"Große Freiheit": Mann hat Analsex auf öffentlichem Klo, gibt Blowjobs und wird zu 2 Jahren Knast verdonnert!

Deutschland - Der österreichische "Oscar"-Kandidat trumpft auf! "Große Freiheit" läuft am 18. November in den deutschen Kinos an und überzeugt als feinfühliges Gefängnisdrama. Die TAG24-Kritik.

Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) ist schwul und lebt seine Sexualität aus, weshalb er 1945, 1957 und 1968 erwischt und ins Gefängnis gesteckt wird.
Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) ist schwul und lebt seine Sexualität aus, weshalb er 1945, 1957 und 1968 erwischt und ins Gefängnis gesteckt wird.  © PR/Freibeuterfilm_Rohfilm

Direkt zu Beginn sind mehrere explizite Sexszenen zu sehen. Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) lässt sich auf einem öffentlichen Männerklo einen blasen, hat Analverkehr und gibt einen Blowjob.

Die Probleme: All das geschieht im Jahr 1968, als das laut Paragraf 175 noch illegal war und zu allem Überfluss werden die "Übeltäter" bei ihren sexuellen Handlungen mit versteckter Kamera gefilmt.

Im Gerichtssaal zeigt man die Videos als Beweismittel, was zur Folge hat, dass der Richter Hans für zwei Jahre in den Knast steckt. Dort ist er nicht zum ersten Mal. Er war 1945 im Zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager und wurde von den Alliierten befreit. Die überstellten ihn wegen seiner "Vergehen" in den Regelvollzug, wo er zu Viktor Bix (Georg Friedrich, 55) in die Zelle kam, einem verurteilten Mörder.

"Fast & Furious 10" sehenswert: Die Familie in Gefahr, neuer Bösewicht überrascht!
Filmkritik "Fast & Furious 10" sehenswert: Die Familie in Gefahr, neuer Bösewicht überrascht!

Als der herausfindet, dass Hoffmann ein sogenannter "Perverser" ist, greift er ihn an, bis ein Wärter ihn stoppt. Er droht Hans anschließend: "Wenn du mich anfasst, bist du tot!" Doch der abgemagerte junge Mann ist aus dem KZ schlimmere Dinge gewohnt, bleibt ruhig und gewinnt so das Vertrauen seines Zellengenossen, der Mitleid mit ihm hat, als er die eingravierte Registrierungsnummer auf Hoffmanns Arm sieht. So sticht Viktor ihm ein anderes Tattoo. Als eine Wache die Utensilien entdeckt, nimmt Hans die Schuld auf sich, was Bix Respekt abnötigt.

Denn Hoffmann wird nun in eine dunkle Lochzelle geworfen, obwohl er sich ganz ohne Licht aufgrund vieler schlechter Erfahrungen fürchtet. Viktor findet jedoch Mittel und Wege, ihm zu helfen und so entwickelt sich zwischen den beiden gänzlich verschiedenen Männern eine echte Freundschaft.

Trailer zum österreichischen Oscar-Kandidaten "Große Freiheit" mit Franz Rogowski und Georg Friedrich

Franz Rogowski und Georg Friedrich überragen in "Große Freiheit"

Zwischen Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35, l.) und Viktor Bix (Georg Friedrich, 55) entwickelt sich über die Jahre eine enge Freundschaft.
Zwischen Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35, l.) und Viktor Bix (Georg Friedrich, 55) entwickelt sich über die Jahre eine enge Freundschaft.  © PR/Freibeuterfilm_Rohfilm

Diese Geschichte hat Sebastian Meise (46, "Stillleben", "Outing") großartig umgesetzt. Dem österreichischen Filmemacher ist ein sensibles Drama über die Suche nach der eigenen Sexualität, Identität, nach intimen Beziehungen, über den Gefängnisalltag und den Sinn des Lebens geworden, das von den brillanten schauspielerischen Leistungen seiner beiden Hauptprotagonisten lebt.

Die beiden Charakterdarsteller Rogowski ("Undine", "In den Gängen", "Schwarze Milch") und Friedrich ("Nordwand", "Wilde Maus", "Stereo") sind gemeinsam eine Wucht und ein echtes Kinoerlebnis. Während ersterer seine Rolle zurückhaltend und voller Subtilität anlegt, hat letzterer den dominanteren Part inne, zeigt dabei aber - abgesehen vom Beginn - immer wieder seine Wertschätzung für Rogowskis Figur.

