Cello, Gesang und Loopstation: "Auf meine koordinativen Fähigkeiten werde ich häufig angesprochen"
Hannover - Rabea Bollman (33), besser bekannt unter ihrem Künstlernamen RABEA, studierte ursprünglich Lehramt an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover mit klassischem Schwerpunkt. "Trotzdem blieb ich immer neugierig auf Popmusik und überschritt, wo immer es ging, die Grenzen meines Studiengangs", erklärte sie TAG24 im Interview. Nun verzaubert sie mit Cello, Gesang und Loopstation auf der Bühne.
TAG24: Du hast eine klassische musikalische Instrumentalausbildung genossen. Wie kam es, dass Du Dich statt der Klassik der Popmusik verschrieben hast?
RABEA: So gern ich die klassische Musik auch spiele, muss ich ehrlich sagen, dass ich in meiner Freizeit nie viel Klassik gehört habe und mich in der "Schublade Klassik" mit all den un- und ausgesprochenen Regeln nie wohlgefühlt habe.
Popmusik hingegen habe ich schon immer "vor mich hin geträllert" und viel gehört - daher war sie mir immer schon ein bisschen näher als die Klassik.
TAG24: Cellistinnen hört man eher selten auch singen. Fast schon ein Novum könnte man sagen. Hast Du ein Vorbild?
RABEA: Da fällt mir vor allem Marie Spaemann ein. Ich war sehr beeindruckt, als mir eine gute Freundin ein Video von ihr gezeigt hat, in dem sie ihren Gesang am Cello begleitete.
Fun fact: Ich habe am nächsten Tag diesen Song so lange versucht nachzuspielen und zu singen, bis die Nachbarn abends um 21 Uhr klingelten und vorsichtig fragten, ob ich denn aufhören könnte, weil sie gern fernsehen wollten.
Cello und Loopstation - Kopf-Chaos bei erstem Auftritt
TAG24: Wie würdest Du Deinen Musikstil beschreiben?
RABEA: Ich bezeichne meinen Stil als Alternative Pop. Ich mag es, meine beiden musikalischen Haupteinflüsse - die Klassik und den Pop - miteinander zu verbinden. Dabei lasse ich erzählerische und klassisch anmutende Cello-Melodien mit elektronischen Sounds und Beats verschmelzen und singe dazu.
TAG24: Nach drei Touren mit Band stehst Du nun alleine mit Cello und Loopstation auf der Bühne. Wie kam es zu dem (gewagten) Schritt? Ist das nicht schon rein koordinativ eine riesige Herausforderung?
RABEA: Auf meine koordinativen Fähigkeiten an der Loopstation werde ich tatsächlich häufig angesprochen. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, was für ein Kopf-Chaos bei meinem ersten Auftritt mit der Loopstation in mir geherrscht hat.
Aber wie bei allem, was man übt, wird es mit der Zeit leichter und man selbst wieder freier. Manchmal denke ich, dass es geholfen hat, dass ich als Jugendliche das Orgelspielen und somit schon ein bisschen Koordination von Füßen und Tasten gelernt habe.
Anders als bei Harmonie-Instrumenten wie Gitarre oder Klavier ist es bei einem Melodieinstrument unheimlich schwer, alleine ein Konzert zu spielen. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, wieso ich zur Loopstation gegriffen habe: Ich wollte unabhängiger sein und auch kleine Auftrittsmöglichkeiten zusagen können.
"Ich baue mir oft selber so eine Sackgasse"
TAG24: Du hast Dir mit Deiner neuen EP "Kingdom" ein ganz eigenes Königreich erschaffen, und Dich aus alten, selbstgebauten Mauern befreit, heißt es in Deiner Pressemitteilung zum Release. Was bedeutet (Dir) das?
RABEA: Ich habe den Titelsong "Kingdom" geschrieben, als ich richtig wütend auf mich selbst war, weil ich mich selbst ausgebremst habe. Manchmal hat man alle Möglichkeiten der Welt, aber es fühlt sich so an, als würde man in einer Sackgasse stecken und nicht weiterkommen.
