Fettes Brot geben allerletztes Konzert mit Gästen, Hits und Wehmut: "Wir sind Kulturgut wie die Beatles!"
Hamburg – Bevor sie mit ihrer Barkasse "Yasmin" von der Bühne weg in Richtung Sonnenuntergang segelten, legten "Fettes Brot" am Samstagabend noch einmal am Musikhafen der Hamburger Trabrennbahn an. Bei ihrem allerletzten Konzert im Rahmen ihres zweitägigen "Brotstock"-Festivals haben König Boris (49), Dokter Renz (49) und Björn Beton (50) ihren Abschied mit ihren größten Hits und zahlreichen namhaften Gästen gefeiert.
Tränen flossen am Ende keine, auch wenn die sechs Augen beim Blick in die jubelnde Menge glasig blitzten, doch Brote weinen bekanntermaßen nicht.
Das "Brotstock" machte auch am zweiten Abend der Abschiedskonzertreihe seinem Namen alle Ehre und überraschte die rund 25.000 Zuschauer mit zahlreichen musikalischen Gästen. Freunde der Brote, die die Hip-Hop-Band in ihrer mehr als 30-jährigen Geschichte begleitet haben.
Wie bereits am ersten Abend machten Meute, Fat Toni, Großstadtgeflüster, die Antilopen Gang mit einer Auskopplung von Danger Dans "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" den Anfang.
Zwischen Schiffscontainern und vor den Augen der Gastgeber bildeten sie ein Warm-up der Extraklasse.
Und wie es sich für ein Abschiedskonzert gehört, tauchte auch die ein oder andere alte Geschichte wieder auf. So erzählte Rapper Panik Panzer, dass Doktor Rentz ihm einmal den Tipp gab, sich bei Niedrigwasser im Geldbeutel mit Ladendiebstahl über Wasser zu halten. Genauso hätten er, Boris und Björn es am Anfang ihrer Karriere auch gemacht.
Diese begann 1992 im Kreis Pinneberg bei Hamburg. Die drei Freunde haben den deutschen Hip-Hop wohl geprägt wie kein Zweiter. Umso schwerer war es für die zahlreichen Fans, den Abschied ihrer Idole zu begreifen. Denn anstatt ihr 30. Jubiläum groß zu feiern, hatte die Band Ende vergangenen Jahres ihre Auflösung bekannt gegeben.
Für König Boris aber kein Grund für allzu große Traurigkeit, wie er am Samstag betonte. "Ich würde sagen, 20 Prozent Trauer reichen. Schließlich sind wir die Mutter aller Partybands und werden es vermutlich auch immer bleiben!"
Björn Beton über die "Fettes Brot"-Jahre: "Es war derbe!"
Fettes Brot schmissen lieber eine ebenso fette Party. Eingeheizt durch den Überraschungsauftritt der "Beginner" kochte die Menge bereits, als um kurz vor 20 Uhr König Boris, Dokter Renz und Björn Beton mit "Jein" für den ersten großen Knall des Abends sorgten.
Viele weitere folgten. Hits wie "Erdbeben", "Für immer immer", "Hamburg Calling" und die Plattdeutsch-Hymne "Nordisch By Nature" ließen die Menge ausgelassen tanzen, mitsingen und die Luft streicheln, wie "Fettes Brot" die typische wippende Armbewegungen zum Beat nannte.
Für Nostalgie war wenig Platz. Kurz blitze sie durch, als die Manager der Brote die Erfolge der Band in goldenen oder Platin-Schallplatten aufzählten oder als sich Björn Beton auf einen nach eigener Aussage 2,4 Tonnen schweren Anlegepoller stellte und seinen Weggefährten für die gemeinsame Zeit dankte.
"Ich habe die besten Typen getroffen, die das möglich gemacht haben, was ich mir niemals hätte vorstellen können. Es war derbe", so der 50-Jährige.
König Boris über den Ruhestand: "Mein Lebenslauf ist eine einzige Lücke!"
Derbe war auch die extra lange Version von "Emanuela", der Song, den wirklich jeder kenne, vergleichbar mit "Yellow Submarine", so König Boris: "Wir sind eben Kulturgut wie die Beatles."
Weitere Songs, die wirklich jeder kannte, waren die umjubelten Zugaben. Mit "An Tagen wie diesen" und – wie sollte es anders sein – "Schwule Mädchen" verabschiedete sich Fettes Brot in den Hafen des Ruhestands.
Zuvor spielten "Die Ärzte" höchstpersönlich noch ein Mini-Wunschkonzert für die Brote und brachten die Menge mit "Teenager Liebe", "Schrei nach Liebe" und "Radio brennt" zum Brodeln.
Was genau sie jetzt nach ihrem Abschied machen wollen, wissen Boris Lauterbach, Martin Vandreier und Björn Warns noch nicht, gelernt hätten sie nichts. "Ich habe nicht mal ein abgebrochenes Studium. Mein Lebenslauf ist eine einzige Lücke", so König Boris.
Wohl nicht wissend, dass sie selbst, eine laibförmige Lücke in der Musikbranche und in den Herzen der Fans hinterlassen werden, die nicht so schnell wieder gefüllt werden kann. Ein Abschied von Idolen, der dann doch zu zahlreichen Tränen bei den Besuchern führte.
Zum Glück bleibt ihre Musik, die uns alle wie Schwimmflügel über Wasser hält und uns durch stürmische Zeiten trägt. Denn die Themen ihrer Musik - wie der Kampf gegen Rechtsextremismus - könnten heutzutage nicht aktueller sein.
Die Musiker selbst haben sich am Samstag noch extra ein Glas Applaus für mögliche bevorstehende stürmische Zeiten eingeweckt: 30 Sekunden für 30 Jahre feinsten Hip-Hop.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24