"The Painted Bird" zeigt wahre Tortur: Kleiner Junge wird vergewaltigt, geschlagen und gedemütigt
Deutschland - Einer der grausamsten Filme aller Zeiten! "The Painted Bird" verlangt den Zuschauern emotional wahrlich alles ab. Der tschechische "Oscar"-Kandidat aus dem Jahr 2020 von Regisseur Vaclav Marhoul (61, "Tobruk") läuft am 9. September endlich auch in den deutschen Kinos an und zeigt 169 Minuten lang die dunkelsten Seiten der Menschen. Die TAG24-Kritik.
Irgendwo in Osteuropa, mitten im Zweiten Weltkrieg lebt der kleine Junge Joska (Petr Kotlar, 14) auf einem einfachen Bauernhof. In der ersten Szene rennt er mit seinem Frettchen auf dem Arm im Wald vor mehreren Gleichaltrigen weg. Er wird jedoch gestellt, geschlagen, zu Boden gedrückt und muss mitansehen, wie sie sein Tier bei lebendigem Leib verbrennen. Dessen Schmerzensschreie sind eine erste große Qual.
Niedergeschlagen kehrt das Waisenkind auf seinen Hof zurück, wo ihm die alte Frau Marta (Nina Sunevic) vorwirft, dass das seine Schuld sei. Er dürfe nicht alleine rausgehen. Kurz darauf ist sie tot und lässt Joska alleine zurück.
Der kann sich und den großen Hof nicht allein versorgen, weshalb er sich auf die Suche nach einer Unterkunft macht. Bald erreicht der empfindsame Junge ein kleines Dorf, wo er aber überhaupt nicht gerne gesehen wird.
Die abergläubischen sowie einfältigen Menschen kreisen ihn ein und bedrohen ihn mit Mistgabeln. Auch ein Hund kommt ihm gefährlich nah. Dabei schreit Joska verzweifelt: "Ich will nur nach Hause! Ich will bloß zu meiner Mutter!" Das ist dem niederträchtigen Pöbel jedoch völlig egal. Er wird ausgepeitscht und dann in einem Sack verstaut zur vermeintlichen Wahrsagerin Olga (Alla Sokolova, ✝74) gebracht. Die erklärt, er habe "die Augen eines schwarzen Dämons" und führt mit gewichtiger Miene weiter aus: "Der Bursche ist Satan ergeben. Solche wie er können den Tod beschwören. Er ist ein Vampir."
Die Dörfler sind entsetzt, bekreuzigen sich und sind erleichtert, dass sie ihn kauft. Er hilft ihr bei Ritualen und Heilerinnen-Tätigkeiten, bis er selbst krank wird und sie ihn in die Erde eingräbt, sodass nur sein Kopf herausguckt. Bald kommen die Raben und hacken auf den wehrlosen Jungen ein. Doch all das ist nur der Anfang seiner langen, schmerzerfüllten Odyssee voller Schläge, Demütigungen, Vergewaltigungen und vieler anderer bestialischer Dinge...
Deutscher Trailer des tschechischen "Oscar"-Kandidaten "The Painted Bird"
Das großartige Anti-Kriegsdrama "The Painted Bird" erschafft eine zermürbende Atmosphäre
Leichte Kost ist die Romanumsetzung von Jerzy Kosinskis gleichnamigem Skandal-Bestseller mit Sicherheit nicht geworden. Marhoul und seine Crew erschaffen mit ihrer starken sowie kompromisslosen Geschichte nämlich eine zutiefst bedrückende Atmosphäre.
Die wird nur ganz selten von flüchtigen Momenten der Hoffnung durchbrochen. Ansonsten werden den Zuschauern viele der schlimmsten Seiten der Menschheit vor Augen geführt. Joskas Lage wird gnadenlos ausgenutzt, was viele physische und psychische Gräueltaten zur Folge hat.
Die werden zwar nicht alle explizit gezeigt, viel Fantasie braucht man aufgrund der eindringlichen Machart aber nicht, um sie sich vorzustellen. So leidet man emotional mit dem armen Jungen mit und fragt sich schon früh: Wie viele Missbräuche kann ein Mensch ertragen, bevor er daran zerbricht?
Joska hält einiges aus, doch natürlich hinterlassen die furchtbaren Taten mit der Zeit erkennbar ihre Spuren, was von den Machern genau so gewollt und exzellent inszeniert worden ist. Es geht nämlich auch darum, wie man sich durch solche traumatischen Erlebnisse verändert. Diese schockierenden Sequenzen werden zwar über einen Zeitraum von fast drei Stunden verteilt gezeigt, doch auch in den weniger bestialischen Szenen ist die Stimmung oft zermürbend. Das ist allerdings keineswegs negativ einzuordnen, sondern positiv.
Schließlich geht es in diesem kompromisslosen und geradlinigen Meisterwerk genau darum. Die monströse Eigenschaften von Menschen zu zeigen. Marhoul gelingt dabei das Kunststück, den Bogen nicht zu überspannen. Mit viel Feingefühl erschafft er ein Anti-Kriegsdrama, das aufgrund seiner inhaltlichen Qualität, aber auch dank seines edlen visuellen Stils lange nachhallt. Der Film wurde komplett auf 35 Millimetern in Cinemascope und Schwarz-Weiß gedreht, was die Atmosphäre zusätzlich verstärkt. Cineastisch ist der Anspruch ebenfalls hoch.