Ich baue mir oft selber so eine Sackgasse, indem ich mir den Druck mache, alles sofort können oder wissen zu müssen und die richtigen Entscheidungen treffen zu müssen. Gerade als Künstler:in gibt es dieses "richtig" überhaupt nicht. Und so tritt man auf der Stelle, auf der Suche nach diesem "richtig" und erlaubt sich nicht mehr, spielerisch und experimentell an die Dinge heranzugehen.
Ich denke, ich habe beim Entstehungsprozess der EP viel über mich selbst gelernt, was natürlich nicht heißt, dass ich jetzt komplett frei von Perfektionismus oder meinen Ängsten bin. Aber ich denke schon, dass ich in Zukunft bewusster über solche Gedankengänge bin und so hoffentlich schneller den Weg aus der Sackgasse herausfinde. Ich freue mich daher, diese EP als Ergebnis dieses Prozesses zu veröffentlichen.
RABEA - Kingdom
"Mein persönlicher Lieblingssong ist 'By Now'"
TAG24: Am 4. August erscheint die EP. Bist Du sehr aufgeregt?
RABEA: Ja, sehr aufgeregt! Aber nicht unbedingt vor dem Tag selbst - denn so Release-Tage sind meistens erstaunlich unaufregend und arbeitsintensiv, da sie ja hauptsächlich in der digitalen Welt stattfinden.
Aber ich freue mich riesig auf die anstehende Release-Tour. Das ist der Moment, an dem ich immer merke, wieso ich das Ganze mache. Ich freue mich auf die Reaktionen des Publikums zu den neuen Songs und darauf, dass Menschen tatsächlich diese EP mitnehmen und zu Hause hören werden. Das ist für mich die Belohnung des monatelangen Prozesses.
TAG24: Welcher Track war besonders arbeitsintensiv?
RABEA: Ironischerweise war der Song "Kingdom" der arbeitsintensivste. Denn es war, als müsste ich bei dem Produktionsprozess nochmal das ganze Thema des Songs durchleben. Es gab super viele Versionen und ich habe mich sehr schwergetan und wollte die perfekte Produktion finden. Bei den anderen Songs ging es meinem Produzenten und mir viel leichter von der Hand, insbesondere bei "Rest in Peace".
TAG24: Welcher bedeutet Dir am meisten?
RABEA: Mein persönlicher Lieblingssong ist "By Now". Ich mag sehr, wie er das Gefühl einfängt, sich in einer Erinnerung so stark zu verlieren, dass man gar nicht merkt, dass man so weit abgedriftet ist, dass es mit der Realität gar nichts mehr zu tun hat. Für mich hat er außerdem noch eine besondere Bedeutung, weil ich bei diesem Song zum ersten Mal einen größeren Teil der Produktion als sonst übernommen habe.
RABEA - By Now
"Eigentlich hatte ja immer alles seine Gründe"
TAG24: Gibt es eine Botschaft, die Du Deinen Hörern vermitteln möchtest oder geht es in "Kingdom" eher um Deinen eigenen Befreiungsschlag?
RABEA: Ich hoffe, dass es Menschen gibt, die sich von den Songs und den Themen angesprochen fühlen und sich weniger allein fühlen mit ihrem Gefühlschaos. Denn wenn ich so richtig tief in meiner Sackgasse oder in meinem "Königreich" stecke, fühle ich mich vor allem allein und habe das Gefühl, dass alle anderen alles besser können als ich. Dann ist Social Media beispielsweise wie Gift für mich.
Ich wollte in meinen neuen Songs diese Gefühle so echt wie möglich transportieren. Sollte es also nur einen Menschen geben, der oder die sich dadurch ein Stück weit verstanden oder mutiger und selbstbewusster fühlt, bin ich überglücklich.
TAG24: Bereust Du etwas auf Deinem Weg als Musikerin? Was würdest Du heute anders machen?
RABEA: Hmm, so richtig bereuen glaube ich nicht, denn eigentlich hatte ja immer alles seine Gründe. Wenn ich mir aber etwas für mein jüngeres Ich wünschen könnte, dann dass ich mich viel früher getraut hätte, die Dinge zu tun, auf die ich Lust habe und dass ich nicht so viel auf meinen inneren Kritiker gehört hätte.
Demnächst ist RABEA auf Deutschlandtour. Alle Tickets und Termine findet Ihr unter rabea-music.com.
Titelfoto: Birk Schöneich