Autos, die nie wieder stecken bleiben: Thüringer entwickelt unglaubliche Erfindung
Drei Gleichen - Mit seinem Fahrzeug im Schnee oder Schlamm stecken zu bleiben nervt, kostet Zeit, Geld und kann in Extremsituationen sogar lebensgefährlich sein. Ohne Hilfe von außen ist man machtlos, das Auto rührt sich nicht mehr vom Fleck. Doch damit ist jetzt Schluss, denn in Thüringen wurde genau für diese Fälle eine einzigartige Erfindung entwickelt.
Diese Innovation kommt nicht aus dem Silicon Valley oder wird von schillernden Unternehmern wie Bill Gates (67) oder Elon Musk (51) entwickelt. Entstanden ist dieses System im beschaulichen Ort Drei Gleichen im Landkreis Gotha.
Dort entwickelte Gründer Michael Traut das sogenannte "Traution Traktionssystem". Doch was verbirgt sich dahinter?
"Man kann praktisch nicht mehr stecken bleiben, außer in Extremsituationen. Außerdem ermöglichen die Systeme es den Fahrzeugen, über Hindernisse zu klettern", erklärte Traut gegenüber TAG24. Der Erfinder verspricht, dass sich festgefahrene Fahrzeuge in Sekundenschnelle per Knopfdruck selbst befreien können. Der Fahrer muss dafür nicht mal seinen fahrbaren Untersatz verlassen, heißt es.
Das Prinzip von Trauts Bergehilfe funktioniert wie folgt: Fahrzeug anheben, dann horizontal nach vorne oder hinten verschieben, dann wieder Fahrzeug absenken.
Schaufeln in Schlamm, Sand und Schnee, das Warten auf ein Abschleppfahrzeug und die verzweifelte Suche nach einem geeigneten Baum für die Seilwinde gehören somit der Vergangenheit an.
Erlebnis im Thüringer Wald machte Michael Traut zum Erfinder
Die Idee, ein System zu entwickeln, das das Steckenbleiben von Fahrzeugen so gut wie unmöglich macht, entstand bei Erfinder Michael Traut im Dezember 2010. Er hatte sich damals einen Jeep mit Allradantrieb und drei Differenzialsperren gekauft und fühlte sich in seinem Fahrzeug unbesiegbar. Er dachte, er "komme überall durch".
Als es einen heftigen Wintereinbruch mit viel Schnee und Minusgraden gab, kam bei ihm laut eigener Aussage der "Spieltrieb" durch. Er wollte seinen Jeep im Thüringer Wald testen. Traut setzte sich in sein Auto und bog auf dem Rennsteig in einen Waldweg ein, wie er erzählt. Dort blieb er im tiefen Schnee stecken.
Das Problem an der Sache: Es war bereits abends gegen 20 Uhr. Darüber hinaus war Traut erkältet und hatte Fieber. In der Kälte im Schnee zu schaufeln was "das Letzte, was ich brauchte". Allerdings hatte er keine andere Wahl und schaufelte rund zwei Stunden lang - vergeblich. Er bekam die Räder nicht frei, da der Unterboden aufgesessen hatte.
Da er ohne fremde Hilfe aufgeschmissen war, machte sich Traut zu Fuß auf den Weg ins nächste Dorf. Gegen Mitternacht kam der Erfinder an einer Gaststätte an und erzählte dem Wirt von seiner misslichen Lage. Der Wirt rief anschließend einen Bekannten an, der einen Radlader hatte und sich mit Traut Richtung Wald machte.
"Dort musste der Radlader sich selbst erst mal rund eine Stunde lang den Weg freiräumen, damit er nicht selbst stecken bleibt. Irgendwann war er bei meinem Auto angekommen, zog es heraus und ich konnte nach Hause fahren und kam dort in den frühen Morgenstunden an", blickt der Start-up-Gründer zurück.
Für ihn war die Situation extrem unangenehm gewesen, wie er berichtet. In der Folge ließ ihn die Frage nicht los, was "in einem anderen Land passiert wäre, in der Wildnis, ohne Hilfe weit und breit?"
Außerdem kam Traut der Gedanke, "dass es grotesk ist, dass es seit über 100 Jahren Autos gibt, die allen erdenklichen Luxus eingebaut haben. Aber stecken bleiben sie immer noch".