Originaltrailer zu "The Painted Bird" mit Udo Kier, Stellan Skarsgard, Harvey Keitel und Barry Pepper
"The Painted Bird" gewann 19 Filmpreise und war für 21 weitere nominiert
Die ruhige Kameraführung von Vladimir Smutny (79, "Dark Blue World") erschafft unzählige beeindruckende Bilder, die sich einprägen, was auch mit dem detaillierten Szenebild und den erstklassig ausgesuchten Locations zusammenhängt, die sich nahtlos einfügen und die Handlung sehr gut untermalen.
Auch der stimmige Score, die exzellente Ausstattung, der kluge Schnitt und die zeitversetzenden Kostüme sind Pluspunkte dieses im positiven Sinne eigenwilligen Werkes.
Das besticht aber vor allem durch die Erzählung, das vielschichtige Drehbuch, die Dialoge, aber auch die vielen stillen Momente, in denen ausschließlich auf die fantastische Bildsprache gesetzt wird. So ist die Story zwar einerseits stringent, lässt andererseits aber viel Raum für Interpretationen. "The Painted Bird" zeigt nämlich auf hintergründige Weise, wie es über die Jahrhunderte so viele Kriege, Massaker und Genozide geben konnte.
Ob Aberglaube, Perversitäten, obskure Weltanschauung, fehlende Um- und Weitsicht vieler Personen, mangelnde Reflexionsfähigkeit, die Angst vor Fremden bzw. einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder der Machtrausch des kleinen Mannes/der kleinen Frau: Marhoul arbeitet viele brisante Themen in seine tiefschürfende Umsetzung ein, ohne sie zu überfrachten. Deshalb wurde sie völlig zu Recht mit 19 Preisen ausgezeichnet und war für 21 weitere nominiert.
So gewann "Der bemalte Vogel" 2020 insgesamt zehn Böhmische Löwen von der Tschechischen Film- und Fernsehakademie, wurde auch beim renommierten Festival von Venedig mit dem UNICEF-Award bedacht und in Chicago mit dem Preis für die beste Kameraführung. Schade, dass "The Painted Bird" es im vergangenen Jahr zwar in die "Oscar"-Vorauswahl schaffte, am Ende aber nicht zu den fünf final nominierten Werken zählte. Gegen "Parasite", "Die Wütenden" und "Corpus Christi" hätte er aber vermutlich eh keine Gewinnchance gehabt.
Udo Kier, Stellan Skarsgard, Harvey Keitel und Barry Pepper heben das Niveau von "The Painted Bird" an
Ein weiterer Pluspunkt des Dramas ist die Besetzung. Mit dem deutschen Darsteller Udo Kier (76, "Iron Sky: The Coming Race"), dem schwedischen Hollywood-Star Skarsgard ("Fluch der Karibik 2"), US-Legende Harvey Keitel (82, "Pulp Fiction") und Scharfschützen-Veteran Pepper (51, "Der Soldat James Ryan) wurden trotz geringen Budgets gleich vier international bekannte Künstler an Bord geholt, die dem Film wahrlich guttun.
Die Entdeckung schlechthin ist aber der zuvor völlig unbekannte Kotlar (14), der seine schwierige Rolle mit all ihren Facetten erstaunlich gut meistert. Er musste vor dem Dreh sogar psychologische Tests durchführen, um sicherzugehen, dass ihn die Erlebnisse nicht verstören.
Auch davon abgesehen ist die Entstehungsgeschichte interessant. An sich sollte Polen involviert werden, doch da die ländliche Bevölkerung extrem negativ dargestellt wird, entschieden sich alle Produktionsfirmen und Vertriebe des Landes gegen eine Mitarbeit. Unter anderem deshalb dauerte es zehn Jahre, bis Marhoul den Film finanziert bekam, wobei Skarsgard den künstlerischen Anspruch über sein Gehalt stellte und lediglich 100 Euro bekam - sowie eine Umarmung vom Regisseur, dem das alles deutlich einfacher machte.
Der traf für die Originalfassung aufgrund der Kontroversen übrigens eine interessante Entscheidung. Es ist nicht etwa Polnisch zu hören, sondern ein Mischmasch aus allen slawischen Sprachen. Auch wird nie erwähnt, wo genau die Handlung spielt. Gut so, denn sie funktioniert auch so bestens! Für viele Zuschauer war sie allerdings zu heftig. Bei der Weltpremiere strömten Teile des Publikums weit vor dem Ende aus dem Saal, weil sie die Brutalität und Härte der Story nicht ertrugen.
So ist "The Painted Bird" aufgrund der Gräueltaten zwar ein Skandalfilm geworden, überzeugt andererseits aber mit einer düsteren Geschichte und kompromisslosen Inszenierung. Wer diesem 169 Minuten langen Epos mit all seinen barbarischen Sequenzen emotional standhalten kann, der wird mit einem Ausnahmewerk belohnt, dessen poetische Schönheit im krassen Kontrast zu der entsetzlichen Story steht.
Titelfoto: PR/Drop-Out Cinema eG