"France": "Du musst ihn auf jeden Fall in den Ar*** fi**en!"
Deutschland - Durchwachsener Film! "France" läuft am 9. Juni in den deutschen Kinos an und hat zwar seine Momente, doch vollends mag der Funke leider nicht überspringen. Die TAG24-Kritik.
Im Fokus steht die bekannte Fernsehjournalistin France de Meurs (Lea Seydoux, 36). Die Reporterin weiß, sich selbst zu inszenieren und wird deshalb auf den Straßen von Paris oft wiedererkannt. Viele machen auch in ungünstigen Situationen Fotos mit ihr.
Wenn sie aber von den Gesprächen mit ihrer Assistentin Lou (Blanche Gardin, 45) wüssten... Der Ton der beiden ist vor einer Pressekonferenz von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron (44) rau: "Du musst ihn auf jeden Fall in den Arsch ficken", so Lou zu France.
Letztere stellt dem Staatsoberhaupt die Frage, ob er für die rebellische Instabilität, die sich in Frankreich bilde, taub sei. Macron gesteht Fehler ein, wisse jedoch um die Probleme und wolle diese angehen.
Unterdessen lenkt Lou ihre Chefin mit unanständigen Sex- und Blowjob-Gesten in Richtung Macron ab. Im Fernsehen moderiert France dann eine politische Talkshow, in der es heiß hergeht, in der umkämpften Sahel-Zone ist sie außerdem für Reportagen im Kriegsgebiet vor Ort und setzt sich dabei oft gekonnt in Szene. Zudem hat sie in ihrem edlen Apartment mit Fred (Benjamin Biolay, 49) einen Mann und mit Jojo (Gaetan Amiel) einen Sohn.
Ihr Leben gerät allerdings aus den Fugen, als sie den Lieferboten Baptiste (Jawad Zemmar) unabsichtlich anfährt und verletzt. Sie kümmert sich um ihn sowie seine Familie und merkt zudem, dass sie selbst unglücklich ist. Das liegt auch daran, dass sie immer wieder ins Visier der Klatschpresse gerät. Kann ihr eine Auszeit helfen, die innere Leere zu füllen?
Deutscher Trailer zu "France" mit Lea Seydoux, Blanche Gardin und Emmanuel Macron
"France" von Bruno Dumont ist ein zwiespältiger Film geworden
Diese Geschichte hat Bruno Dumont (64, "Die feine Gesellschaft", "Jeanne d'Arc", "Camille Claudel 1915") mäßig umgesetzt. Der lauwarme Film des französischen Regisseurs lässt einen fragend zurück.
Denn während er einige starke Einzelszenen und gute Beobachtungen des Medienbereichs/der Journalisten/Journalistinnen zu bieten hat, schwächelt er andererseits genau an dieser Stelle und kratzt nur an der Oberfläche.
Auf die Arbeitsbedingungen geht er überhaupt nicht ein, weshalb er die Branche sehr verzerrt wiedergibt. Selbiges gilt für die fiktive Hauptfigur, mit der man emotional nie so richtig mitgehen kann. Dafür bleibt sie zu mysteriös, ihre Beweggründe und Backgroundstory werden nicht ausreichend beleuchtet.
Die größte Schwäche ist allerdings der fließende Schnitt ohne erkennbare Übergänge. Was sonst in vielen Fällen eine gute Idee ist, erweist sich bei "France" als Nachteil, weil das Drama deshalb ein äußerst schleppendes Erzähltempo an den Tag legt und sich die 134 Minuten Laufzeit deutlich länger anfühlen.
Glücklicherweise zieht einen der Film durch die mitunter starken und zum Nachdenken anregenden Dialoge immer wieder zurück in seinen Bann.
OmU-Trailer zu "France" mit Lea Seydoux, Benjamin Biolay und Jawad Zemmar
Lea Seydoux zeigt in "France" eine überragende Leistung und rettet den Film vor dem Untergang
Daran hat Seydoux ("James Bond: Keine Zeit zu sterben", "Die Geschichte meiner Frau", "Blau ist eine warme Farbe") entscheidenden Anteil. Die französische Ausnahmedarstellerin zeigt eine Weltklasse-Leistung, weil sie ihrer ambivalenten Figur Charme, Hintergründigkeit und vor allem mimische Vielfalt verleiht.
Dazu meistert sie mehrere emotionale Sequenzen so großartig, dass sie beeindruckt und berührt. Sie allein sorgt dafür, dass man auch an den zähen Stellen nie ganz aus dem Drama aussteigt und es vor allem ihretwegen weiterschaut.
Aber nicht nur. Auch die fantastischen Landschaften sorgen für (visuelle) Highlights. Gerade die Szenen vor dem traumhaft schönen Alpenpanorama sind imposant, wozu die exzellente Kameraführung mit ihren klugen, weiten Einstellungen viel beiträgt.
Auch davon abgesehen überzeugt sie mit sehr gut durchdachten Aufnahmen der Darstellenden. Die abwechslungsreichen Kostüme und das detailvolle Szenebild sind weitere Stärken von Dumonts Werk.
Zusammengenommen ist "France" ein zwiespältiger Film geworden, der ein verzerrtes Bild der Medienbranche zeigt. Einerseits gut beobachtet und kritisch, andererseits oberflächlich und ohne realitätsnahe Einblicke. Das und der schwache Schnitt sorgen für langatmige Szenen. Seydoux, schlagfertige Dialoge, wunderschöne Orte und die intelligente Kameraarbeit werten das Drama hingegen auf.
Titelfoto: PR/R. Arpajou/3B PRODUCTIONS