"Pleasure"-Star Sofia Kappel im Interview über erigierte Penisse: "Viele vor den Kopf gestoßen"
Berlin - "Pleasure" schlägt Wellen und steht aufgrund der Thematik im Fokus der Öffentlichkeit! Im Drama von Regisseurin Ninja Thyberg (37), das am 13. Januar 2022 in den deutschen Kinos anläuft, geht es um Pornos. TAG24 hat Hauptdarstellerin Sofia Kappel (23) zu einem hintergründigen Interview getroffen.
Die freundliche junge Schwedin erklärte zum Start: "Ich habe das erste Mal von 'Pleasure' gehört, als ich vorgesprochen habe. Ich denke, es ist ein wirklich wichtiger Film. Ninja hat von Beginn an klargemacht, dass es nicht darum geht, Frauen bloßzustellen. Es geht viel mehr darum, eine Realität zu zeigen, in die nur wenige Leute Einblicke haben." Sie mochte das und habe "die Story oder Ninjas Vision" deshalb "nie angezweifelt".
Kappel gab an, sich mehr über ihre eigene Schauspielleistung Sorgen gemacht zu haben. Wenig verwunderlich, stellt der Film doch ihr (beeindruckendes) Debüt dar, in dem sie direkt die Hauptrolle ergatterte.
"Ich habe oft an mir gezweifelt. Aber Ninja hat einen guten Job gemacht und mir Clips und Playbacks von dem gezeigt, was wir machen. Das hat mir sehr geholfen, weil ich sehen konnte, was ich tatsächlich mache."
So konnte sie ihre eigene Performance einschätzen, doch es sei natürlich "ziemlich kompliziert", das zu schaffen, wenn man sich mitten in der Szene befinde und dort "so viele von der Crew wie Kameraleute um einen herum sind".
So hatte Kappel zwar Bedenken, verdeutlichte allerdings zu Recht: "Ich habe aber nicht aufgegeben."
Deutscher Trailer zu "Pleasure" von Ninja Thyberg mit Sofia Kappel
Sofia Kappel: "Der Film zeigt, wie es ist, als junge Frau in einer männerdominierten Welt zu leben"
Kappel erklärte weiter: "Was mich angezogen hat, war die Chance, mich selbst herauszufordern und etwas zu tun, zu dem ich mich nicht imstande fühlte."
Dazu verdeutlichte sie: "Wenn so ein Film herausgekommen wäre, als ich jünger war, hätte er eine große Auswirkung auf mein Leben gehabt. Denn Pornos sind ein großer Teil unserer Gesellschaft, unserer Kultur, unserer sexuellen und intimen Beziehungen und wir sprechen nie darüber."
So sei es auch bei ihr gewesen: "Deshalb dachte ich von Beginn an, dass dieses Projekt wichtig ist. Nicht nur für die Menschen in der Sexindustrie, sondern für Menschen generell."
Denn: "Es ist wichtig, sich selbst zu hinterfragen, wie man Pornos konsumiert und wie man die Leute 'benutzt', die sie machen. Denn sie produzieren nur, was wir wollen. Wenn wir aufhören, rassistische und misogyne Sachen zu gucken, werden sie aufhören, sowas zu machen, weil sie kein Geld mehr damit verdienen können."
Zudem sei "Pleasure" wichtig, weil er der "Gesellschaft den Spiegel" vorhalte. So behandele er nicht nur das Thema Porno, sondern führe vor Augen, wie wir als Gesamtbevölkerung denken und sind. Kappel ergänzte: "Der Film zeigt, wie es ist, als junge Frau in einer männerdominierten Welt zu leben."
Originaltrailer zu "Pleasure" von Ninja Thyberg mit Sofia Kappel
Sofia Kappel über Pornoindustrie: "Die meisten sind normale Menschen, die einen Job brauchen"
Eine Frage stellt man sich allerdings am Ende: Was treibt Bella Cherry an, warum will sie ausgerechnet ein Pornostar werden?
Kappel klärte im Gespräch auf: "Um ehrlich zu sein, geht es in dem Film nicht um ihre Motivation. Es ist eine sehr problematische Frage, dass wir uns immer fragen: 'Warum solltest du das tun?' Denn wäre das ein Film über eine Frau, die im Supermarkt arbeitet, würde sich das auch niemand fragen. Weil sie es will, vielleicht? Darauf gibt es so viele Fragen wie Menschen, die dort arbeiten. Denn es gibt nicht nur eine einzige Sache, die in deinem Leben passiert und durch die du Pornos machst."
Sie führte eloquent weiter aus: "Wäre das der Fall, wäre die Pornoindustrie viel verrückter, als sie ist. Wenn wir denken, dass jede Frau, die traumatisiert oder missbraucht wurde, sich in der Pornoindustrie sammelt, wäre das absurd. Denn das ist nicht der Fall. Die meisten sind normale Menschen, die einen Job brauchen. Motivation könnten Geld, Ruhm, Aufmerksamkeit oder das Ausleben von sexuellen Fantasien sein."
Deshalb habe sie nicht viel über die Motivation von Bella Cherry nachgedacht, sondern viel mehr, wie sie als Person sei, schließlich musste Kappel sich in sie verwandeln.
"Pleasure" gewann international bereits mehrere Filmpreise
Sofia Kappel: "Viele Menschen wurden von der Anzahl der Schwänze vor den Kopf gestoßen"
Kappel philosophierte: "Wie alles im Leben ist es normalerweise nicht eine Sache, die einen große Entscheidungen treffen lässt, sondern eine Sammlung von Erfahrungen, Gefühlen und Gedanken. Das zusammen lässt einen in eine bestimmte Richtung gehen."
