Kinofilm "All Inclusive" feiert Weltpremiere: "Zur Inklusion ist es noch ein wahnsinnig weiter Weg!"

Hamburg - "Man soll es uns nicht einfach machen, ich will Herausforderung", fordert Tennisspieler Timo Hampel (26), einer der Protagonisten des neuen Dokumentarfilms "All Inclusive", der am gestrigen Sonntag in den Hamburger Zeise Kinos Weltpremiere gefeiert hat. Auf eine sehr berührende Weise und mit überraschend viel Witz porträtiert der Film die Geschichte von vier Sportlern mit Behinderung, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Teilnahme an den Special Olympics World Games 2023 in Berlin.

Timo (26, Foto) aus Hamburg spielt seit 2014 leidenschaftlich Tennis. Zusammen mit seiner Schwester Gina (22) wird er bei den Special Olympics World Games in Berlin im Tennis-Doppel antreten.
Timo (26, Foto) aus Hamburg spielt seit 2014 leidenschaftlich Tennis. Zusammen mit seiner Schwester Gina (22) wird er bei den Special Olympics World Games in Berlin im Tennis-Doppel antreten.  © Kloos & Co. Medien

Timo aus Deutschland spielt seit 2014 leidenschaftlich Tennis. "Es ist ein Familienspiel. Erst haben meine Eltern angefangen, dann meine Schwester und dann ich", erzählt der Hamburger am Rande der gestrigen Premiere im Gespräch mit TAG24.

Der 26-Jährige wurde mit Trisomie 21 geboren und will mit seiner Teilnahme am Film vor allem eine Sache erreichen: "Es ist mir sehr wichtig, die Inklusion voranzubringen."

Gegen Ausgrenzung und für die verdiente Anerkennung kämpfen neben Timo auch seine drei Mit-Protagonisten: Toivo aus Finnland hat Asperger und durch sein zusätzliches ADS fällt es ihm oft schwer, sich zu konzentrieren. Außer wenn er segelt, dann vergisst er alles um sich herum.

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Uyangaa aus der Mongolei wird aufgrund ihrer Sprachbehinderung oft von anderen ausgegrenzt, doch in ihrem Volleyball-Team hat sie neue Freunde und die Freude an der Bewegung gefunden. Und Mary Stella aus Kenia, die seit ihrer frühesten Kindheit unter Gehirnschäden leidet, will Freiheit und Gerechtigkeit für ihre gesamte Fußballmannschaft.

Alle vier wollen zeigen, dass sie mindestens genauso gut sind wie die "Normalen", denn: "Wer ist schon 'normal'?"

Toivo aus Finnland hat Asperger und durch sein zusätzliches ADS fällt es ihm oft schwer, sich zu konzentrieren. Außer wenn er segelt, dann vergisst er alles um sich herum.
Toivo aus Finnland hat Asperger und durch sein zusätzliches ADS fällt es ihm oft schwer, sich zu konzentrieren. Außer wenn er segelt, dann vergisst er alles um sich herum.  © Kloos & Co. Medien

Filmemacher Gordon Volk: "Wir wollten nicht einfach nur einen weiteren Sportfilm machen!"

Die Produzenten, Regisseure und Protagonisten des Films "All Inclusive" am Sonntag auf der Weltpremiere in den Hamburger Zeise Kinos
Die Produzenten, Regisseure und Protagonisten des Films "All Inclusive" am Sonntag auf der Weltpremiere in den Hamburger Zeise Kinos  © Madita Eggers/TAG24

Mehr als drei Jahre lang haben die Filmemacher Thorsten Ernst, Tobias Lickes, Malte Nieschalk und Gordon Volk die Sportler auf der Reise zur Qualifikation für die Weltspiele begleitet.

"Malte und ich haben schon auf so vielen Special Olympics Veranstaltungen gedreht und die uns dort entgegenschlagende positive Energie und die Lebensfreude der Menschen mit Behinderung haben uns einfach fasziniert und viel mehr noch berührt", erzählte Gordon Volk im Gespräch mit TAG24.

Die Idee eines Kinofilms habe schon länger in ihren Hinterköpfen geschlummert, richtig an dem Projekt gearbeitet haben die vier Hamburger aber erst, als 2018 feststand, dass die Special Olympics World Games 2023 in Berlin stattfinden.

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"Wir wollten uns auf die Menschen fokussieren und nicht einfach nur einen weiteren Sportfilm machen, wo der Sportverlauf die Dramaturgie gibt, sondern wirklich in das Leben der Menschen hineinschauen und eine Zeit lang Teil davon sein", so Volk.

So werden die Protagonisten neben dem Training auch bei der Jobsuche, beim Umzug in die ersten eigenen vier Wände, beim Familienalltag und bei den täglichen Herausforderungen begleitet, die das Leben als "Special" mit sich bringt.

