"In einem Land, das es nicht mehr gibt": Die Sehnsucht nach Freiheit in der DDR
Deutschland - Starkes DDR-Drama nach wahren Begebenheiten! "In einem Land, das es nicht mehr gibt" läuft am 6. Oktober in den deutschen Kinos an, weiß als hintergründiger und trotzdem leicht erzählter Film zu überzeugen. Die TAG24-Kritik.
Susanne "Suzie" Scholz (Marlene Burow, 22) steht im Sommer 1989 kurz vor ihrem Abitur. Zu ihrer Nachbarin Frau Heidemann (Helene Grass, 48), die ihr Bücher ausleiht, sagt sie: "Noch ein paar Wochen, dann ist diese schreckliche Schule endlich vorbei."
Denn Suzie träumt davon, endlich zu studieren, auszuschlafen, Bücher zu schreiben und zu machen, was sie will. Dazu kommt es aber nicht, weil zwei Beamte der Volkspolizei sie verhaften und bei ihr den in der DDR verbotenen Klassiker "1984" von George Orwell entdecken.
Sie hat allerdings Glück im Unglück, wie auch ihr Vater Klaus (Peter Schneider, 47) sagt. Schließlich wird sie nicht wie eine andere Person in Karl-Marx-Stadt verhaftet, sondern muss "nur" im Kabelwerk Oberspree als Zerspanungsfacharbeiterin anfangen.
Dort empfängt sie lediglich die gutherzige Gisela (Jördis Triebel, 44) mit offenen Armen und unterstützt die junge Kollegin, die allerdings Glück hat. Sie sitzt in der Tram am Fenster und wird dabei von Coyote (David Schütter, 31) entdeckt sowie fotografiert. Die Aufnahme landet im bekannten Modemagazin "Sibylle".
Suzie ergreift die einmalige Chance, entflieht ihrem Alltag als Arbeiterin der sozialistischen Produktion und wird mit der Hilfe von Rudi (Sabin Tambrea, 37), Chefredakteurin Elsa Wilbrodt (Claudia Michelsen, 53) und Coyote ein Mannequin, erlebt immer wieder Momente voller Freiheit, aber auch Augenblicke, in denen die Zwänge des politischen Systems deutlich zu spüren sind ...
Trailer zu "In einem Land, das es nicht mehr gibt" mit Marlene Burow, Jördis Triebel und David Schütter
Trailer zu "In einem Land, das es nicht mehr gibt" mit Sabin Tambrea und Claudia Michelsen
"In einem Land, das es nicht mehr gibt" ist ein starkes Drama mit komödiantischem Einschlag
Diese Geschichte hat Aelrun Goette (56) klasse umgesetzt. Das Werk der Regisseurin und Drehbuchautorin beruht auf ihrem eigenen Leben und somit auf wahren Begebenheiten. Diesen Tiefgang merkt man dem deutschen Drama mit gelungenem komödiantischen Einschlag durchgehend an.
Die Ostberlinerin hat schlagfertige Dialoge (teils in breitem Berliner Dialekt) verfasst, ihre Charaktere hintergründig ausgeschrieben und ihnen Eigenheiten gegeben, durch die der Wiedererkennungswert hoch ist. So haben auch Nebenfiguren wie der lässige Coyote oder der vielschichtige Rudi Substanz.
Das wiederum führt dazu, dass man emotional mitgehen kann und mit einer bewegenden Handlung belohnt wird, die im besten Sinne an französische Filme – etwa "Wie im echten Leben" oder "Das Ereignis" – erinnert.
Denn Goette erzählt hier durchaus schwierige Themen auf erstaunlich leichte Weise. Beispielsweise die Sehnsucht nach individueller Freiheit in einem politischen System, das diese nicht zulässt, und die damit einhergehende innere Zerrissenheit, da man sich verstellen muss, um unbehelligt zu bleiben. Trotzdem gibt es immer wieder Momente, in denen sich die Charaktere ausleben dürfen. Außerdem baut sie mit ihrem exzellent agierenden Cast regelmäßig amüsante Szenen und gefühlvolle zwischenmenschliche Szenen ein.
Dazu arbeitet die Künstlerin die Motive und den Zwiespalt ihrer Hauptprotagonistin gekonnt heraus. Diese Ausgewogenheit hat zur Folge, dass "In einem Land, das es nicht mehr gibt" bewegt und man sich mit Suzie und ihren Freundinnen sowie Freunden identifizieren kann.
Marlene Burow überzeugt als Leading Lady "In einem Land, das es nicht mehr gibt"
Die rebellisch angehauchte Storyline wird dabei mit einer angemessenen Tonalität erzählt - mal subtil, mal etwas draufgängerischer und lauter. Das passt auch gut zu Suzie. Dank dieser Authentizität löst der Film in den entsprechenden Sequenzen sogar das sehnsuchtsvolle Freiheitsgefühl aus, das die Figuren auf der Leinwand gerade empfinden.
Auch visuell lohnt sich ein Gang ins nächstgelegene Lichtspielhaus, weil die Kostüme, das Make-up und die Frisuren abwechslungsreich und detailliert gestaltet wurden, die Locations vielfältig sind und man optisch deshalb einiges geboten bekommt.
Das Herz und die Seele des Dramas ist allerdings Suzie, die von Burow ("Wunderschön") großartig verkörpert wird, weil sie facettenreich und auch mimisch ausdrucksstark agiert. So trägt die 22-Jährige "In einem Land, das es nicht mehr gibt" scheinbar mühelos und empfiehlt sich mit ihrer Leistung für weitere Hauptrollen.
Zwar gibt es während der 100 Minuten Laufzeit kleinere Durchhänger, das ist bei der hohen Qualität und den vielen Stärken des Werkes aber Meckern auf hohem Niveau.
Zusammengenommen ist "In einem Land, das es nicht mehr gibt" ein starker Film über die DDR geworden, der emotional mitreißt, eine tiefschürfende Geschichte gelungen erzählt und mit Marlene Burow über eine hervorragende Hauptdarstellerin verfügt. Sehenswert!
Titelfoto: PR/Ziegler Film/TOBIS/ Peter Hartwig