nicht mehr. Neuer Plattenvertrag, Lieder machen, neuer Plattenvertrag, Lieder machen ... Ich hatte nie Zeit, mich zurückzulehnen und mir Zeit zu nehmen für das, was ich wirklich möchte. Und dann hab ich keinen neuen Plattenvertrag unterschrieben. Und plötzlich hatte ich die Zeit. Dann habe ich sehr viel über mein Leben nachgedacht.

TAG24: Und heraus kamen Lieder, die nichts mehr mit der Schlagerwelt zu tun haben. Muss man also als Künstler doch leiden, um etwas Besonderes zu erschaffen?

Nino de Angelo: Ja. Das ist schon ein ziemlicher Leidensweg, den jemand hinter sich hat, wenn er so etwas schreibt. Es ist harter Tobak, was ich alles erlebt habe. Existenzkämpfe. Lebenskämpfe. Wie hätte ich so etwas sonst auch schreiben sollen. Aber irgendwie berührt es die Leute. Und sie erkennen die Botschaft dahinter. Es geht immer weiter. Die Hoffnung stirbt erst, wenn du stirbst.

Sein Album "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" ist auch eine Form der Selbsttherapie für den Künstler.
Sein Album "Von Ewigkeit zu Ewigkeit" ist auch eine Form der Selbsttherapie für den Künstler.  © Sven Käuler/dpa

Lunge macht mit, aber beim Konzert muss de Angelo durchatmen

TAG24: Möchte man bei so einem Leidensweg auch mal Kapitel streichen können? Oder ist man im Nachhinein doch dankbar für das Erlebte? Auf welche Art auch immer man diesen Dank definieren möchte.

Nino de Angelo: In Anbetracht dessen, dass das Leben immer Schwierigkeiten bereithält, bin ich doch dankbar. Dafür, dass ich auf so vielen "Schlachtfeldern" gestanden bin und immer noch stehe. Aber es gibt schon Kapitel – die Krebserkrankung, die Operation und so weiter – aber auch eigene Fehler, die ich gemacht habe, die ich gerne verschwinden lassen würde. Wenn es da einen Knopf gäbe, der solche Dinge verschwinden lässt … ja. Ja, dann würde ich diesen scheiß Knopf drücken, ja. Vor allem den Alkohol- und Drogenknopf.

TAG24: Und wie geht es Dir heute?

Nino de Angelo: Mir geht es inzwischen gut. Mit all diesen Krankheiten, die ich hinter mich gebracht habe oder die noch da sind, geht es gerade wieder. Dieses COPD beeinträchtigt mich zwar ein bisschen, aber seit ich die Luft aus dem Allgäu atme, hat sich mein Zustand nicht mehr verschlechtert. Trotzdem muss ich nach jedem Song eine kurze Smalltalk-Pause mit dem Publikum einlegen, um wieder zu Luft zu kommen.

TAG24: Und das funktioniert?

Nino de Angelo: Das ist eigentlich sehr schön, denn ich habe die Möglichkeit, wieder runterzukommen. Meine Songs sind ja auch nicht leicht zu singen. Da wünsche ich mir dann doch manchmal, wieder Schlagersänger zu sein, (lacht) da wäre das auf einer Arschbacke abgearbeitet. Aber so ist es nun mal. Bei den Live-Konzerten muss ich dann halt kurz durchatmen.

Nino de Angelo: "Die nächsten fünf Jahre werde ich sicher noch auf der Bühne stehen"

Mit dem Singen wird es irgendwann vorbei sein. Mit der Musik machen allerdings erst, wenn auch der Körper stirbt.
Mit dem Singen wird es irgendwann vorbei sein. Mit der Musik machen allerdings erst, wenn auch der Körper stirbt.  © Concertbüro Zahlmann GmbH

TAG24: Gibt es überhaupt noch Songs von vor 2017, die man auf der Tour zu hören bekommt.

Nino de Angelo: Es gibt nur einen einzigen Song von damals, den ich auch heute und weiterhin singen werde.

TAG24: Darf ich raten?

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Nino de Angelo: Ich weiß nicht, ob es eine besondere Leistung wäre, den zu erraten. Natürlich ist es "Jenseits von Eden". Das ist aber auch das einzige Lied von damals.

TAG24: Etwas Besonderes bei der nun anstehenden Tour: Es ist deine erste Headliner-Tour, bei der du allein der Hauptakt bist.

Nino de Angelo: Richtig. Entsprechend bin ich auch sehr gespannt und, ja, auch aufgeregt. Aber bisher läuft der Kartenvorverkauf schon sehr gut, wofür ich echt dankbar bin, dass das so angenommen wird. Es ist ja doch etwas ganz anders. Und ich plane bereits auch die nächste Tour 2024.

TAG24: Also auch mit 60 dann nochmal auf Achse.

Nino de Angelo: Unbedingt. Es macht jetzt schon so viel Spaß mit der Band. Es ist was ganz anderes, als zu einem Playback zu singen, wo man aufpassen muss, dass man nicht vor der CD fertig ist.

TAG24: Also werden wir die nächsten Jahre weiter von Dir hören?

Nino de Angelo: Die nächsten fünf Jahre werde ich sicher noch auf der Bühne stehen und singen. Texten, komponieren und so weiter werde ich wohl machen, bis ich irgendwann umkippe. Da werde ich auch für meine Schlager-Kollegen weiter Songs schreiben. Aber singen möchte ich sie nicht mehr.

Nino de Angelo geht von 30. September (Tourstart in Fulda) bis zum 15. Oktober (Abschluss in Regensburg) auf Live-Tournee. Alle Stationen und Links zu den Ticketanbietern findest du >>>hier.

Titelfoto: Concertbüro Zahlmann GmbH

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