Doku "Girl Gang" über Influencerin "leoobalys": Wenn Mädchen für Mädchen weinen

Hamburg – Einen ganz neuen Einblick in das Leben und die Arbeit einer Influencerin bietet die Doku "Girl Gang" von Regisseurin Susanne Regina Meures (45), die am heutigen Sonntag um 20 Uhr im Zeise Kino in Hamburg Premiere feiert. Über mehrere Jahre hat Meures den Alltag der Berlinerin Leonie (18) alias "Leoobalys" begleitet. Im Interview mit TAG24 verrät sie, wie der Film entstanden ist, ihre Einstellung zu den Sozialen Medien und warum Leonie es in ihren Augen so weit geschafft hat.

Regisseurin Susanne Regina Meures (l.) zusammen mit Leonie alias "Leoobalys" auf der Premiere in Berlin.
Regisseurin Susanne Regina Meures (l.) zusammen mit Leonie alias "Leoobalys" auf der Premiere in Berlin.  © Gerald Matzka/dpa

TAG24: Wie kamst Du auf die Idee, eine Doku über den Alltag eines Influencers zu machen?

Susanne Regina Meures: 2017 saß ich in einem Park und habe Mädchen dabei beobachtet, wie sie Pantomimen- und Lip-Sync-Tänze gemacht und sich dabei gegenseitig gefilmt haben. Mittlerweile kennen wir TikTok, aber damals hatte ich das Gefühl, dass ich ein neues Universum der Selbstdarstellung und Selbstreflektion betrete.

TAG24: Wollte Leonie sofort mitmachen oder war das ein längerer Prozess?

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Meures: Nachdem ich Leonie und ihre Eltern kennengelernt habe, fingen wir bald an zu filmen. Aber natürlich ist es immer ein Prozess. Ich hatte anfänglich geplant, einen Film über Leonie und ihre Freundinnen zu machen. Habe dann aber relativ schnell gemerkt, dass mich die Dynamiken innerhalb der Familie mehr interessieren. Trotzdem habe ich den Titel beibehalten, weil ich im Zuge dessen begriffen habe, dass die Girl Gangs von heute nicht mehr die Mädchen im Park sind, sondern die Mädchengruppen, die sich im Internet formieren.

Leonie (m.) mit ihren Eltern Andreas und Sani bei der Premiere von "Girl Gang" in Berlin.
Leonie (m.) mit ihren Eltern Andreas und Sani bei der Premiere von "Girl Gang" in Berlin.  © Gerald Matzka/dpa

TAG24: Leonies Alltag wirkt teilweise monoton, gar nicht so glamourös oder abenteuerlich. Wie hast Du den Alltag wahrgenommen?

Meures: Monoton wäre konträr zur Realität. Es passiert ja so viel! All die Events, Termine und Angebote. Aber es ist auch viel Arbeit in den sozialen Medien erfolgreich zu sein. Was auf Instagram so Laisser-faire rüberkommt, bedeutet viel Zeit und Hingabe.

TAG24: Leonies Eltern sind Arbeitskollegen, Manager, aber gleichzeitig auch die privaten Bezugspersonen. Sie waren omnipräsent in einer Zeit, in der sich das Kind eher abnabelt. Wie hast Du diesen Konflikt als Außenstehende erlebt?

Meures: Die Elternrolle war hier natürlich nicht immer einfach. Einerseits als Eltern dem Kind Grenzen zu setzen und andererseits dann noch daran zu erinnern, dass Dinge getan werden müssen. Aber ganz ehrlich, unterm Strich habe ich nicht das Gefühl, dass dieser Familien-Alltag großartig anders ist als in anderen Haushalten mit einem pubertierenden Kind. Dort wird dann vielleicht zum Klavierunterricht oder Zimmer aufräumen ermahnt und bei Leonies Familie ist der Konflikt eben Social Media.

TAG24: In Form von Riesenfan Melanie hast Du auch noch die andere Seite porträtiert, warum war Dir das wichtig?

Meures: Es war mir von Anfang an klar, dass ich diese Außenperspektive haben möchte und vermutlich auch brauche, um überhaupt dieses Phänomen zu verstehen. Gleich zu Anfang habe ich über Leonies Account Fans gesucht, um zu schauen, wer ihr folgt. Während der ganzen Zeit habe ich mit fünf Fans gedreht, am Ende war Melanie jedoch die perfekte Repräsentantin für die große Fangemeinschaft.

