Buh-Rufe beim Besuch des Konzern-Vorstands: Chemnitzer VW-Werker fürchten um ihre Zukunft
Chemnitz - "Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen!" Mit Bannern wie diesem stimmten wütende VW-Motorenwerker den für Komponentenfertigung zuständigen Konzernvorstand Thomas Schmall (60) schon auf dem Weg von der Autobahn zur Kauffahrtei in Chemnitz auf den Empfang ein.
Unter Pfiffen und Buh-Rufen passierte er am heutigen Montag das Werkstor, um vor rund 1 100 Mitarbeitern über die Sparpläne des Auto-Riesen zu sprechen.
"Die Ankündigungen des Konzerns haben hier eingeschlagen wie der Blitz aus heiterem Himmel", sagt Betriebsrat René Utoff (53). Die rund 1900 Beschäftigten in Chemnitz haben im Gegensatz zu ihren Zwickauer Kollegen gut zu tun, arbeiten in drei Schichten, beliefern 14 Werke.
"Wir hatten vom Konzern eine Zusage, dass der Chemnitzer Standort im Rahmen der Transformation in Richtung Elektroantrieb ins Thermomanagement einsteigen soll. Das ist seit Montag hinfällig", so Utoff.
Dass VW noch im Juni 4,5 Milliarden Euro Dividende an Aktionäre ausschüttete und jetzt von Werksschließungen und betriebsbedingten Kündigungen spricht, versteht hier niemand.
"Wir waren immer ein Vorzeigestandort"
In der Versammlung erinnerten Beschäftigte Vorstand Schmall an dessen Worte beim letzten Besuch vor zwei Jahren: "Sie haben gesagt, Chemnitz hat eine Zukunft bei VW!" Ob es die gibt oder nicht, erfuhren die Motorenwerker nicht.
Noch Stunden später zum Schichtwechsel ist vielen Gesichtern die Anspannung anzusehen, darüber reden will kaum jemand.
"Ich bin 64 Jahre alt. Ich war mal sechs Jahre arbeitslos, das wollte ich nie wieder sein", sagt ein Leiharbeiter.
Heiko Seidel (45), der seit 2001 im Motorenwerk arbeitet, beschreibt eine Stimmung zwischen Ungläubigkeit und Furcht: "Wir waren immer ein Vorzeigestandort. Mir selbst machen die Ankündigungen nicht so große Angst. Aber es gibt Kollegen, da hängen Häuser dran, für die Raten zu zahlen sind. Für sie ist es gerade hart."
Titelfoto: Maik Börner