"Der Mauretanier" entlarvt perverse US-Folter-Methoden in Guantanamo!
Deutschland - Erschütternd! Das preisgekrönte englische Drama "Der Mauretanier" läuft bereits ab 10. Juni in den geöffneten deutschen Kinos und behandelt eine brutale Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht.
Im Mittelpunkt steht Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim), der im November 2001 eine Hochzeit in Mauretanien besucht und dabei anfangs viel Freude hat. Die vergeht ihm allerdings schnell, als seine Mutter (Baya Belal) ihm besorgt erzählt, dass Männer der Polizei vor der Tür auf ihn warten und ihn mitnehmen wollen.
Er darf sich zwar noch von ihr verabschieden und sich umziehen, muss sich dann aber fügen. Slahi ahnt noch nicht, welche Höllenqualen ihm bevorstehen. Die USA glauben aufgrund eines verdächtigen Telefonanrufs nämlich, dass er der Drahtzieher der Terroranschläge von 9/11 sei und in Deutschland zudem Leute für Al-Qaida angeworben hätte.
So wird Slahi erst nach Jordanien verschleppt, anschließend nach Afghanistan und schließlich nach Guantanamo Bay, wo er jeweils ohne Anklage festgehalten wird. Über Emmanuel (Denis Menochet) bekommt im Februar 2005 auch die Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Nancy Hollander (Jodie Foster) Wind von dem Fall und übernimmt diesen gemeinsam mit ihrer jungen Kollegin Teri Duncan (Shailene Woodley). Zu ihrem Gegenspieler wird Lt. Colonel Stuart Couch (Benedict Cumberbatch) aufgebaut, der Slahi anklagen und im Idealfall zum Tode verurteilen lassen soll.
Hollander und Duncan müssen viele Hürden überwinden, doch das ist nichts gegen das, was Slahi erleiden muss. Er wird 18 Stunden am Tag verhört, was aber zu keinem nennenswerten Ergebnis führt. Daher verschärft das US-Militär die Methoden: Waterboarding, eine eiskalte Zelle, dröhnend laute Heavy-Metal-Musik, wüste Beschimpfungen und Sex gegen seinen Willen, die perverse Fantasie kennt keine Grenzen. Hauptsache, der Gefangene wird gebrochen und gesteht...
Deutscher Trailer zu "Der Mauretanier" mit Tahar Rahim, Jodie Foster und Benedict Cumberbatch
Englischer Originaltrailer zu "The Mauritanian" von Kevin Macdonald mit Shailene Woodley
Kevin Macdonald erschafft mit "Der Mauretanier" ein beeindruckendes Drama, das nachhallt
All diese Dinge musste Slahi im realen Leben durchleiden. Dennoch kam er durch den Kampf seiner Anwältinnen 2016 endlich frei - nach 14 langen Jahren in Gefangenschaft. Er verarbeitete seine traumatischen Erlebnisse in dem aufsehenerregenden Welt-Bestseller "Das Guantanamo Tagebuch", auf dem auch dieses heftige Drama beruht.
Regisseur Kevin Macdonald (53, "Der letzte König von Schottland", "Marley", "State of Play - Stand der Dinge") hat es mit viel Feingefühl umgesetzt. Dem schottischen "Oscar"-Preisträger ist dank der subtilen Herangehensweise ein eindrücklicher und wuchtiger Film gelungen, der lange nachhallt.
Dabei setzen die Verantwortlichen nur ganz am Rande auf die Karte Gewalt und Brutalität. Die Folter zeigen sie - bis auf kleine Passagen gegen Ende hin - nicht.
Das ist auch nicht nötig. Schließlich kommt die Handlung auch so kraftvoll daher und erweist sich zugleich als schwer verdauliche Kost, weil hier anhand eines Beispiels gezeigt wird, wie ein vermeintlich demokratischer Rechtsstaat versagt und einen Mann auch noch Jahre nach klaren Beweisen für dessen Unschuld festhält.
Auch aufgrund dieser Ausgangslage reißt "Der Mauretanier" von der ersten bis zur letzten Sekunde mit. Dazu beleuchtet er mehrere Seiten und lässt die Figuren nicht einfach zu Monstern verkommen, sondern nähert sich allen neutral. Er hat aber auch klare Standpunkte und setzt sich für Gerechtigkeit, Freiheit, ein starkes Rechtssystem und Demokratie ein.
