Streit unter Wissenschaftlern: Neue Methode, um Baumalter zu bestimmen
Paris - Ein junger Wissenschaftler hat eine neue Methode entwickelt, um das Alter von Bäumen zu schätzen. Jetzt präsentiert er einen Baum, der das älteste Lebewesen der Erde sein könnte.
In einer Schlucht in Patagonien, an der chilenischen Pazifikküste steht ein ganz besonderer Baum, wie die Zeitschrift "Science" berichtet. Denn diese Patagonische Zypresse könnte das älteste Lebewesen auf unserem Planeten sein.
Der Baum, den die Einheimischen "Gran Abuelo" ("Ur-Großvater") nennen, ist auf jeden Fall mehrere Tausend Jahre alt, dem stimmen auch die meisten Experten zu.
Der chilenische Forscher Jonathan Barichivich, der in Frankreich forscht, ist sich jetzt allerdings sicher: "Gran Abuelo" ist definitiv mehr als 5400 Jahre alt.
"Gran Abuelo" könnte der älteste Baum der Welt sein
Ein neues Verfahren kam zum Einsatz
Doch die Sache hat einen Haken. Denn Doktor Barichivich hat ein neues Verfahren zur Bestimmung des Alters entwickelt und eingesetzt.
Dazu bohrte der Baumexperte ganz vorsichtig mit einem speziellen Bohrer, der mit einem T-förmigen Bohraufsatz ausgerüstet ist, in den vier Meter dicken Stamm. Das ist ein besonders schonendes Verfahren, der Baum erholt sich schnell davon.
Der Nachteil ist allerdings, dass so nicht bis zur Mitte des Stammes gebohrt werden kann. Die Probe, die der Wissenschaftler aus dem Stamm zog, bildet also nur ein Teil der typischen Baumringe ab.
Deswegen nutzte Jonathan Barichivich ein statistisches Modell, um die fehlenden Baumringe zu "zählen".
Ein Computer berechnete dann das Alter: 5486 Ringe - 5486 Jahre soll "Gran Abuelo" demnach alt sein.
"Gran Abuelo" steht in der Cordillera Pelada, einer weitgehend unberührten Gegend
Die Wissenschaftler sind sich uneins, wie die Ergebnisse zu deuten sind
Andere Wissenschaftler sind skeptisch. Allen voran der renommierte Dendrochronologe Ed Cook von der Columbia University.
Cook stellt gegenüber Science klar: "Der EINIZGE Weg, das Alter eines Baumes wirklich zu bestimmen ist das Zählen der Ringe, und das erfordert, dass ALLE Ringe vorhanden sind."
Professor Harald Bugmann von der ETH Zürich sieht die Sache etwas anders: "Ich vertraue Jonathans Analyse voll und ganz", meint der Baumforscher, die statistische Analyse sei ein "smarter Ansatz".
Wie auch immer der Zwist unter Wissenschaftlern ausgeht.
In einem Punkt sind sich alle einig: Einige Baum-Arten haben offenbar Anpassungen entwickelt, die sie deutlich länger leben lassen, als andere Arten. Warum das so ist, ist aber noch völlig unklar.
Für Jonathan Barichivich ist das ein Zeichen dafür, dass es noch viele "Geheimnisse da draußen im Wald gibt".
Titelfoto: Montage: 123rf/Manuel Perez Medina, 123rf/sauletas