Die Darstellerin weiter: "Für Bella geht es darum, ob ihr ihre Karriere wichtiger als ihre Beziehungen ist. Was macht mich auf lange Sicht glücklich? Das hat nichts mit Pornos, sondern mit dem Leben zu tun."
Kappel meinte: "Ich wäre keine glückliche Person, wenn ich nur meine Karriere wählen würde. Ich hätte ein viel glücklicheres Leben, wenn ich meine Familie, meinen Freund und meinen Stiefsohn wählen würde."
Sie kam auch auf das menschliche Geschlechtsteil zu sprechen: "Wir sehen den Penis als eine mächtige Waffe an", die die Zuschauer von Spielfilmen selten zu sehen bekommen. Schon gar nicht im erigierten Zustand.
Wohl auch das könnte ein Grund für Kappels folgende interessante Information sein: "Viele Menschen wurden von der Anzahl der Schwänze, die im Film gezeigt wurden, vor den Kopf gestoßen." Die ist für ein Kino-Drama tatsächlich hoch, zumal es sogar Penis-Nahaufnahmen gibt. Verstörend sind diese Szenen aber wirklich nicht - vor allem im Vergleich zu anderen Sequenzen in "Pleasure".
Sofia Kappel zeigt sich auch auf ihrem Instagram-Profil mitunter freizügig und anzüglich
Sofia Kappel hatte beim Dreh der Vergewaltigungsszene "am meisten Spaß"
Zur Vergewaltigungssequenz sagte die junge Dame: "Alles in diesem Film war schwer für mich zu drehen, weil ich keinerlei Erfahrung hatte. Aber diese spezielle Szene war einer der Tage, wo ich am meisten Spaß hatte, auch wenn das verrückt klingt. Der körperliche Teil dieser Szene war sehr technisch und wir hatten sie viele Monate früher geprobt. Es war wie eine Choreografie."
So ließen sie viele Sequenzen viel brutaler aussehen, als sie eigentlich waren: "Als sie (Anmerkung der Redaktion: zwei männliche Darsteller) mich zum Beispiel würgen, habe ich meinen ganzen Körper angespannt und deshalb lief mein Gesicht blau an. Aber im Film sieht man nur, wie mein Gesicht blau wird. Vieles ist Filmmagie."
Magisch ist auch Kappels Leistung. Selten hat eine Schauspielerin bei ihrem Debüt so eine starke Darbietung gezeigt. Sie erklärte: "Da ich keine Erfahrung hatte, musste ich in jeder Szene etwas finden, mit dem ich mich identifizieren konnte. Für mich war es schwer, so eine Verletzlichkeit zu zeigen. Es war eine gute Erfahrung für mich, solche harten und ängstlichen Gedanken zu fühlen, denn meine Emotionen sind real. Aber ich konnte das in einer sehr sicheren Umgebung machen. Jeder, der an diesem Tag im Raum war, hatte die Befugnis, 'Schnitt' zu rufen."
Kappel half noch eine weitere Sache: "Meine beste Freundin aus Schweden ist für diesen Tag eingeflogen. Sie war mit mir im Raum, während wir das gedreht haben. Wir haben viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit diese Szene mich mental nicht entkräftet oder in irgendeiner Weise verletzt."
Regisseurin Ninja Thyberg (r.) vertraute Sofia Kappel, die so eine erstklassige Leistung zeigen konnte
Sofia Kappels Befürchtung: "Schlechte Leistung und für den Rest meines Lebens nackt im Internet"
Nun wird ihrem Werk auf der ganzen Welt viel Aufmerksamkeit geschenkt, monatelanges Hin- und Herreisen war für Kappel und Thyberg Alltag.
Doch es sollte sich auszahlen, ihr Werk gewann mehrere Awards, ist sogar für den Europäischen Filmpreis als bestes Erstlingswerk nominiert und rückt ein wichtiges Thema in den Fokus der Öffentlichkeit.
Kappel hatte damit nicht gerechnet und sich stattdessen an Murphys Gesetz orientiert: "Was ist das Schlimmste, was passieren kann?"
Sie beantwortete die Frage auch direkt selbst: "Wenn ich einen schlechten Job mache. Denn dann habe ich eine schlechte Leistung gezeigt und bin vermutlich für den Rest meines Lebens nackt im Internet. Ich konnte an nichts denken, was ich schlimmer fand. Ich habe mich mental auf dieses Szenario vorbereitet. Als dann das positive Szenario eingetreten ist, war ich unvorbereitet und es war sehr überwältigend."
Denn als sie den Film sah, hatte sie nicht das Gefühl, sich selbst auf der Leinwand zu sehen. "Ich bin wirklich froh, denn er wäre beschissen gewesen, wenn ich beschissen gewesen wäre. Ich bin superzufrieden mit mir und ich bin superstolz auf den Film."
Sofia Kappel übte mit solchen typischen Sex-Influencerinnen-Aufnahmen für den Film
Das kann sie auch sein. Allerdings ist es bezeichnend für die Schizophrenie der Filmbranche, dass eine Darstellerin, die eine solche Rolle annimmt, gebrandmarkt ist und es schwer hat, neue Parts zu bekommen - egal, wie gut ihre Leistung war. Das ist peinlich. Aber vielleicht finden sich ja noch ein paar Macher bzw. Macherinnen, die einfach "nur" Kappels herausragende Performance sehen und bewerten. Zu wünschen wäre es der sympathischen und intelligenten Dame.
Titelfoto: Stefan Bröhl