"Lieber Thomas": Gruppe demütigt in DDR-Kaserne kleinen Jungen mit Pinkelattacke!
Deutschland - Schwaches Drama! "Lieber Thomas" läuft am 11. November in den hiesigen Kinos an, kann aber trotz einer stark aufspielenden Besetzung und wilden Machart nicht überzeugen. Die TAG24-Kritik.
Von Beginn an dreht sich alles um den radikalen Schriftsteller Thomas Brasch (Albrecht Schuch, 36), der schon als kleiner Junge (Claudio Magno, 14) sauer ist, dass ihn sein Vater Horst (Jörg Schüttauf, 59) 1955 in eine DDR-Jugendkaserne steckt, genauer gesagt in die Kadettenschule der Nationalen Volksarmee in Naumburg an der Saale.
Dort streitet er mit seinem Bruder Klaus (Joel Basman, 31), wobei sie von einem Soldaten erwischt werden. Als Klaus befohlen wird, Thomas zu schlagen, bringt er das nicht über sich, wofür ihn die anderen Jungs nachts bestrafen, ihn gemeinsam überwältigen und auf sein Gesicht pinkeln.
Solche Ereignisse prägen Thomas und machen ihm klar, dass er lieber Autor werden will. Doch er ist auch ein sturer Rebell, der dank seines Selbstvertrauens bei Frauen wie Katarina (Jella Haase, 29), Sanda (Ioana Iacob, 41), Sylvia (Emma Bading, 23) und Bettina (Paula Hans, 34) gut ankommt, sich aber mit dem politischen System in der DDR schwertut, obwohl er sein Land liebt.
Ganz besonders mit seinem Vater streitet er sich regelmäßig, weil sie gegensätzliche Ansichten haben. Horst verrät ihn sogar, als er 1968 dagegen protestiert, dass die sowjetischen Panzer im Kalten Krieg durch Prag rollen.
Er landet im Gefängnis, wird dann jedoch nur zu einer Bewährungsstrafe als Fräser in einem Transformatorenwerk verurteilt. Glücklich ist die innerlich zerrissene Intelligenzbestie hier aber nicht...
Trailer zu "Lieber Thomas" mit Albrecht Schuch, Jella Haase, Jörg Schüttauf und Joel Basman
"Lieber Thomas" reißt emotional nicht mit und ist zu verworren
Diese Geschichte hat Regisseur Andreas Kleinert (59, "Tatort: Wo ist Mike?", "Freischwimmer", "HEDDA") leider enttäuschend umgesetzt. Zwar ist der künstlerische Anspruch im Werk des vierfachen Grimme-Preisträgers erkennbar hoch, doch es reißt emotional überhaupt nicht mit, weil es zu spröde und verworren daherkommt.
"Lieber Thomas" ist dabei kein klassisches Biopic, sondern lehnt sich lediglich an Braschs Leben an. Welche Sequenzen nur seinen Gedanken entspringen und was im Film selbst real ist, erschließt sich aber nur phasenweise und dann oft erst im Nachhinein.
So ist das Drama zwar ähnlich wild und rigoros wie die Hauptfigur geworden, ein roter Faden bzw. ein stringenter Handlungs- und Spannungsbogen fehlen jedoch, obwohl die geschliffenen Dialoge für einige nachdenklich stimmende Highlights sorgen.
Wer den in den 1980er und 90er Jahren bekannten Künstler nicht (gut) kennt, der wird hier regelmäßig fragend im Saal sitzen und kann der Story nicht bis in ihre Details folgen. Das wiederum führt dazu, dass man nach anfänglicher Neugier reservierter wird und das Geschehen fortan immer distanzierter und gelangweilter betrachtet. Je weiter der 150 Minuten lange Film voranschreitet, desto mehr schwindet das Interesse und desto langatmiger sowie zähflüssiger wird er. Das liegt leider auch an der typisch deutschen Machart.
Das andauernde Geschrei und die vielen Ausraster nutzen sich mit der Zeit ab, sodass sie bald überhaupt keine Wirkung mehr erzielen. Stattdessen fragt man sich, warum die Struktur nicht ein wenig ausgewogener gestaltet und öfter auf Subtilität gesetzt wurde. Ja, Brasch war ein exzessiv lebender Mensch mit sehr eigenwilligen Ansichten und neigte vielleicht auch zu solchen Ausbrüchen. Aber muss das so oft und vor allem so übertrieben dargestellt werden?
Albrecht Schuch und Jella Haase überzeugen in "Lieber Thomas", können den Film aber nicht retten
So gibt es zwar auch ruhige Szenen und gute Momente, das liegt aber hauptsächlich an den starken schauspielerischen Leistungen von Schuch ("Systemsprenger", "Berlin Alexanderplatz", "Schachnovelle"), Haase (Chantal in "Fack ju Göthe" 1-3, "Kokon", "Das perfekte Geheimnis"), Schüttauf ("Werk ohne Autor", "Bad Banks", "Vorwärts immer!"), Basman ("Tides", "Kopfplatzen", "Unter dem Sand") und Emma Bading ("Berlin Syndrom").
Gerade Schuch verleiht seinem Protagonisten Ambivalenz und Mehrdimensionalität, stellt erneut unter Beweis, dass er aktuell zu den besten deutschen Darstellern gehört.
Er und der Rest des guten Casts sorgen dafür, dass die Figuren grundsätzlich interessant daherkommen und es einige lichte Momente gibt. Allerdings ist die Charakterdarstellung mitunter zu sprunghaft, was am bewusst eigenwilligen Schnitt liegt, dem die Balance fehlt.
Wenigstens überzeugen die dynamische Kameraführung, das edle Schwarz-Weiß, die zeitversetzenden und atmosphärischen Locations und die aufwendigen Kostüme.
So ist "Lieber Thomas" leider kein lohnenswerter Film geworden, sondern nur etwas für Fans der Schauspieler und natürlich von Brasch selbst. Doch selbst sie sollten dieses stark auf intellektuell getrimmte Drama mit Vorsicht genießen, weil es wegen der Überlänge und fehlenden emotionalen Einstiegspunkte mitunter äußerst schwer verdaulich ist. Schade!
Titelfoto: PR/Zeitsprung Pictures / Wild Bunch Germany/Peter Hartwig