Die wiederum sagt wirklich nur dann etwas, wenn es nicht anders geht und beschränkt sich dabei auf wenige Worte, während Friedrich in seinem Wiener Schmäh manchmal schwer zu verstehen ist. Dieses Detail wird übrigens von den Machern gekonnt aufgegriffen, als Hans launisch zu Viktor sagt: "Du kannst immer noch kein Deutsch."

"Flunkyball" in der ARD: Ein ungewöhnlicher Film, der zu viele Fragen offenlässt
Filmkritik "Flunkyball" in der ARD: Ein ungewöhnlicher Film, der zu viele Fragen offenlässt

So kommt der Humor dank der beiden ebenfalls nicht zu kurz und sorgt in regelmäßigen Abständen für Auflockerung. Da Rogowski und Friedrich wie gewohnt auch mimisch ihre Klasse ausspielen, reißen sie die Zuschauer emotional vollends mit und in das Geschehen rein. Das ist lebendig gestaltet, wird von einer ruhigen Kameraführung und einprägsamen Einstellungen intensiv begleitet und dank des hintergründigen Drehbuchs kraftvoll.

Der durchaus rebellische Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) wird immer wieder in eine dunkle Lochzelle geworfen, doch Viktor Bix (Georg Friedrich, 55) hilft ihm mit Streichhölzern aus.
Der durchaus rebellische Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) wird immer wieder in eine dunkle Lochzelle geworfen, doch Viktor Bix (Georg Friedrich, 55) hilft ihm mit Streichhölzern aus.  © PR/Freibeuterfilm_Rohfilm

"Große Freiheit" ist ein zutiefst menschliches Gefängnisdrama mit Tiefgang

Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) ist es gewohnt, wegen seiner Sexualität verfolgt zu werden.
Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35) ist es gewohnt, wegen seiner Sexualität verfolgt zu werden.  © PR/Paname Distribution

Die vielen universellen Themen überfrachten die gediegen in 116 Minuten erzählte, aber nie langweilige Story zu keiner Zeit, sondern fügen sich nahtlos in die Handlung ein. Die ist obendrein noch zutiefst menschlich, weil die Charaktere viel Raum und Zeit bekommen, sich zu entwickeln und ihre Beweggründe verständlich zu machen.

Deshalb kann man sich voll mit den beiden geerdeten Männern identifizieren. Daran haben auch längere Plansequenzen ihren Anteil. Auch durch die empathischen und sozialen Feinheiten bleibt dieses vielfach preisgekrönte Werk durchgehend spannend und bewegend.

Daran haben die atmosphärischen Locations, die passenden Kostüme und die je nach den insgesamt drei Zeitebenen unterschiedlichen Frisuren und Bärte ebenfalls ihren Anteil.

Besonders hervorzuheben ist auch die sorgsame Storyführung, durch die "Große Freiheit" mal traurig, mal hart, aber immer poetisch daherkommt.

Wenig verwunderlich, dass der Film international bereits auf großen und renommierten Festivals insgesamt 15-mal ausgezeichnet wurde. Etwa in Cannes, Chicago, Sevilla, Athen, Sarajevo, auf der Viennale und bei den European Film Awards. Weitere Awards dürften bei der herausragenden Qualität nur eine Frage der Zeit sein.

Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35, v., 2.v.l.) und Viktor Bix (Georg Friedrich, 55, v., r.) erleben zusammen einiges.
Hans Hoffmann (Franz Rogowski, 35, v., 2.v.l.) und Viktor Bix (Georg Friedrich, 55, v., r.) erleben zusammen einiges.  © PR/Freibeuterfilm_Rohfilm

Insgesamt ist "Große Freiheit" ein Meisterwerk geworden, das dank seiner gefühlvollen Geschichte, der überragenden Hauptdarsteller und der phänomenalen Machart begeistert. Kinofans haben in dieser Woche nun die Qual der Wahl. Schließlich laufen mit "The Power of the Dog", "Das Land meines Vaters" und "Platzspitzbaby" noch drei weitere Filme an, die zu den besten Werken des Jahres zählen. So eine Leistungsdichte hat man selten!

Titelfoto: PR/Freibeuterfilm_Rohfilm

Mehr zum Thema Filmkritik: