"Siberia": Abstoßende Sex- und Nacktszenen mit Schwangeren und Behinderten!

Deutschland - Keine Empfehlung! Nach dem kurzfristig wegen der Corona-Krise abgesagten Kinostart im März läuft das provokante, aber schwache Drama "Siberia" seit dem 2. Juli bundesweit in den deutschen Kinos, nachdem es am 24. Februar um 22 Uhr auf der 70. Berlinale seine Weltpremiere feierte. Lest hier noch einmal die komplette TAG24-Kritik.

Clint (Willem Dafoe) lebt als Trapper hoch oben in den Bergen.
Clint (Willem Dafoe) lebt als Trapper hoch oben in den Bergen.  © PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

In ihm steht Clint (Willem Dafoe) im Mittelpunkt. Er war als Kind mit seinem Vater und seinen zwei Brüdern oft zum Fischen im Norden Kanadas. 

Das war die einzige Sache, die die vier verbunden hat und das einzige große Erlebnis, das Clints "arbeitswütiger, geiziger und provinzieller" Vater ihnen gewähren konnte.

Mit einem Buschflugzeug ging es zu einem See in der Wildnis, wo ein Trapper lebte und der Zivilisation seit 20 Jahren ferngeblieben war. Kontakt mit den Organisatoren des "Fish Camps" hielt er über ein Kurzwellenradio. 

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Jahrzehnte später ist Clint selbst zu diesem Trapper geworden. Er lebt zurückgezogen hoch oben in einem kleinen Wirtshaus an einem schneeverhangenen Berg und bekommt hin und wieder Besuch.

Etwa von einem alkoholsüchtigen Einheimischen, einem anderen Trapper oder von einer alten Frau und deren schwangerer Enkelin. 

Clint kennt diese offenbar, denn er darf vertraut mit dem Kopf ihren Bauch berühren, sie anfassen und anschließend das Bett mit ihr teilen. Doch neben diesem kurzen Moment des Glücks hat er vor allem mit seiner Vergangenheit und seinen inneren Dämonen zu kämpfen.

Deutscher Trailer zu "Siberia" mit Willem Dafoe

"Siberia" war einer der schwächsten Wettbewerbsfilme der 70. Berlinale

Clint (Willem Dafoe) kämpft mit seinen inneren Dämonen. Die Grenzen von Realität und Traum zerfließen.
Clint (Willem Dafoe) kämpft mit seinen inneren Dämonen. Die Grenzen von Realität und Traum zerfließen.  © PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

Diese "Geschichte" hat Abel Ferrara ("Bad Lieutnant") schlecht umgesetzt, weshalb die meisten Kritiker den Wettbewerbsfilm der diesjährigen 70. Berlinale äußerst verhalten aufnahmen.

Das ist nachvollziehbar, ist er doch noch handlungsärmer und abstrakter als "Tommaso und der Tanz der Geister", die letzte Zusammenarbeit von Dafoe und Ferrara, die hierzulande am 13. Februar in die Kinos kam.

Schon dort zeichnete sich ab, dass dem Regisseur mitunter die Stilmittel fehlen, um die Vision in seinem Kopf zugänglich für das Publikum auf die Leinwand zu transportieren.

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Allerdings auf einem ganz anderem Niveau, denn den Kern der Geschichte war in "Tommaso" problemlos zu verstehen, der Film darüber hinaus deutlich fesselnder. 

"Siberia" ist hingegen eine rätselhafte und mit zunehmendem Verlauf auch ärgerliche Aneinanderreihung von Einzelszenen geworden. 

Es geht also nicht um eine zusammenhängende Story, sondern viel mehr um die düstere Stimmung und die bedrohliche Atmosphäre, die der Film zu entfalten versucht. 

In "Siberia" lässt Abel Ferrara die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen

Von der einen auf die andere Sekunde findet sich Clint (Willem Dafoe) erst in einer schneebeckten Landschaft wieder...
Von der einen auf die andere Sekunde findet sich Clint (Willem Dafoe) erst in einer schneebeckten Landschaft wieder...  © PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

Das gelingt aber nicht, weshalb man sich schon nach einer halben Stunden langweilt und froh ist, wenn der Experimentalfilm nach 92 Minuten endlich zu Ende ist.