Tahar Rahim zeigt in "Der Mauretanier" die beste Leistung seiner Karriere!
Dank des hintergründigen Drehbuchs können sich die Zuschauer selbst ein Bild von der großen Ungerechtigkeit machen, die Slahi widerfahren ist.
Wer ansatzweise Dinge wie Empathie empfindet, wird hier mitleiden und sich die wohl offensichtlichste Frage stellen: Wie kann so jemand danach noch halbwegs normal weiterleben? Auch dafür hat der Film einige glaubwürdige Erklärungsansätze.
Doch nicht nur die bewegende Geschichte sorgt für eine sehr dichte Atmosphäre, auch das überragende Ensemble hat daran entscheidenden Anteil.
Allen voran Rahim (39, "Ein Prophet", "Heute bin ich Samba", "The Kindness of Strangers"), der die beste Leistung seiner Karriere zeigt und seinen Charakter mit all den verschiedenen Facetten exzellent verkörpert. Ob wütend, lachend, feiernd, verzweifelt und ausgezehrt, der gebürtige Franzose verleiht seinem Protagonisten trotz aller Demütigungen Würde, Natürlichkeit und besticht zudem mit seinem Charme. Wenig verwunderlich, dass er für seine Performance unter anderem eine "Golden Globe"-Nominierung als bester Hauptdarsteller erhielt.
An seiner Seite glänzt auch Foster (58, "Das Schweigen der Lämmer", "Angeklagt", "Die Fremde in dir"), die für ihre geniale Darstellung sogar mit dem "Golden Globe" als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet wurde. Mit welcher Power, mimischer Ausdrucksstärke und Überzeugung sie ihre Figur darstellt, beeindruckt zutiefst. Cumberbatch (44, "Avengers: Endgame", "1917", "Sherlock") und Woodley (29, "Die Bestimmung", "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", "Snowden") runden den namhaften und stark auftrumpfenden Cast sehr gut ab.
Jodie Foster gewann für ihre herausragende Leistung den Golden Globe als beste Nebendarstellerin
"Der Mauretanier" wurde bei der diesjährigen "Oscar"-Verleihung komplett übergangen
Dank der großartigen Kostüme, der dynamischen Kameraführung, des brillanten Szenebilds und der abwechslungsreichen Locations werden die Schauspieler auch effektiv in Szene gesetzt und können ihre jeweiligen Stärken perfekt zur Geltung bringen.
Deshalb stört es nicht, dass es im Mittelteil auch mal die ein oder andere kleinere Länge gibt. Denn man ist zu fasziniert davon, dass der Film kein Blatt vor den Mund nimmt und die USA offen für die unlauteren Methoden kritisiert.
Das dürfte auch der Grund gewesen sein, warum dieses außergewöhnliche Drama bei den "Oscars" nicht berücksichtigt wurde. Denn qualitativ ist das nicht nachzuvollziehen.
Selbst der eine Gewinn bei den "Golden Globes" ist an sich zu wenig für ein Meisterwerk mit dieser Qualität, das zum Nachdenken sowie Diskutieren anregt und ein extrem wichtiges Thema (wieder) in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.
Zwar gab es in dieser Award-Saison viele starke und wichtige Filme, doch so aufwühlend und emotional fesselnd wie "Der Mauretanier" waren nur "The Father", "One Night in Miami" und mit minimalen Abstrichen "Pieces of a Woman" sowie "Neues aus der Welt". Auf andere Weise gut, entlarvend und unterhaltsam war der "Borat Anschluss Moviefilm".
Mehrfach nominierte Werke wie beispielsweise "Mank", "The Trial of the Chicago 7" oder "Ma Rainey's Black Bottom" konnten in dieser Hinsicht nicht mithalten. Deshalb ist es bedauerlich, dass Macdonald mit seinem Drama außen vor blieb. Man kann nun nur hoffen, dass es sein Publikum finden wird. Das wäre einfach nur verdient!
Titelfoto: PR/TOBIS Film GmbH