"Bad Luck Banging or Loony Porn": Leherin dreht Privatporno, doch Sextape landet im Netz
Deutschland - Hier ist der Titel Programm: Im Berlinale-Gewinner "Bad Luck Banging or Loony Porn", der am 8. Juli in den deutschen Kinos startet, werden gleich zu Beginn Ausschnitte eines privaten Sextapes gezeigt - Blowjob und viel nackte Haut in Großaufnahme. Wer da nicht gleich vor Schreck den Saal verlässt, bekommt eine durchwachsene Gesellschaftssatire serviert, die zu viel will und nur in Teilen überzeugt.
Der Film ist in drei Stücke aufgeteilt: In "One-Way Street", dem ersten Kapitel, wird Lehrerin Emi (Katia Pascariu, 37, "Jenseits der Hügel") vorgestellt. Sie ist nicht nur in ihrem Beruf erfolgreich, sondern führt auch eine glückliche Ehe mit ihrem Mann Eugen (Stefan Steel).
Das ändert sich, als das private Sextape der beiden im Internet, bald darauf auf den Handys ihrer Schüler und dann in der WhatsApp-Gruppe der empörten Eltern landet.
Schuldirektorin (Claudia Ieremia, 47, "Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen") beruft daraufhin einen Elternabend ein, auf dem die besorgten Erziehungsberechtigten darüber abstimmen sollen, ob Emi weiterhin ihre Kinder unterrichten darf.
An dem Tag, an dem die Versammlung angesetzt ist, läuft sie nervös durch die Straßen von Bukarest und muss feststellen, dass ihr Amateur-Porno von Unbekannten erneut auf die Website Pornhub hochgeladen wurde.
Im zweiten Teil "A Short Dictionary Of Anecdotes, Signs and Wonders" präsentiert Regisseur Radu Jude (44," Uppercase Print") ein enzyklopädisches Kompendium verschiedener Begriffe, das als Collage historischer Dokumente mit zynischen Anekdoten inszeniert ist - von Fellatio über Blondinen-Witze bis hin zu Krieg und Jesus ist hier alles dabei.
In "Teil 3: Praxis und Anspielungen (Sitcom)" wird's dann ernst für Emi. Kann sie ihre Anstellung als Lehrerin behalten und die aufgebrachten Eltern auf ihre Seite ziehen?
Original-Trailer zu "Bad Luck Banging or Loony Porn" mit Katia Pascariu
"Bad Luck Banging or Loony Porn" will provozieren, versucht dies aber allzu offensichtlich
Die Provokation ist Radu Jude mit seinem neuesten Spielfilm sicher! Denn schon in den ersten Minuten von "Bad Luck Banging or Loony Porn" geht es zur Sache: Der Zuschauer bekommt den im Titel erwähnten Porno unzensiert auf der großen Leinwand präsentiert.
Die Kamera ruckelt dabei wild umher, die Beleuchtung ist alles andere als vorteilhaft und wirft einen ungeschönten Blick auf die Körper - ganz im Stile eines Amateurpornos eben.
Dann begleitet der Film Hauptfigur Emi auf einem nicht enden wollenden Spaziergang durch die Straßen des von Corona geplagten Bukarest.
Jude hat seinen Film während der Pandemie im vergangenen Sommer gedreht und so manche Absurdität der Corona-Zeit - etwa Mund- und Nasenbedeckungen mit ulkigen Aufdrucken - eingefangen. Gezeigt werden außerdem Menschen, die sich auf offener Straße, an der Supermarktkasse oder ganz nonchalant im Vorübergehen beleidigen und dabei konsequent auf Schimpfwörter setzten, die irgendwie im Zusammenhang mit Sex stehen.
Denn darum geht es in "Bad Luck Banging or Loony Porn" permanent: Wenn die Kamera über den muskelbepackten Typen auf der Fitnessstudio-Anzeige fährt oder sich eine attraktive Dame auf einem Werbeplakat mit der Aufschrift "I like it deep" ("Ich mag es tief") lasziv über die Lippen leckt.
Jude will auf die Hypersexualisierung, die längst Einzug in unseren Alltag gehalten hat, aufmerksam machen, tut dies aber wenig subtil. Aussagekräftiger sind da die Szenen, in denen Emi etwa vom Buchhändler ihres Vertrauens sexuell bedrängt wird.
In "Bad Luck Banging or Loony Porn" bleibt Regisseur Radu Jude seinem gewohnten Stil treu
In "Bad Luck Banging or Loony Porn" bleibt Radu Jude seinem Stil treu, mischt Ernst mit Unterhaltung und packt darauf eine ordentliche Portion Humor, bei dem einem das Lachen schon mal im Hals stecken bleibt.
Im Gegensatz zu seinem großartigen Vorgänger "Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen" beschränkt er seine Kritik diesmal nicht auf einen bestimmten Bereich, sondern holt zum Rundumschlag gegen die rumänische Gesellschaft aus, bei dem aber nur jeder zweite Treffer sitzt.
Im großen Finale des Films, in dem Emi den Eltern ihrer Schüler in einer Art Schauprozess vorgeführt wird, der an Irrsinn kaum zu überbieten ist, geht es nicht nur visuell drunter und drüber.
Da bäumt sich der in Militäruniform gekleidete Leutnant Gheorghescu (Nicodim Ungureanu, 60, "The Chosen One") etwa vor der Lehrerin auf und bezichtigt sie jüdischer Propaganda.
Vom Holocaust bis zur gleichgeschlechtlichen Ehe: Immer wieder verstricken sich die Anwesenden in Diskurse, ohne dass es zu einem Ergebnis kommt. Das wirkt teilweise amüsant, stellenweise schockierend, aber am Ende dann doch äußerst unbefriedigend.
Ein wenig mehr Fokus hätte dem Drehbuch gutgetan. Darüber kann auch das unerwartete und äußerst fulminante Ende, in drei alternativen Varianten nebeneinander gestellt, nicht hinweghelfen.
Titelfoto: Silviu Ghetie / microFilm