"New Order - Die neue Weltordnung": Blutiger Klassenkampf mitten auf den Straßen Mexikos
Deutschland - Nichts für schwache Nerven! "New Order - Die neue Weltordnung" startet am 12. August in den deutschen Kinos und ist ein brutaler Endzeit-Thriller, dessen drastische Szenen noch lange nach Filmende nachhallen.
Das macht Regisseur Michel Franco (41, "After Lucia") gleich zu Beginn deutlich, als seine Kamera von oben auf Leichenberge filmt, während im Hintergrund immer wieder Schreie und Schüsse zu hören sind. Überall tropft Blut und neongrüne Farbe herab. Während der Zuschauer noch rätselt, schwenkt der Film zum Beginn der eigentlichen Handlung.
Mexiko-Stadt in naher Zukunft: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Während die Unterschicht den alltäglichen Kampf ums Überleben führt, igeln sie die Wohlhabenden in glamourösen Villen am Stadtrand ein.
Hierhin lädt Marianne (Naian Gonzaléz Norvind, 29, "Gotham") ihre Verwandtschaft, um die Hochzeit mit dem Star-Architekten Alan (Darío Yazbek Bernal, 31, "Crime Diaries: The Search") zu feiern.
Als die Gäste in Luxus schwelgen und sich von den Bediensteten hofieren lassen, setzt vor den Toren des Anwesens der Umbruch ein. Der ehemalige Angestellte Rolando (Eligio Melendéz, 71, "Fireflies") steht plötzlich vorm Hauseingang und bittet die Familie um eine Spende für die lebensrettende Operation seiner Frau. Anstatt ihm zu helfen, wird er einfach weggescheucht. Marianne, die die Situation bemerkt hat, fährt hinterher, um die benötigte Summe doch noch beizusteuern.
Sobald sie die Mauern ihres sicheren Heimes verlässt, muss sie mitansehen, wie die Armen zum Widerstand aufrufen und sich eine neue Ordnung auf den Straßen Mexikos formiert.
Deutscher Trailer zu "New Order" von Michel Franco mit Naian Gonzaléz Norvind
Die Charaktere in "New Order" bleiben größtenteils blass und eindimensional
Was im Anschluss in "New Order" passiert, ist weniger Spielfilm als vielmehr politischer Kommentar auf ein von Korruption und Ungleichheit geprägtes Mexiko.
Die Charaktere, die Franco im etwa halbstündigen Auftakt halbherzig einführt, sind nun nur noch dafür da, um - bis auf wenige Ausnahmen - einer nach dem anderen niedergemetzelt zu werden.
Überhaupt wirken seine Protagonisten eher wie stereotype Abziehbilder.
Zwar versucht der gebürtige Mexikaner seine Hauptfigur Marianne im Gegensatz zu ihren knausrigen und versnobten Eltern als mitfühlend und barmherzig darzustellen.
Dabei bleibt er aber oberflächlich, sodass ihr Schicksal den Zuschauer weitestgehend kaltlässt.
Mindestens genauso ärgerlich: Der Filmemacher nimmt keinen der Demonstranten näher in den Blick, zeigt sie stattdessen als anonyme Masse, die auf den Straßen randaliert.
Dabei wäre gerade ihre Perspektive ein spannender Kontrast zu Mariannes Handlungsstrang und eine Chance gewesen, einen anderen, differenzierteren Blick auf die Revolution zu liefern.
"New Order" kann vor allem wegen seiner Nähe zur Realität mitreißen
Weitaus weniger egal sind die Schreckensbilder, die "New Order" zeigt.
Spätestens wenn die Situation auf den Straßen vollends eskaliert, sich eine undurchsichtige Militärdiktatur formiert und das Ruder übernimmt, wird keine Grausamkeit von Vergewaltigung bis Folter ausgespart.
Die Szenen dreht Kameramann Yves Cape (60, "April's Daughter") mit einem derart nüchternen Blick, das sie schon fast dokumentarischen Charakter haben und den Film umso eindringlicher wirken lassen.
Denn die in "New Order" beschriebene Revolution ist in einer Zeit, in der es überall auf der Welt zu Unruhen und Umstürzen kommt, keineswegs abwegig.
Auch wenn Franco in seiner Dystopie wohl vor allem auf die Probleme in seinem Heimatland anspielt, so ist die Kluft zwischen Arm und Reich ein globales Thema. Das lässt den Film so gegenwärtig wie beunruhigend wirken.
Insgesamt ist "New Order", der im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Regie-Preis ausgezeichnet wurde, ein spannendes Gedankenexperiment geworden, das aktuelle gesellschaftliche Konflikte weiterdenkt und in einem dystopischen Schreckensszenario gipfeln lässt. Leider werden dabei die Charaktere vernachlässigt, sodass man zwar gespannt, aber auch mit einer gewissen Distanz auf die Leinwand blickt.
Titelfoto: Ascot Elite Entertainment