"Vergiftete Wahrheit" mit Mega-Skandal: Chemiekonzern verpestet die ganze Welt!
Deutschland - Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer! Der große US-Chemiekonzern DuPont und sein Kunststoff Teflon verschmutzten und schädigten die Umwelt und Lebewesen über mehr als 40 Jahre nachhaltig. Nun wird diese brisante Geschichte vom Spielfilm "Vergiftete Wahrheit", der am 8. Oktober in den deutschen Kinos startet, aufgearbeitet.
In der Handlung, die auf dem Bericht "The Lawyer Who Became DuPont’s Worst Nightmare" von Nathaniel Rich im New York Times Magazine beruht, steht der Anwalt Rob Bilott (Mark Ruffalo) im Mittelpunkt.
Der arbeitet 1998 für die große Kanzlei Taft Stettinius & Hollister in Cincinnati und ist frisch gebackener Partner von seinem Chef Tom Terp (Tim Robbins). Mitten in einem Meeting erhält er Besuch vom hartnäckigen Wilbur Tennant (Bill Camp), der Robs Großmutter kennt.
Bilott wimmelt ihn erst ab, forscht dann aber doch nach und besucht den Farmer in seiner eigenen Heimat Parkersburg, West Virginia dann schließlich doch. Vor Ort eröffnet sich ihm ein Bild des Grauens.
Denn der große Bauernhof gleicht einer tristen Einöde. 190 Kühe sind verendet. Tennant vermutet als Grund: Der mächtige Chemiekonzern DuPont kaufte das Nachbargrundstück seines Bruders und kippte chemische Abfälle ins Wasser. Das trinken die Kühe. Er hat als Beweis auf Videos festgehalten, wie deformiert seine Tiere waren, die für ihn zur Familie gehören.
Robs Interesse ist geweckt. Er übernimmt den Fall und stellt dabei auch Teflon-Manager Phil Donnelly (Victor Garber), mit dem er per "Du" ist, zur Rede. Während die Gespräche anfangs noch freundlich verlaufen, kommt es auf einer Gala zu einem verbalen Eklat. Nun kämpfen beide Seiten darum, Recht zu bekommen. Was Bilott bei seiner Tiefenrecherche an Entdeckungen zutage fördert, ist entsetzlich!
Deutscher Trailer zu "Vergiftete Wahrheit" mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway und Tim Robbins
"Vergiftete Wahrheit" wirft einen kritischen Blick auf die Auswüchse des Kapitalismus
Diese wahre Geschichte hat Todd Haynes ("Carol", "Wonderstruck", "Mildred Pierce") großartig umgesetzt. Dem "Oscar"-nominierten Regisseur ist ein aussagekräftiges Statement gelungen, das den Kapitalismus sowie seine extremen Auswüchse kritisch hinterfragt und dessen Schwächen gekonnt anhand eines expliziten Beispiels entlarvt.
DuPont wusste nämlich durch eigene Tierversuchstests, Versuche mit Mitarbeitern und Schwangeren bereits seit 1962, wie gefährlich die vom Körper nicht abbaubare und synthetisch hergestellte Perfluoroctansäure (PFOA) wirkte. Babys erblickten mit Missbildungen das Licht der Welt, die Organe von Kühen waren aufgebläht, Menschen, die Kontakt mit der enorm widerstandsfähigen und stabilen Chemikalie hatten, bekamen verschiedene Formen von Krebs.
Dem Abspann zufolge hat sich PFOA mit der Zeit weltweit ausgebreitet, soll 99 Prozent aller Menschen erreicht haben und in deren Körper nachweisbar sein - erschreckend!
Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich ein US-amerikanischer Spielfilm so intensiv mit dem Thema auseinandersetzt und sich dabei auch mit einer großen und vor allem mächtigen Lobby anlegt. Denn DuPont kommt hier überhaupt nicht gut weg, sondern alle furchtbaren Fehler werden aufgezeigt.
