Xatars bewegtes Leben: "Rheingold" feiert Premiere
Hamburg – Sein Goldraub 2009 war legendär, sein Leben von Gewalt und Krieg geprägt. Und immer wieder zwischendurch blitzt die Musik wie ein kleiner Hoffnungsfunken auf: Mit "Rheingold" verfilmte der Hamburger Regisseur Fatih Akin (49) das Leben von Deutschlands wohl einzig wahrem Gangster-Rapper. Der Film über Musiker Xatar (40) feierte am Samstagabend beim "Filmfest Hamburg" Weltpremiere.
Iran 1982: Mitten im Iran-Irak-Krieg und kurz nach der Islamischen Revolution erblickte Giwar Hajabi (erst gespielt von Ilyes Moutaoukkil, dann von Emilio Sakraya) in einem von Gewalt dominierten Chaos das Licht der Welt, welches sich durch sein ganzes Leben ziehen sollte.
Während Bomben über und hinter ihr einschlagen, flüchtet sich Giwars Mutter (Mona Pirzad) in eine Höhle und gebärt ganz alleine ihr erstes Kind. Die Nabelschnur trennt sie mit einem Stein durch.
Sie ist eine Kämpferin, für ihren Sohn, ihre Familie, aber auch für einen unabhängigen kurdischen Staat.
Giwars Vater ist der berühmte kurdische Komponist Eghbal Hajabi. Doch es ist nicht die Musik seines Vaters, an die sich Giwar erinnert, wenn er an seine Kindheit denkt. Es ist das Gefängnis.
Mit drei Jahren saß er das erste Mal. Seine Eltern wurden als Freiheitskämpfer inhaftiert, tagtäglich muss er mit ansehen, wie sein Vater gefoltert wird. Ein Schicksal, welches er später im irakischen Knast am eigenen Leib erfahren sollte.
Verrat, Rampenlicht und die Musik
Als politische Flüchtlinge kommt die Familie drei Jahre später erst nach Frankreich, dann nach Bonn. Ein Freund des Vaters behauptet, in Deutschland hat man es als Musiker einfacher. Dennoch soll es zehn Jahre dauern, bis Eghbal Hajabi an der Bonner Oper als Komponist auftritt.
Hinter der Bühne steht sein Sohn, erfährt zum ersten Mal Rampenlicht. Aber auch Verrat in der eigenen Familie. Sein Vater lässt die Familie für eine andere Frau im Stich. Ohne Geld in einer Sozialbau-Wohnung. Damit seine Mutter nicht die ganze Zeit putzen gehen muss, fängt Giwar an, erst Pornos, dann Drogen zu verkaufen.
Und er hört auf, Klavier zu spielen. Bereits als kleiner Junge hatte sein Vater ihn dazu gedrillt.
Dieselben Hände, die damals sanft über die Tastatur glitten, wurden jetzt darauf trainiert, hart zuzuschlagen. Mit der Devise "Auf der Straße gibt es keine Handschuhe" schlägt er auf den Boxsack ein, bis seine Knöchel bluten. Später, nachdem er sich an einer Gruppe Jungs gerächt hat, die ihn einst übel zusammen geschlagen haben, zieht er sogar ein Zahn aus seiner Haut. Fast ironisch, dass er später wegen des Raubes von Zahngold verurteilt wird.
Seine Liebe für die Musik flammt immer wieder in seiner Lebensgeschichte auf. Erklingen am Anfang persische Melodien, untermalen die ersten bitteren Erfahrungen Klavierstücke, bis Xatar im Rap seine Stimme findet.
Seine Begeisterung dafür entfacht auf einer Party, auf der ein Künstler auftritt. Kurz darauf setzt er sich mit dem Macher der Beats (Denis Moschitto) zusammen und schreibt seine ersten Zeilen. Es ist derselbe Mann, der ihm später hilft, sein erstes Album "451" im Gefängnis aufzunehmen.
Im Gefängnis im Irak wird Rapper Xatar gefoltert
Als inzwischen großer Drogendealer, lässt sich Xatar, wie sollte es anders sein, mit den falschen Leuten ein. Um einen Riesen Berg an Schulden bei einem skrupellosen Boss bezahlen zu können, plant Xatar mit drei Freunden den verheerenden Überfall auf einen Goldtransporter.
Als Polizisten getarnt, erbeuten sie über 200 Kilogramm Schmuck und Zahngold. Hier beweist der Film auch seine humorvolle Nuance: Während des Überfalles fahren zwei echte Polizisten am Geschehen vorbei und statt einzugreifen, sperren sie nichts ahnend die Straße.
Gefasst werden alle vier und noch ein weiterer Komplize trotzdem. Verurteilt werden sie aber erst nach ihrer Flucht in den Irak, wo sie vom kurdischen Geheimdienst gefasst und inhaftiert werden.
Da Xatar nicht verrät, wo die Beute sich befindet, wird er brutal gefoltert. Unter anderem wird ihm sein Goldzahn gezogen. Eine Szene, die gleichsam metaphorisch wie schrecklich ist.
Rapper Xatar: Wo ist das Gold aus seinem legendären Raub?
Der Film basiert auf Xatars Autobiografie "Alles oder Nix". Ein durchaus passender Titel für sein Leben, warum der Film dennoch "Rheingold" heißt, bietet Raum für mehrere Interpretationen: Es kann auf Xatars Heimatstadt Bonn, die Stadt am Rhein und den Goldraub hindeuten.
Oder eine Anspielung auf die gleichnamige Oper von Richard Wagner sein, der Xatar und sein Vater am Anfang des Filmes im Bonnern-Opernhaus lauschen. Die daraufhin gestellte Frage des jungen Giwer, wo das Gold denn sei, greift genau die Frage aller Fragen auf, die bis heute nicht geklärt ist.
Wo das Gold aus dem Raub ist oder was damit passiert ist, enthüllt auch das Biopic nicht. Dafür genug Details, die den Zuschauer seine eigenen Schlüsse ziehen lassen.
"Rheingold" startet am 27. Oktober in den deutschen Kinos.
Titelfoto: Foto: Paul Zinken/dpa