Bob Dylan live in Berlin: Vom Zauber eines Konzertes mit Handyverbot
Berlin - His Bobness hat zur Messe geladen - und seine Jünger kamen in Scharen! Nach über sechs Jahrzehnten auf der Bühne und 39 Studioalben macht Bob Dylan (83) drei Abende Station in der Berliner Uber Eats Musical Hall. Ein holpriger Start und euphorisches Ende.
Schon vor dem Auftakt-Konzert am Donnerstag gab es Gesprächsstoff: Der Künstler setzt bei seinen Auftritten weiterhin ein unverhandelbares Handyverbot durch. Mitarbeiter verschlossen die Geräte an der Sicherheitsschleuse in einer Tasche.
Als die Saallichter erloschen, gab es rund zwei Stunden eine verordnete Pause in der analogen Welt. Viel zu filmen oder knipsen hätte es bei dem kamerascheuen Nobelpreisträger eh nicht gegeben.
Gewaltige Hollywood-Suchscheinwerfer aus einer gefühlt alten Zeit beleuchteten die schlicht gestaltete Bühne, der Saal blieb dunkel. Anfangs war Dylan wie abgetaucht, versteckt hinter seinem Piano. Nur manchmal lugte der Wuschelkopf hervor.
Zur Gitarre, seit Jahren nur noch sporadisches Beiwerk, wurde nur anfangs gegriffen - mit dem Rücken zum Publikum sitzend. Direkt zu Beginn gab es mit "All Along the Watchtower" und "It Ain't Me, Babe" zwei Klassiker, die Dylan über Jahre hinweg sorgsam zerlegte und deren Kern freilegte.
Seit Äonen hat er eine unbändige Lust am Dekonstruieren der eigenen Songs. Dass sich der Songwriter jeder Erwartungshaltung widersetzt, gefällt nicht allen.
Es dauerte etwas, aber dann: Von seiner Band angetrieben, taute der Rock-Poet in seinem schlicht-eleganten Western-Anzug auf und kam langsam in Fahrt. Gelegentlich löste er sich vom Flügel, tapste ein paar Schritte abseits und verschwand dann wieder. Über das Mikro gebeugt, knarrte, hauchte, wisperte und gurrte er.
Konzertkritik: Bob Dylan schaut in der Berliner Uber Musical Hall vorbei
Allzu häufig war es aber auch nur ein brüchiges Raunen, die Musik-Legende auch für knallharte Fans schwer zu verstehen - und es lag nicht an der neuen Halle.
Sein eingespieltes Quintett gab daher Dylans rauchiger Stimme den notwendigen Raum und hielt sich zurück. Bei der Begleitband war kein Ton zu viel, die treibenden, stampfenden, swingenden Mid-Tempo-Arrangements in Country-Blues-Sphären waren wohltemperiert. Sie pflegt demnach die Kunst der lapidaren Präzision.
Und: Wer eine Werkschau aller Hits erwartete, setzte auf das falsche Pferd. Die Setlists sind seit Jahren bemerkenswert gleichbleibend und speisen sich überwiegend aus den Songs des aktuellen Albums "Rough and Rowdy Ways", wonach auch die Welttournee benannt ist.
"Blowin' In The Wind" und "Like A Rolling Stone"? Gott sei Dank, Fehlanzeige!
Highlights des Abends waren: das epische "Desolation Row", das düstere "Black Rider" über eine Begegnung mit einem der vier apokalyptischen Reiter und der letzte Song des Abends, das elegische "Every Grain of Sand", den das Publikum mit stehenden Ovationen honorierte - ohne Handys, die empor gereckt wurden.
Einen Abend hörten sie nur zu, hingen zwei Stunden an den Lippen des Ausnahme-Künstlers, nicht am Smartphone. Ein zauberhafter Social-Media-Ausstieg auf Zeit!
Dylan, der schon längst mit seinem Legenstatus Frieden geschlossen hat, kann eine bewegende Live-Historie unter seinem Namen verzeichnen. Er spielt auch in diesem Jahr wieder über 80 Konzerte und wird hoffentlich auch weiter zeigen: Dinge können nur gleich bleiben, wenn sie sich ändern.
Titelfoto: Denis Zielke/Tag24, Chris Pizzello/AP/dpa (Bildmontage)