Diese wurden bewusst begangen, weil der jährliche Gewinn laut "Vergiftete Wahrheit" eine Milliarde Dollar pro Jahr betragen haben soll. Das war zu viel, um die Produktion wegen irgendwelcher Bedenken einzustellen. Dass dabei die Leben unzähliger Menschen und Tiere billigend in Kauf genommen wurden, kümmerte den Chemiekonzern offenbar nicht oder nur ganz am Rande.
Mark Ruffalo glänzt in "Vergiftete Wahrheit"
Diese grausame, in der heutigen Zeit aber keinesfalls überraschende Praxis beleuchtet der im Original "Dark Waters" heißende Film eindrucksvoll. Über 128 Minuten erlebt man in einer spannenden Mischung aus Thriller und Drama die große Tragweite des Skandals.
Ganz subtil zeigen Haynes und seine Crew die sich wandelnden Ansichten der Hauptfiguren auf. Aus anfänglicher Skepsis entwickelte sich erst Unglauben, dann ohnmächtige Wut und Fassungslosigkeit über das rigorose Vorgehen DuPonts. Denn man ging im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen.
Das wird anhand eines großartig recherchierten Drehbuchs und dank einer minutiösen Aufarbeitung der Ereignisse erstklassig verdeutlicht. Aufgrund dieser hintergründigen Machart fiebert man von Beginn an mit und taucht tief in den packenden Kosmos von "Vergiftete Wahrheit" ab. Dank der präzisen Dialoge, der herausragenden Charakterdarstellung und -entwicklung reißt das Werk von Haynes mit, kommt mit vielen intelligenten Untertönen daher und verströmt die hohe Qualität eines zeitlosen Klassikers.
Daran hat das geniale Schauspielensemble einen entscheidenden Anteil. Vor allem Ruffalo (Hulk/Dr. Bruce Banner in "Avengers: Endgame") ist hier hervorzuheben. Was der dreifach "Oscar"-nominierte Darsteller aus seiner ambivalenten Rolle herausholt, ist ganz großes Kino! Er konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die leisen Töne, fängt aber auch die Manie seiner Figur, deren Verfolgungswahn, Stresslevel und Ausraster sehr gut und vor allem glaubwürdig ein.
Anne Hathaway, Tim Robbins und besonders Bill Camp zeigen in "Vergiftete Wahrheit" starke Leistungen
An seiner Seite überzeugen auch Hathaway ("Les Misérables") als seine dynamische Ehefrau mit Ecken und Kanten, Robbins ("Die Verurteilten") als vielschichtiger Boss mit großer Ausstrahlung und vor allem der unterschätzte Camp ("Skin"), der das Geschehen in seinen Szenen als kämpfender Farmer unaufdringlich an sich reißt.
Dazu sorgt das Drama auch noch für eine der bewegendsten Einzelszenen des Jahres. Wenn Ruffalo als Bilott durch das entsättigte und dadurch trostlos wirkende West Virginia fährt, wird "Take Me Home, Country Roads" von John Denver eingespielt. Selten wurde ein Song in einem Film so treffend eingesetzt wie hier! Dadurch erlebt man eine emotionale Achterbahnfahrt in dieser nachhaltig beeindruckenden und im Gedächtnis bleibenden Sequenz.
Auch davon abgesehen begeistern der stimmige Score, die ruhige Kameraführung, die atmosphärischen Locations, die brillanten Kostüme, das exzellente Make-up, die kontrastreiche Farbgebung und auch die erstklassige deutsche Synchronisation.
Daher stören auch kleinere Durchhänger im mehr als zwei Stunden langen Werk nicht. Die wahre Story von "Vergiftete Wasser" ist dafür viel zu kraftvoll und fesselnd, die Inszenierung zu fantastisch und der künstlerische Anspruch zu hoch, als dass man sich von der teils etwas (zu) ruhigen Erzählweise von einem Kinobesuch abhalten lassen sollte. Sehenswert!
Titelfoto: PR/TOBIS Film GmbH