Atemlos nach Corona: Deshalb lässt sich Rapper Chabezo nicht unterkriegen
Berlin/Hamburg - Der Berliner Rapper Chabezo aus Lörrach (Baden-Württemberg), bürgerlich Peter Stöcklin (39), lässt sich nicht unterkriegen. Nicht von seinem Asthma und auch nicht von schlecht verkauften Konzerttickets. Mit TAG24 sprach der 39-Jährige im Rahmen seiner aktuellen "Raps & Horns"-Tour über die Herausforderungen eines Künstlers, der um sein Publikum manchmal noch werben muss.
TAG24: Die letzten zehn Jahre warst Du mit der Band "Otto Normal" unterwegs, hast etliche Konzerte gespielt und mehrere Alben veröffentlicht. Jetzt stehst Du hauptsächlich als "Chabezo" auf der Bühne. Wie kam es dazu?
Peter Stöcklin: Das Projekt stammt quasi noch aus einer Zeit vor "Otto Normal".
Ich habe 2003 meine erste Platte veröffentlicht - die Band hieß damals [bih’tnik] - und da war ich der Rapper "Chabezo".
Parallel zu "Otto Normal" habe ich immer mal wieder für "Chabezo" Songs gemacht, die so allerdings nicht zur Band gepasst haben. Jetzt liegt der Fokus auf meinem Solo-Projekt.
TAG24: Deine "Chronik" als "Chabezo" startete 2020 mit Beginn der Corona-Pandemie. Hat Dich dieses schlechte Timing schwer getroffen?
Stöcklin: Ich habe ja schon vor zehn Jahren angefangen, die ersten Songs zu schreiben, die ersten Demos aufzunehmen. 2020 hatte ich auch aufgrund der Pandemie die Zeit, mich diesen Songs zu widmen und sie endlich zu veröffentlichen.
Konzert-Negativtrend erreicht auch Berliner Rapper
TAG24: Du leidest seit Deiner Kindheit an Asthma. Damals schlimmer als heute. Es scheint Dich aber nicht daran zu hindern, zu rappen oder zu singen. Inwieweit schränkt Dich Deine Krankheit ein?
Stöcklin: Lange hatte ich einen negativen Blick auf die ganze Geschichte, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich durch das Rappen und Singen meine Atemtechnik und meine Lunge trainiere. So habe ich es dann eher umgedreht und das Ganze positiv gereframt.
Natürlich braucht man auf der Bühne auch Kondition. Nach meiner Corona-Infektion habe ich gemerkt, dass ich die ^Strophen kaum noch durchrappen konnte, weil mir dabei der Atem ausgegangen ist. Je älter ich wurde, desto mehr wurde aber die Krankheit zur Randnotiz.
"Diese Müdigkeit, die zurzeit vorherrscht, was den Ticketkauf angeht, ist schon krass"
TAG24: Du bist gerade mit Live-Band auf Tour. Immer mehr Konzerte anderer Künstler werden hingegen abgesagt, weil zu wenige Tickets verkauft wurden. Spürst Du auch etwas von dem Negativtrend?
Stöcklin: Jetzt, wo es wieder geht, haben die Menschen den Flow verloren, einfach auch mal zu einem Live-Konzert zu gehen, auch wenn sie die Band noch nicht zwingend kennen.
Diese Müdigkeit, die zurzeit vorherrscht, was den Ticketkauf angeht, ist schon krass. Mit "Otto Normal" habe ich zuletzt im Schnitt vor zwölf Leuten gespielt. Das war schon bitter. Aber trotzdem hat es uns gutgetan, einfach mal wieder zu spielen.
Zwar klagen große Bands auch darüber, dass zu wenige Tickets verkauft werden, da funktioniert es allerdings trotzdem noch irgendwie. Aber die Mittelschicht, die Semi-Profis beziehungsweise die Musiker mit professionellem Anspruch, die noch nicht so bekannt sind, für die sieht es mager aus.
TAG24: Und wie läuft die derzeitige Tour?
Stöcklin: Bei "Chabezo" wurde mir jetzt ein Konzert abgesagt. Das hätte sich nicht gerechnet. Meine Kosten decken sich glücklicherweise durch die großzügige Förderung von der "Initiative Musik" zusammen mit "Neustart Kultur", die mich unterstützen, komplett. Anders wäre das gar nicht möglich.
Chabezo - Actionfilm
Diese Ziele hat Chabezo jetzt
TAG24: Ist das nicht extrem demotivierend, wenn auf der Bühne genauso viele Leute stehen wie davor?
Stöcklin: Ich habe als Entertainer das Talent, aus dem Abend das zu machen, was drin liegt. Das gelingt mir mal besser, mal schlechter.
Natürlich ist es vor allen Dingen Arbeit, Arbeit, Arbeit, vor wenigen Leuten zu spielen, die einen nicht so gut kennen. Man muss sie von sich überzeugen und der Funken muss erst mal überspringen. Bei einem 200-Leute-Publikum, die die Texte kennen und die Musik feiern, kannst du hingegen die Früchte ernten.
Ich habe mich jetzt aber schon fürs nächste Jahr darauf eingestellt, dass ich mich wieder hochspielen muss.
TAG24: Wo willst Du denn noch hin? Was ist Dein Ziel?
Stöcklin: Ich bin eigentlich schon da, wo ich hinwill. Ich mache hauptsächlich Musik. Leben kann ich davon aber nicht. Dafür müsste ich im Millionen-Bereich gestreamt werden, damit es sich irgendwie trägt.
Ich möchte gerne in einen Bereich kommen, in dem sich Album-Produktionen und Live-Auftritte wieder rechnen.
Chabezo - Draußenseiter
"Irgendein Code bestimmt, was von deiner Musik gerade cool ist"
TAG24: Du sagst selbst, es sei schwierig, mit Streaming Geld zu verdienen. Auch "Spotify" muss sich in der Hinsicht schwere Vorwürfe gefallen lassen. "Deezer" versucht, dazu ein Gegenangebot für Künstler und Konsumenten zu schaffen. Wie stehst Du dazu?
Stöcklin: 90 Prozent unserer Streams laufen über Spotify. Das heißt, wir arbeiten hauptsächlich auch mit dem Streamingdienst zusammen.
Aber es ist schon verrückt. Der Algorithmus bestimmt, in welche Playlists man kommt. Irgendein Code bestimmt, was von deiner Musik gerade cool ist.
Es ist irgendwie krass, was da für Mechanismen am Werk sind. Als Künstler wird einem dadurch ein bisschen das Zepter aus der Hand genommen.
TAG24: Deine Konzept-EPs ergeben ein Kunstwerk. Was ist die Aussage hinter dem Werk?
Stöcklin: Eigentlich ist es eine klassische Heldenreise.
Ich hatte viele Songs, die nicht zusammen auf eine Platte gepasst hätten. Blödel-Lieder, ein Track an meine verstorbene Großmutter ("Danke") ... Also habe ich mich mit einem Kumpel zusammengesetzt und wir haben die Songs in verschiedene Welten einsortiert. Herausgekommen sind insgesamt sieben Konzept-EPs, die schließlich ein zusammenhängendes Kunstwerk ergeben.
Am 4. November könnt Ihr "Chabezo" und Band im Hamburger Birdland mit "DLIA" live erleben. Tickets, auch für alle weiteren Tour-Termine, findet Ihr unter frischeluftmusic.com. Seine neue Platte "Draußenseiter" erscheint am 9. Dezember.
Erstmeldung: 31. Oktober 2022, 15.46 Uhr. Aktualisiert: 17.01 Uhr.
Titelfoto: PR/Maximilian R. Schneider