Denn ein Sinn lässt sich in diesem wirren Werk nicht erkennen. Ja, es geht um den Kampf zwischen dem Guten und Bösen in jedem Menschen. 

Also ein universelles Thema. Die Umsetzung ist allerdings das Problem. Ferrara verwischt die Grenzen von Realität und Traum, was zur Folge hat, dass die Zuschauer nie wissen, was wirklich passiert und was nur ein Hirngespinst von Clint ist.

Nicht mal Dafoe ("Der Leuchtturm", "Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit", "Aquaman") vermag es, das Publikum mit seiner manischen Spielweise in das Geschehen hineinzuziehen.

Dabei sind er und Ferrara seit Jahren befreundet und der Schauspieler war und ist in vielen Filmen das Alter Ego des Regisseurs.

Doch das Drama ist schlichtweg zu pseudo-intelligent und zäh. Ferrara macht es sich sehr einfach und sorgt dafür, dass man sein neustes Werk in alle möglichen Richtungen deuten kann, lässt sich sogar im Presseheft mit dem vielsagenden Satz zitieren, dass es "nicht um ein perfektes Drehbuch" ging, sondern um gewaltige Bilder.

Eine provokante Odyssee durch das Unterbewusstsein, ein Skandalfilm ist "Siberia" aber nicht

...und dann in einer endlosen Wüste.
...und dann in einer endlosen Wüste.  © PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

Was für einen Film man in "Siberia" zu sehen bekommt, hängt also immer von den eigenen Erfahrungen ab.

Doch gut finden werden den Film wohl nur die wenigsten. Das liegt auch an mehreren provokanten Szenen, in denen Sex und Nackheit eine große Rolle spielt.

Die Art der Darstellung ist hierbei zumindest fragwürdig. Clint hat Geschlechtsverkehr mit einer Schwangeren, was aufgrund der gefühlvollen Machart der Szene in Ordnung geht. Später jedoch kommt in einer Höhle eine nackte und etwas dickliche Frau im Rollstuhl hinzu, anschließend auch noch eine korpulente Dame, die tanzt.

Für einen echten Skandalfilm sind solche Momente aber zu wenig. Sie sorgen zwar für Gesprächsstoff und bleiben durchaus im Gedächtnis haften, doch es gibt genügend Filme, die das qualitativ hochwertiger in den Erzählfluss eingearbeitet haben.

Wenige Augenblicke danach wird nämlich deutlich: Clint ist in einer Psychiatrie gelandet. Warum das so ist, wird nicht erklärt. Auch sonst bleibt vieles im Argen.

"Siberia" ist trotz eindrucksvoller Bilder ein ernüchternder Film geworden

Clint (Willem Dafoe) hat Sex mit einer Schwangeren. Doch das ist bei weitem nicht die provokanteste Szene.
Clint (Willem Dafoe) hat Sex mit einer Schwangeren. Doch das ist bei weitem nicht die provokanteste Szene.  © PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

Nur, wer wirklich Spaß an dauerhaften Interpretationen hat, wird "Siberia" irgendetwas abgewinnen können.

Allen anderen erschließt sich der Sinn dieser Sequenzen nicht. Auch sonst steht man vor vielen Rätseln, die man irgendwann nicht mehr zu lösen bereit ist.

Deshalb flaut die anfängliche Neugier schnell ab, weil man den Film distanziert und teilnahmslos betrachtet. Das ist schade, denn visuell hat Ferrara durchaus überzeugende Bilder und Metaphern gefunden.

Es gibt wunderschöne Aufnahmen der abwechslungsreichen Locations aus der Vogelperspektive und eindrückliche Nahaufnahmen von Dafoes zerfurchtem und ausdrucksstarkem Gesicht.

Dazu sind auch die Kostüme, Ausstattung und das Szenebild Stärken. Das reicht aber nicht, um "Siberia" zu retten.

Dafür fehlt ihm schlichtweg die erzählerische Linie und Substanz, weshalb nur Fans dieser Art von Filmen einen Blick riskieren sollten.

Titelfoto: PR/© PORT AU PRINCE PICTURES 2020

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