Der Filmtrailer zu "All Inclusive"

Die Inklusion ist im Westen nicht weiter als in Kenia oder der Mongolei

"Zur Inklusion ist es noch ein wahnsinnig weiter Weg", betonte Volk am Sonntag. "Wenn wir auf Deutschland und Finnland gucken, also westliche und zwei der reichsten Länder der Erde, ist dort per Gesetz schon vieles möglich. Auch das Geld ist da, aber man kann jetzt nicht unbedingt sagen, dass dort die Inklusion schon weiter entwickelt ist als in Kenia oder der Mongolei." Es fehle an Menschen, die sich engagieren und nicht nur "Dienst nach Vorschrift" machen.

"Wir haben bei den Dreharbeiten gelernt, dass es wirklich auf die einzelnen Menschen ankommt, um Inklusion weiterzubringen. Bei den Familien liegt ganz, ganz viel Verantwortung. Gerade die Mütter der Protagonisten haben einen wahnsinnigen Anteil daran, dass ihre Kinder Chancen bekommen", so Volk weiter.

Cornelia Hampel: "Es geht nicht nur um Sport, sondern wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen!"

Uyangaa aus der Mongolei liebt es, Volleyball zu spielen. Hier behandelt sie keiner wie eine Aussätzige. Ihre Begeisterung für den Sport und auch ihre Teamfähigkeit will sie in Berlin unter Beweis stellen.
Uyangaa aus der Mongolei liebt es, Volleyball zu spielen. Hier behandelt sie keiner wie eine Aussätzige. Ihre Begeisterung für den Sport und auch ihre Teamfähigkeit will sie in Berlin unter Beweis stellen.  © Kloos & Co. Medien

Eine von ihnen ist Cornelia Hampel. Die Mutter von Timo ist ebenfalls Protagonistin des Films und dem Team um Gordon Volk sehr dankbar, dass sie mit "All Inclusive" die Aufmerksamkeit auch darauf lenken, dass geistig behinderte Menschen wirklich etwas leisten können und wollen.

"Und zum Beispiel auch die Intelligenz haben, klug Tennis zu spielen", so Hampel gegenüber TAG24. Ein "klein bisschen" im Filmschnitt untergegangen sei dagegen der gesellschaftliche Aspekt: "Es geht halt eben nicht nur um Sport, sondern darum, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen."

Für eine Besserung der aktuellen katastrophalen Zustände benötige es laut Hampel einen entspannteren Umgang miteinander und mehr Offenheit.

"Und auch, dass wir gerade unsere geistig Behinderten nicht nur in die Werkstätten und Wohnheime sperren, sondern es geht wirklich darum, ihnen normale Arbeitsplätze zu geben, und dafür muss das Bildungssystem schon von Anfang an besser funktionieren."

Darum ist "All Inclusive" ein Film für die ganze Familie

Mary Stella aus Kenia will den Sport auch dafür nutzen, die Welt zu sehen, auch um möglicherweise in ein Land mit besseren Möglichkeiten auszuwandern. Deutschland scheint ihr da eine sehr gute Option.
Mary Stella aus Kenia will den Sport auch dafür nutzen, die Welt zu sehen, auch um möglicherweise in ein Land mit besseren Möglichkeiten auszuwandern. Deutschland scheint ihr da eine sehr gute Option.  © Kloos & Co. Medien

Nicht nur der Inhalt des Films ist barrierefrei, sondern auch das Kinoerlebnis an sich. Neben einer audiodeskriptiven Fassung und einer Fassung für Hörgeschädigte haben sich die Produzenten dazu entschieden, den Film für die ganze Familie möglich zu machen.

Es wurde sich die Mühe gemacht, unterschiedliche Sprachfassungen - ganz ohne Untertitel lesen zu müssen - zu produzieren. In der deutschen Fassung leihen Stars wie Kostja Ullmann (39) und Collien Ulmen-Fernandes (41) den Protagonisten dafür ihre Stimmen.

"Das bringt vielleicht noch mal ein Quäntchen mehr Aufmerksamkeit", so Gordon Volk, der jedem ein Kinobesuch wärmstens ans Herz legt. "In der Hoffnung, dass den Leuten die Augen dafür geöffnet werden, dass Menschen mit Behinderung nicht nur ein Defizit haben, sondern eben dieses genauso der Gesellschaft zurückgeben können."

"All Inclusive" startet am 8. Juni bundesweit in den deutschen Kinos. In den Hamburg Zeise Kinos wird der Film wieder am 10. und 11. Juni sowie am 2. Juli mit Star-Gast Timo Hampel gezeigt. Start ist jeweils um 11 Uhr. Eine Übersicht aller Vorstellungen gibt es auf riseandshine-cinema.de.

Titelfoto: Kloos & Co. Medien

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