Bedrohte indigene Stämme: Sterben die Amazonas-Ureinwohner aus?
Brasilien - Im Amazonas-Regenwald ereignet sich nach wie vor eine der größten ökologischen Katastrophen des Jahres 2019 (TAG24 berichtete). Neben dem vielen Tropenholz, das den Flammen zum Opfer fällt, warnen Wissenschaftler und Aktivisten nun auch vor der sich anbahnenden humanitären Krise.
Die erhofften Regenfälle blieben bislang aus. Die Brände im Amazonas-Becken lodern unkontrolliert weiter. Neben der Gefahr für die Biodiversität warnen Forscher jetzt verstärkt vor der Bedrohung der eingeborenen Völker.
305 indigene Stämme leben laut INPE, dem Institut für Satellitenforschung, in Brasilien. 100 davon haben kaum oder keinerlei Kontakt zur Zivilisation. 36 Völker sind von den Bränden am Amazonas direkt bedroht. Insgesamt geht es um mehr als eine Million Menschenleben. "Mit jedem Tag, der vergeht, sehen wir die Zerstörung des Waldes voranschreiten - durch das Abholzen und Abbrennen unserer Bäume", sagt Handech Wakana (59), einer der Anführer des Stammes der Mura gegenüber BBC.
"Wir merken, wie sich das Klima verändert. Aber egal, was passiert, ich werde meinen letzten Tropfen Blut für diesen Wald geben", ergänzt Raimundo Praia Belem (73), der mit seinem Volk immer wieder zum Fluss zieht, um wenigstens einen Teil des Feuers unter Kontrolle zu bringen.
Wissenschaftler und Menschenrechtsorganisationen wie "Amnesty International", "Brot für die Welt" und "Rettet die Naturvölker" warnen eindringlich vor der Zerstörung der indigenen Lebensgrundlagen und der daraus folgenden Verdrängung der Ureinwohner aus dem Regenwald.
Humanitäre Katastrophe: Ignoriert Bolsonaro die Ureinwohner des Amazonas?
Brasiliens rechtskonservativer Präsident Jair Bolsonaro sieht das Ausmaß der illegalen Rodungen gelassen und verbittet sich Einmischungen aus dem Ausland. Nach seinen Plänen sollen weite Teile des Regenwalds für Landwirtschaft und Rohstoffabbau freigegeben werden.
Laut Bericht von National Geographic sprach Bolsonaro im brasilianischen TV zwar mehrfach von einer nationalen Pflicht zum Schutz des Waldes und davon, Brandstiftern sowie Kriminellen mit einer Null-Toleranz-Politik das Handwerk legen zu wollen - wirklich ernst zu nehmen sei dieses Lippenbekenntnis jedoch nicht.
Bolsonaro habe für Umweltverbände und indigene Eingeborene vor allem Verachtung übrig, behaupten Kritiker des Präsidenten. Ihre Belange sowie die mahnenden Appelle der Menschenrechtsaktivisten würden kein bisschen beachtet, heißt es. Zudem seien sie ständigen Gefahren ausgesetzt.
Die jüngsten Aufregungen ereigneten sich am 6. September, als der Arbeiter Maxciel Pareira dos Santos von einem unbekannten Killer auf offener Straße erschossen wurde. Santos arbeitete zwölf Jahre lang für die brasilianische Agentur für indigene Angelegenheiten FUNAI und war maßgeblich für den Schutz isolierter Stämme im äußersten Westen Brasiliens verantwortlich.
Der Kampf der Mura um ihre eigene Existenz dauert nicht erst seit dem Feuer, sondern schon seit Jahrzehnten an, sagen sie. Mit jedem Stückchen Regenwald verschwindet auch ein Stück ihrer Heimat.