TAG24: Ich fand es auch schön, dass an dem Beispiel von Melanie auch einmal die positiven Seiten von Social Media dargestellt wurden. Wie sie schlussendlich über Instagram Freunde im 'echten' Leben findet …

Meures: Es ist immer diese Verteuflung des Neuen. Ich meine, dass wir alle unseren Online-Gebrauch selbstdiszipliniert kontrollieren sollten und die digitale Welt uns zu Dopamin-Junkies gemacht hat, ist offensichtlich. Aber gleichzeitig finde ich diese Schwarz-Weiß-Malerei auch nicht richtig. Melanie hat über ein paar Jahre hinweg eine starke online Community gehabt, die ihr eine große Stütze war. Insbesondere in den Jahren, in denen sie andere Interessen hatte als ihr direktes Umfeld.

Influencerin Leonie alias "Leoobalys" in einer Szene des Films.
Influencerin Leonie alias "Leoobalys" in einer Szene des Films.  © Rise and Shine Cinema/dpa

TAG24: Wie war denn eigentlich Deine Einstellung zu Social-Media, bevor Du mit dem Film angefangen hast?

Meures: Ich würde sagen relativ unbeholfen. Ich war damals nur auf Facebook, habe aber auch nicht viel gepostet. Das war mir alles zu anstrengend. 2017 kam dann plötzlich das Wort 'Influencer' auf, es war ein neues Phänomen. Diese Entwicklung hat mich fasziniert.

TAG24: Und heute werden sie wie Superstars gefeiert. Auch bei Leonie musste ein Event aufgrund von zu großem Fan-Ansturm abgesagt werden.

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Meures: Fandoms haben ja schon immer existiert. Das, was wir noch überblicken können, sind die Beatles in den 1960ern, die Boybands in den 90ern und Nullerjahren und jetzt sind es die Internet-Stars. Jetzt weinen auch Mädchen für Mädchen. Früher waren es immer die Jungs auf der Bühne und jetzt haben wir Mädchen, die für ihre Mädchenidole in Ohnmacht fallen.

TAG24: 86 Prozent der Teenager wollen Influencer werden, das ist eine enorme Zahl. Worin liegt in Deinen Augen der Reiz und findest Du diesen Trend gefährlich?

Meures: Von außen sieht es glamourös und nach schnellem Geld aus. Ich bin mir sicher, dass das zwei der größten Anreize sind. Ob ich das jetzt kritisch sehe? Ich denke eher nicht, da ich nach dem Film selber erst begriffen habe, wie viel Arbeit es ist. Man wird nicht von heute auf morgen InfluencerIn. Ich glaube, das über einen längeren Zeitraum durchzuziehen, schaffen nur die wenigsten.

TAG24: Warum glaubst Du, hat es Leonie geschafft?

Meures: Leonie war schon immer, egal ob jetzt in der Schule oder beim Fußball, sehr ambitioniert und zielstrebig. So hat sie auch gleich zu Anfang ihrer Social Media Karriere, durch ihre kreativen und lustigen Posts schnell viele Follower gewonnen. Das ist natürlich ein enormer Ansporn.

TAG24: Da hat ihr die Unterstützung ihrer Eltern bestimmt auch geholfen.

Meures: Absolut. Ihre Eltern sind eine sehr große Stütze. Insbesondere seit sie Leonies Management übernommen haben. Zu dritt koordinieren sie Aufträge und beraten über die nächsten Schritte. Die drei halten zusammen. Leonie ist ja mittlerweile 18 Jahre alt, aber ich denke nicht, dass sie so schnell ausziehen wird.

TAG24: War es schwierig für die Familie, sich Filmen zu lassen, ohne am Ende die Kontrolle über das Material zu haben?

Meures: Ich glaube, wir haben ein gutes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Es war natürlich trotzdem so, dass ich nicht einfach im Haus rein- und rausspaziert bin, sondern wir hatten klare Drehzeiten, sodass es für Leonie nicht zu viel wurde. Ich kann nur immer wieder sagen, wie sehr ich den Mut, die Offenheit und die Ehrlichkeit der Familie schätze. Das findet man heutzutage gerade bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, nur noch sehr selten.

TAG24: Diese Art von Film gab es vorher ja auch noch nicht …

Meures: Viele Filme über Social Media sind didaktisch und mit erhobenem Zeigefinger erzählt. Das wollte ich nicht. Ich wollte das Phänomen möglichst unvoreingenommen beobachten und die Geschichte aus dem Zentrum heraus erzählen.

"Girl Gang" ist am 20. Oktober in den deutschen Kinos gestartet.

Titelfoto: Rise and Shine Cinema/dpa

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