Start-up-Gründer Traut tüftelte jahrelang
Michael Traut wollte sein Vorhaben in Tat umsetzen und tüftelte bis 2016 an einer Schneekette, die sich selbst per Knopfdruck um das Rad legen und wieder lösen lassen sollte.
Die Idee war jedoch mit derart großen technischen Problemen verbunden, sodass er sich einem neuen Vorhaben widmete, um seine Vision in die Tat umzusetzen.
Rund sieben Jahre tüftelte er seiner Erfindung. Nun seien laut eigener Aussage "alle Probleme gelöst und alle Macken beseitigt". Während der Entwicklungsphase stellte er fest, dass der praktikabelste Ort für sein Traktionssystem der Unterboden ist. Zuvor hatte er unterschiedliche Ausführungen im Kofferraum, an der Anhängerkupplung, auf der Ladefläche von Pickup-Trucks, auf dem Dach sowie an der Seite ausprobiert.
Entwickelt wurde das System für ausnahmslos jeden Typ von Radfahrzeugen. Es gibt eine spezielle Version für Autos mit sehr wenig Bodenfreiheit, die sogar für Sportwagen, Kleinwagen und Limousinen gedacht ist, teilte Traut gegenüber TAG24 mit. Die Hauptzielgruppe sind jedoch Lkws, Traktoren, Geländewagen, Quads, Vans, Krankenwagen, Feuerwehr- und Militärfahrzeuge. Also Fahrzeuge, die oft Abseits der Straße unterwegs sind, schwierige Routen fahren müssen und es sich nicht leisten können, irgendwo stecken zu bleiben.
So funktioniert das "Traution Traktionssystem"
Installation des Systems dauert wenige Tage
Wer ein "Traution-System" in sein Fahrzeug einbauen lassen möchte, muss damit rechnen, dass Veränderungen vorgenommen werden. Beispielsweise müssen Löcher gebohrt werden. Bei einem U-System müssen die Stoßdämpfer höher gelegt werden.
Zuallererst wird jedoch der Unterboden des Fahrzeuges ausgemessen. Danach werden die Einzelteile von der Traution GmbH in Handarbeit vorgefertigt. Im Anschluss wird das System in der Werkstatt am Thüringer Standort Drei Gleichen eingebaut. Die Installation dauert laut Traut zwei bis drei Tage. Vor der Abholung bzw. Auslieferung an der Kunden wird es noch vom TÜV geprüft und eingetragen.
"Obwohl wir bei der Montage mit großer Sorgfalt vorgehen, lassen sich kleine Beschädigungen, zum Beispiel Kratzer, manchmal nicht vermeiden. Hierfür übernehmen wir keine Gewährleistung", heißt es auf der Website des Unternehmens.
Die Kosten sind abhängig von der Gewichtsklasse des Fahrzeuges. Für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis fünf Tonnen beläuft sich der Komplettpreis mit Einbau auf 9500 Euro. Bei einem dreiachsigen Lkw mit 25 Tonnen Gesamtgewicht kostet das System in Einzelfertigung 14.000 Euro. Traut betont jedoch, dass die Kosten des Systems bei einer Serienfertigung "drastisch sinken" würden.
Traut: Es fehlt der berühmte Erst-Anwender
Interesse an dem von Traut entwickelten System besteht im Militärbereich. Auch die Feuerwehr und Besitzer von teuren Wohnmobilen haben ihre Neugier bereits bekundet.
Nachfragen gab es ebenfalls von SUV- und Geländewagenfahrern, versichert Traut. Verkauft wurde allerdings noch keines der Systeme, wie er TAG24 mitteilte.
"Viele sind interessiert, aber noch traut sich keiner, es einzubauen. Es fehlt der berühmte Erst-Anwender", erklärte Traut, der seine Erfindung vor einigen Monaten öffentlich machte.
Wer allerdings viel im Gelände unterwegs ist oder sich zwangsweise auf wenig asphaltierten Straßen aufhalten muss, für den könnte das "Traution-Traktionssystem" eventuell hilfreich sein.
Titelfoto: Michael Traut - Traution GmbH