Bombshell: "Läuft im Beruf nicht alles rund, mach's mit dem Mund"!
Deutschland - Wichtiger Film! Das Politdrama "Bombshell - Das Ende des Schweigens" behandelt die Geschichte von Fox-News-CEO Roger Ailes (John Lithgow), der über viele Jahre hinweg Frauen sexuell belästigte und nötigte, dafür aber erst spät zur Rechenschaft gezogen wurde.
Auch die erfolgreiche Moderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) war seinen unmissverständlichen Avancen ausgesetzt.
Sie ließ ihn zwar geschickt abblitzen, blieb Ailes aber dennoch viele Jahre treu, weshalb es ihr nicht zuletzt der Machtmensch ermöglichte, an die Spitze des Senders aufzusteigen.
Sie wurde "das Gesicht von Fox News". Doch nicht nur sie steht im Mittelpunkt, auch Gretchen Carlson (Nicole Kidman) ist im Fokus, die jahrelang von Ailes angemacht wurde und alles mitschrieb, am Ende sogar mit einem Diktiergerät aufnahm, was er zu ihr sagte.
Ein Beispiel für das Vorgehen des CEO: als sie einmal ungeschminkt moderierte, kam Ailes wutentbrannt nach der Sendung ins TV-Studio und sagte tobend: "Niemand will sehen, wie sich eine Frau mittleren Alters durch die Wechseljahre schwitzt - nicht im landesweiten Fernsehen!"
Sprüche solcher Art bekommen die Frauen in "Bombshell" reihenweise ab. So wird immer wieder der abwertende Satz "läuft es im Beruf nicht rund, mach's mit dem Mund" gesagt. Dazu wird einer Dame auf dem Gang dann auch schon mal der Hinweis gegeben, dass sie ein kürzeres Kleid anziehen soll.
Denn Ailes setzt seine Moderatorinnen auf einen freistehenden Stuhl, durch den die Zuschauer freien Blick auf die nackten Beine der Damen haben - ein entscheidendes Detail, das zum großen Erfolg des Senders beigetragen hat.
Anhand von Margot Robbies Filmfigur zeigt "Bombshell", was sexuelle Belästigung für Folgen hat
Etwas naiv in dieses Machtspiel begibt sich auch Kayla Pospisil (Margot Robbie), deren Traum es von jeher war, Journalistin bei Fox zu werden. In ihrer Figur verschmelzen mehrere reale Personen miteinander.
Pospisil will aufsteigen und stellt sich deshalb unbedarft Ailes vor, der ihr gleich verdeutlicht, wie wichtig ihm Loyalität ist. Bei ihrem nächsten Gespräch fordert er sie auf, ihr Kleid hochzuziehen - ganz hoch, sodass er nahezu alles von ihr sehen kann.
Er sagt ihr, dass er diskret ist, aber nachtragend. Wenn sie nicht mitspielt, ist ihre Karriere also vorbei, bevor sie begonnen hat.
Genau das ist der Grund, warum bislang noch keine andere Frau an die Öffentlichkeit ging. Denn Ailes ist mächtig, hat gute Verbindungen und ist deshalb nur schwer anzugreifen.
Als Gretchen dann aber entlassen wird, angeblich, weil die Quote nicht stimmt, entscheidet sie sich, endlich gegen Roger vorzugehen. Doch es formiert sich bei Fox News breite Unterstützung für den Sexisten, eine Frau verteilt sogar "Team Roger"-Shirts. Nur Kelly ist auffallend still. Sie mag Roger durchaus, kennt aber auch seine abstoßenden Seiten.
Sie steckt nun im Zwiespalt. Denn Ailes gab ihr einen Platz im Fernsehen, deckte sie, als sie sich vor laufenden Kameras ein Wortgefecht mit dem damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump lieferte, der anschließend auf Twitter gegen Kelly hetzte, was zur Folge hatte, dass sie sogar Personenschutz bekommen musste.
Regisseur Jay Roach liefert mit "Bombshell" einen wichtigen Beitrag zur Sexismus-Debatte ab
Kelly versöhnt sich später live im Fernsehen mit Trump, damit das endlich aufhört. Denn der Krawallmensch braucht Fox und umgekehrt.
In Sachen Ailes beginnt sie zu recherchieren und stellt fest, dass er trotz seines hohen Alters noch immer Frauen bedrängt. So entschließt sie sich mit anderen, gegen ihn vorzugehen, was große Auswirkungen hat.
