"Sibyl - Therapie zwecklos": Heiße Sex-Affäre droht Filmdreh zu zerstören
Deutschland - Filme über Seelenklempner gibt es wie Sand am Meer. Doch Regisseurin Justine Triet wendet sich in ihrer bitterbösen Komödie "Sibyl - Therapie zwecklos" ab vom altbekannten Klischee und überrascht die deutschen Kionogänger ab 16. Juli mit so manch unerwarteter Wendung.
Sibyl (Virginie Efira) reicht's! Die ausgebildete Therapeutin will ihre Psychoanalytikerpraxis an den Nagel hängen, um sich ihrer alten Leidenschaft, dem Schreiben, zu widmen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, entlässt sie ihre langjährigen Patienten.
Nur bei einer macht sie eine Ausnahme: Die junge Margot (Adèle Exarchopoulos), die Sibyl mit einem verzweifelten Anruf um Hilfe bittet, hat es ihr angetan.
Margot, eine aufstrebende Schauspielerin, wurde kurz vor den Dreharbeiten ihres ersten großen Filmprojekts schwanger – von Igor (Gaspard Ulliel), Hauptdarsteller des Streifens und Lebenspartner von Regisseurin Mika (Sandra Hüller).
In dem turbulenten Leben der jungen Frau wittert die scheidende Therapeutin die perfekte Story für ihr Buchprojekt.
Obwohl sie befürchtet, nicht die nötige Distanz wahren zu können, lässt sie sich auf die Schauspielerin ein und fliegt sogar ans Filmset nach Stromboli, als sie darum gebeten wird.
Doch dann droht der große Eklat...
"Sibyl - Therapie zwecklos" beeindruckt mit erstklassigen Schauspielleistungen von Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos und Sandra Hüller
Der Einstieg in "Sibyl - Therapie zwecklos" ist nicht gerade einfach. Zu Beginn reiht Regisseurin Justine Triet durch kurze Schnittabfolge eine Szene an die nächste.
Erinnerungsfetzen mischen sich mit der Gegenwart. Nicht immer ist sofort erkennbar, zu welchem Zeitpunkt die Handlung gerade springt.
Mit fortschreitendem Plot lässt dies aber nach und Triet geht zu einer größtenteils linearen Erzählweise über.
Auch wenn man nicht sofort durchblickt, wer hier welches Problem oder welchen Schmerz aus der Vergangenheit mit sich herumträgt und wie das alles zusammenhängt, so gelingt es dem Film doch, seine Zuschauer ab der ersten Sekunde in den Bann zu ziehen.
Dies liegt vor allem an dem erstklassigen Drehbuch, das mittels starker Dialoge und kleiner Details - etwa wenn Sibyl ihre E-Zigarette gegen einen echten Glimmstängel tauscht - die stetige Charakterentwicklung der Hauptfigur vorantreibt.
Sibyl dabei zuzusehen, wie sie sich von der unterkühlten Therapeutin zur sensationslüsternen Autorin entwickelt, ist nicht nur aufgrund der großartigen Leistung von Virginie Efira ein Hochgenuss, sondern bleibt wegen dem besonderen Mix aus Drama und Komödie spannend und unterhaltsam.
"Sibyl - Therapie zwecklos" ist ein gewagter Mix aus Drama und Komödie mit viel schwarzem Humor
Gleichzeitig liegt darin auch Knackpunkt, der den Film vor allem gegen Ende seiner recht kurzen Laufzeit von einer Stunde und 40 Minuten einen etwas faden Beigeschmack verleiht.
Während ernste und witzige Szenen am Anfang des Streifens noch Hand in Hand gehen und sich perfekt ergänzen, verliert sich "Sibyl - Therapie zwecklos" im letzten Drittel in zu vielen Fremdschäm-Momenten.
Hier gehen dann auch alle zu Beginn erarbeiteten Sympathien für Sibyl allmählich flöten, deren Tun man nur noch distanziert beiwohnt.
Dagegen erfüllen die anderen Figuren von Beginn an unterhaltsame, aber allzu bekannte Klischees:
Margot ist die naive Newcomerin, die vom großen Erfolg träumt und sich auf ein Techtelmechtel mit ihrem Co-Star Igor einlässt. Der selbst verliebte Schönling stürzt sich von einer Affäre in die nächste und sorgt nur für Probleme. Dessen Freundin Mika - großartig gespielt von Sandra Hüller - mimt die ehrgeizige und stets genervte Regisseurin, die um jeden Preis ihr Leinwandprojekt zum Erfolg führen will.
Das alles klingt nicht gerade neu und innovativ, kann aber dank unterhaltsamer Wortgefechte und trockenem Humor überzeugen.
Nicht unerwähnt bleiben soll die geniale musikalische Untermalung, die den Zuschauer mit ihren dramatischen Tönen auch gerne mal in die Irre führt.
Obwohl das Ende von "Sibyl - Therapie zwecklos" etwas abgeklärt und plötzlich daherkommt, kann der Film über große Teile mit cleverer Story, schwarzem Humor und ausgezeichneten Schauspielleistungen glänzen.
Titelfoto: Les Films Pelléas