"Die Känguru-Chroniken": Das coolste Beuteltier scheitert an den eigenen Gags

Deutschland - Diese Filmkritik ist ein Anti-Terroranschlag des asozialen Netzwerkes. Nun, so könnte das Beuteltier selbst die Rezension zu "Die Känguru-Chroniken" beginnen.

Liebevoll animiert und knallhart mit den Sprüchen: Das Känguru.
Liebevoll animiert und knallhart mit den Sprüchen: Das Känguru.  © X Filme, X Verleih

Allerdings fehlt dazu Zeit, schließlich muss es neben einer Kolumne bei "Zeit Online" gerade auch Promo für die Verfilmung des Bestsellers von Marc-Uwe Kling (38) machen, die am Donnerstag ihren Bundesstart feiert.

Marc-Uwe Kling hat mit seiner Känguru-Tetralogie, also den vier (Hör-)Büchern, deutsche Humor-Unterhaltung für viele Fans auf eine neue Stufe gehoben. Er selbst spricht, wie wir es von den Audiofassungen seiner Werke gewohnt sind, den tierischen Protagonisten auf der Leinwand.

Den Berliner Kleinkünstler, also im Buch der Ich-Autor Kling selbst, bei dem der Australien-Export Unterschlupf findet, spielt Dimitrj Schaad ("The Love Europe Project").

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Weitere bekannte Charaktere sind die türkischen Freunde Friedrich-Wilhelm (Adnan Maral, "Türkisch für Anfänger") und Otto-Von (Tim Seyfi, "Heiter bis tödlich: Koslowski & Haferkamp"), Kneipen-Besitzerin Herta (Carmen-Maja Antoni, "Krauses ..."-Filmreihe) sowie als Love Interest von Marc-Uwe, die alleinerziehende Mutter Maria (Rosalie Thomass, "Eine ganz heiße Nummer") sowie ihr Sohn Jesus. Und Schnapspralinen.

Als Antagonist treten vor allem der rechtspopulistische Bauunternehmer Jörg Dwigs (Henry Hübchen, "8 Tage") und die symbolischen vier Nazis in Erscheinung. So gesehen trifft man also auf zahlreiche feste Bestandteile der Buchvorlage.

Die Geschichte selbst weicht zwar deutlich vom literarischen Ursprung ab, dies fällt jedoch nicht auf, da etliche Anspielungen, Pointen, Sprüche und Dialoge aus den Schriftwerken übernommen wurden - und es doch neue Elemente zu entdecken gibt.

Zu hohe Schlagzahl auf zu kurze Zeit

Marc-Uwe, das Känguru und Maria (v.l.) schleichen sich auf die Privatparty den Bösewichts Jörg Dwigs.
Marc-Uwe, das Känguru und Maria (v.l.) schleichen sich auf die Privatparty den Bösewichts Jörg Dwigs.  © X Filme, X Verleih

Fassen wir die Handlung spoilerfrei und knapp zusammen: Ein kommunistisches sprechendes Känguru zieht bei einem Kleinkünstler ein. Der Bauunternehmer und Spitzenpolitiker der Partei AzD ("Alternative zur Demokratie") möchte das heruntergekommene aber liebgewonnene Viertel der dort lebenden Protagonisten abreißen, um dort einen gigantischen Baukomplex zu errichten.

Diese versuchen sich zu wehren, gründen das "asoziale Netzwerk" und machen mit Anti-Terroranschlägen auf sich aufmerksam.

Der große Unterschied zu den Büchern: die Vorlage ist in Episoden unterteilt, auf der Leinwand wird eine zusammenhängende Geschichte aufgebaut.

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Und genau das ist das Hauptproblem des Filmes - zumindest wenn man die (Hör-)Bücher kennt. Wenn man diese nicht kennen sollte, wirkt das Ganze etwas anders - dazu aber später.

Der aktuelle Bestseller des Autoren Marc-Uwe Kling, "QualityLand", wird inzwischen von HBO zur TV-Serie adaptiert - obwohl das Original einer stringenten Handlung folgt. Auch bei "Die Känguru-Chroniken" hätte ein Serien-Format vermutlich sehr viel besser funktioniert. Der Film wirkt unruhig, gehetzt, man will viele bekannte Gags einbauen, jedoch auch Neues liefern, teilweise bleibt keine Zeit, Pointen wirken zu lassen.

Das Ganze wird in einen Standard-Baukasten für Filme gepresst: unzertrennliches Duo, Bösewicht taucht auf, Probleme meistern, Bruch zwischen den beiden Hauptfiguren, das Böse gewinnt die Oberhand, Versöhnung, das Böse wird besiegt - nebenbei eine Love Story. Genau an diesem eiligen Abspulen einer 08/15-Formel mit oberflächlichen Figuren krankt der Film. Man fragt sich, ob man versehentlich in eine Neuauflage von "Die Wilden Kerle" geraten ist.

Am besten funktionieren die neuen Lacher. Der Anruf bei der Polizei beispielsweise oder die Referenzen auf popkulturelle Film-Klassiker - denn die sind in dieser Form neu und müssen daher handwerklich sauber erzählt werden.

Prädikat: witzig! Wenn man alle Hintergründe kennt

Im Gegensatz du den Büchern kommt das Beuteltier im Film nicht immer heil aus allen Situationen raus.
Im Gegensatz du den Büchern kommt das Beuteltier im Film nicht immer heil aus allen Situationen raus.  © X Filme, X Verleih

Wenn man die Känguru-Chroniken gelesen/gehört hat, freut man sich zwar über das Auftauchen vieler Elemente im Film - man ist aber auch schnell übersättigt.

Wie wirkt jedoch das Ganze auf eine Person, die ohne Vorkenntnisse diesen Film sieht? Das konnte ich zum Glück dank einer Begleitung im Kinosaal direkt abfragen.

Als deutsche Komödie funktionieren die Sprüche - sofern die Schauspieler ausreden dürfen, ohne dass ihnen während der Pointe ins Wort gefallen wird - einwandfrei.

Allerdings müssen auch zahlreiche Witze von Kinosessel zu Kinosessel erklärt werden - weil eben das Hintergrundwissen aus den Büchern fehlt. Dennoch wurde ein positives Fazit gezogen und die Hörbücher auf eine zeitnahe To-Do-Liste gesetzt.

Als Fazit eines bekennenden Fans der Vorlage bleibt mir folgendes Urteil zu fällen: Das Känguru ist sehr liebevoll und passend animiert und man schließt es sofort ins Herz. Auch ist es nicht mehr der scheinbar unbesiegbare Held - was der Erzählung nicht schadet.

Natürlich wissen wir, dass Film und Buch unterschiedliche Medien sind, die unterschiedlich funktionieren und nicht verglichen werden sollten. Eigentlich. Aber dann muss man auch die Geschichte sauber und neu erzählen und sollte vielleicht nicht eine Mischung aus Fan-Service-Flatrate und schlecht aufgewärmter Gags liefern, die voraussetzen, die Geschichten bereits zu kennen.

Der Film ist - trotz eines animierten Helden zum Verlieben - absoluter Durchschnitt. Sollte es, so wie als Schluss-Gag angedeutet (kapiert man jedoch auch wieder nur, wenn man die Bücher kennt), einen zweiten Teil geben, bleibt zu hoffen, dass man sich neu besinnt. Fazit: 5 von 10 Schnapspralinen. Doch um den Fans Hoffnung zu lassen - in den (a)sozialen Netzwerken wird der Film von Vorpremierenbesuchern mit viel Liebe überschüttet. Oder anders: "Viel Schönes dabei."

Titelfoto: X Filme, X Verleih

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