Diese komplexe Geschichte hat Regisseur Jay Roach klasse umgesetzt. Der Filmschaffende bewies bereits mit seinen letzten beiden Werken "Der lange Weg" (2016) und vor allem "Trumbo" (2015), das er ein Händchen dafür hat, politische Dramen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, gekonnt umzusetzen.
Roach ist ein extrem wichtiger Beitrag zur aktuellen Sexismus-Debatte gelungen, der zeigt, wie viele Frauen unter einem Mann, der seine Position schamlos ausnutzt, zu leiden haben. Ailes wusste nämlich auch, wie er das (lange Zeit) geheimhalten kann.
"Bombshell" deckt schonungslos seine Methoden auf, ohne ihn dabei zu dämonisieren. Er wird keineswegs nur als Monster dargestellt, sondern als Mensch mit Stärken und Schwächen. So bezahlt er zum Beispiel kranken Mitarbeitern Operationen und weiß auch ganz genau, wie Fernsehen funktioniert.
Charlize Theron und John Lithgow zeigen in "Bombshell" herausragende Leistungen
Dass er so ambivalent und authentisch herüberkommt, liegt auch an der exzellenten schauspielerischen Leistung von John Lithgow ("Cliffhanger - Nur die Starken überleben", "Planet der Affen: Prevolution", "Interstellar").
Dem seit 1972 aktiven Charakterdarsteller gelingt ein schwieriger Balanceakt. So findet man seine Figur interessant, aber zugleich auch abstoßend, was dem echten Ailes, der 2017 gestorben ist, wohl sehr nahekommt.
Dass er so mit seiner Rolle verschmelzen kann, liegt auch am überragenden Make-up, den fantastischen Gesichtsprothesen, dem famosen Styling und den genialen Kostümen, die nicht nur in seinem Fall, sondern auch bei allen anderen Charakteren eine identitätsstiftende, eigene Filmfigur sind.
Deshalb ist der "Oscar"-Gewinn in der Kategorie "bestes Make-up und beste Frisuren" verdient.
Denn die hohe Qualität hier trägt dazu bei, dass auch die anderen Schauspieler aufblühen können. Theron ("Long Shot - Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich", "Fast & Furious 8" und "Mad Max: Fury Road") verkörpert ihre tragende Rolle mühelos und arbeitet den inneren Zwiespalt von Kelly großartig heraus.
Zurecht wurde sie zum dritten Mal für den "Oscar" nominiert, den sie 2004 für "Monster" gewann, ehe sie zwei Jahre später für ihre Leistung in "Kaltes Land" unter den besten fünf landete. Diesmal hatte sie gegen Renée Zellweger (für ihre grandiose Performance in "Judy") aber keine Chance.
"Bombshell - Das Ende des Schweigens" ist ausgeklügelt, brisant und spannend
Auch Robbie ("Once Upon A Time in Hollywood", "The Wolf of Wall Street", I, Tonya") fängt die anfängliche Unbedarftheit und später die Unsicherheit, Angst und Scham ihres Charakters brillant ein, sodass man sich auch an ihre Figur emotional bindet, weshalb ihre Nominierung als beste Nebendarstellerin ebenfalls nachvollziehbar war, auch wenn sie am Ende Laura Dern ("Marriage Story") unterlag.
Da auch der Rest des namhaften Casts groß aufspielt, ist "Bombshell" alleine schon deshalb sehenswert.
Doch nicht nur. Das gewitzte Drama ist darüber hinaus auch noch flüssig und abwechslungsreich erzählt. Es gibt einige bissige und humorvolle Dialoge und Momente, genauso wie wütend machende, ernste Sequenzen, die aufrütteln und (männlichen) Zuschauern verdeutlichen, was diese Frauen alles erleiden mussten.
Roach gelingt es dabei auch dank des klugen Skripts von Charles Randolph ("The Big Short"), die verschiedenen Ansätze geschickt miteinander zu verknüpfen und ein harmonisches sowie unterhaltsames Gesamtkunstwerk zu erschaffen.
Allerdings wird ein gewisses Vorwissen vorausgesetzt, was für US-Amerikaner wohl kein Problem darstellen dürfte, für Menschen anderer Länder, die Fox News nie oder nur selten gucken und die Protagonisten daher nicht kennen, ist das hingegen ein wenig schwieriger. Doch das ist Meckern auf hohem Niveau. Denn davon abgesehen macht "Bombshell" nahezu alles richtig und liefert großartige Kino-Unterhaltung mit wichtigen Botschaften ab.