Von der Heldin zur Angeklagten: "Gegen den Strom" zeigt Saras bitteren Kampf um Gerechtigkeit
Hamburg - In den Hamburger Zeise Kinos wurde am Montagabend die bewegende Dokumentation "Gegen den Strom" gezeigt. Zur Weltpremiere kamen auch die Regisseurin Charly Wai Feldman sowie die Protagonisten Sara Mardini (28) und Seán Binder (27). TAG24 war für Euch dabei.
Die Geschichte von Sara und ihrer jüngeren Schwester Yusra (25) sorgte bereits vor Jahren für Schlagzeilen: Die syrischen Profischwimmerinnen mussten 2015 über das Mittelmeer flüchten. Als der Motor ihres völlig überfüllten Schlauchbootes versagte, sprangen sie ins Wasser und hielten das Boot stundenlang auf Kurs, bis sie das rettende Ufer von Lesbos erreichten.
Als Yusra 2016 für das Team Refugee Olympic an den Olympischen Sommerspielen teilnahm, wurden sie und ihre Schwester über Nacht berühmt. In der Kategorie "Stille Helden" erhielten sie noch im selben Jahr einen Bambi. Außerdem wurde ihre Geschichte in dem Netflix-Filmdrama "Die Schwimmerinnen" verfilmt.
An der Stelle, wo der Spielfilm endet, setzt die Dokumentation "Gegen den Strom" von Filmemacherin Charly Wai Feldman erst an.
Sara Mardini und Seán Binder drohen 20 Jahre Haft
Denn nachdem Sara noch einmal nach Lesbos zurückgekehrt war, um sich dort als Flüchtlingshelferin einzusetzen, wurde sie 2018 wegen der Beihilfe zur illegalen Einreise verhaftet. Sie saß drei Monate in Haft, bis sie auf Kaution freigelassen wurde. Der Prozess gegen sie und ihre Mitstreiter läuft noch immer. Ihnen drohen 20 Jahre Haft.
"Als ich festgenommen wurde, war ich total geschockt. Ich habe realisiert: Jetzt habe ich mein Zuhause in Syrien verlassen, weil es dort keine Gerechtigkeit gibt. Und dann bin ich in Europa und auch hier gibt es keine Demokratie", sagt Sara im Gespräch mit TAG24. "Der Film zeigt, wie es ist, einem jungen Menschen all seine Hoffnungen zu nehmen."
Der Rettungstaucher Seán Binder wurde zusammen mit Sara festgenommen. "Wir verteidigen uns seit sechs Jahren in einem der größten europäischen Fälle der Kriminalisierung von humanitärer Hilfe. Mein Leben ist ein einziger Kampf geworden", so Seán bei der Premiere im Zeise-Kino.
"Und doch fühle ich mich sehr privilegiert, weil ich im Gegensatz zu anderen eine Plattform habe, um meine Geschichte zu erzählen."
Charly Wai Feldman: "Ich wollte eine sehr persönliche Geschichte erzählen."
Für "Gegen den Strom" wurden Sara und Seán die vergangenen vier Jahre seit ihrer Inhaftierung von der Filmemacherin Charly Wai Feldman begleitet.
"Ich wollte eine sehr persönliche Geschichte erzählen, die die politische Situation nicht aus den Augen lässt", sagt Charly zu TAG24. "Am Anfang dachten wir, der Film endet mit dem Gerichtsurteil und mit einem Happy End. Doch bis heute gibt es keine Entscheidung in dem Fall."
Dennoch sei der Film wichtig, betont Seán Binder. Denn er gebe nicht nur ihm und Sara eine Stimme.
"Auf der einen Seite heißt es, wir seien Verbrecher, auf der anderen Seite sehen uns Menschen als Helden. Aber beide Positionen sind falsch", so der 27-Jährige.
"Weil beide Positionen implizieren, dass das, was wir getan haben, nicht normal sei. Dabei sollte es das Normalste auf der Welt sein, jemandem zu helfen, der ertrinkt."
Titelfoto: TAG24