Ukraine-Krieg, Tag 80: Moskau wirft Baerbock Dummheit vor

Lwiw (Ukraine) - Seit nunmehr 80 Tagen führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Der ukrainische Staatschef fordert noch mehr Druck des Westens auf Russland. Alle aktuellen Entwicklungen im TAG24-Liveticker.

Ein Mann fegt die Trümmer neben einem Einkaufs- und Unterhaltungszentrum in Odessa zusammen, nachdem es durch einen russischen Raketenangriff am 9. Mai zerstört wurde.
Ein Mann fegt die Trümmer neben einem Einkaufs- und Unterhaltungszentrum in Odessa zusammen, nachdem es durch einen russischen Raketenangriff am 9. Mai zerstört wurde.  © Francisco Seco/AP/dpa

Knapp zweieinhalb Monate nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) noch mehr Druck der internationalen Gemeinschaft auf Moskau gefordert.

"Mit jedem Tag des Krieges nehmen die globalen Bedrohungen zu, gibt es eine neue Gelegenheit für Russland, Instabilität in anderen Teilen der Welt zu provozieren, nicht nur hier in Europa", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Derweil aber würden in der Ukraine Männer und Frauen sterben, "die ihr Bestes geben, damit alle Menschen frei leben können", sagte Selenskyj. "Daher ist viel mehr Druck auf Russland erforderlich."

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Die Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr noch einmal im Ticker vom Freitag nachlesen. Alle aktuellen Ereignisse des heutigen Tages findet Ihr hier im Liveticker.

21 Uhr: Medwedew pfeift auf Anerkennung der Grenzziehung durch G7

Der frühere russische Staatschef Dmitri Medwedew (56) hat mit Sarkasmus und Kritik auf die Unterstützung der Ukraine durch die führenden Industrienationen (G7) reagiert.

"Sanft ausgedrückt: Unser Land pfeift auf die Nichtanerkennung der neuen Grenzen durch die G7", kommentierte er am Samstag in seinem Telegram-Kanal die Erklärung der G7-Staaten, Grenzveränderungen, die Russland mit militärischer Gewalt erzwingen wolle, "niemals" anerkennen zu wollen.

Wichtig sei in dem Fall nur der Wille der dort lebenden Menschen, so Medwedew. Seit einigen Wochen gibt es Spekulationen über Referenden in den von moskautreuen Truppen besetzten Teilen der Ukraine für einen Anschluss an Russland. Der 56-Jährige verwies einmal mehr auf Kosovo, das im Kreml als Präzedenzfall für die mögliche Verschiebung von Grenzen gilt.

Dmitri Medwedew (56) ist die Meinung der G7-Staaten egal.
Dmitri Medwedew (56) ist die Meinung der G7-Staaten egal.  © AFP/Sputnik/Yulia Zyryanova

19.45 Uhr: Türkei hat Bedenken gegen Nato-Aufnahme von Finnland und Schweden

Die Türkei hat ihre Vorbehalte gegen eine Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato bekräftigt, gleichzeitig aber Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Sein Land sei immer für eine "Politik der offenen Tür" gewesen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu (54) am Samstagabend vor Beratungen mit den Außenministern der Bündnisstaaten in Berlin. Finnland und Schweden unterstützten jedoch "Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien. Außerdem habe es wegen des türkischen Kampfes gegen diese Gruppierungen Exportbeschränkungen gegeben für Rüstungsgüter, die von der Türkei aus dem Ausland bezogen würden.

Die Mehrheit der türkischen Bevölkerung sei daher gegen eine Aufnahme dieser beiden Staaten in die Nato, "und sie rufen uns dazu auf, diese zu blockieren", sagte Cavusoglu. Über diese Dinge werde man reden müssen - "mit unseren Verbündeten in der Nato ebenso wie mit diesen Staaten".

19.30 Uhr: Weiter schwere Kämpfe in Ostukraine - aber wenig Bewegung

Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben ihre Angriffe im Osten des Landes fortgesetzt, ohne nennenswerte Geländegewinne erzielen zu können.

"Die größte Aktivität halten die Okkupanten im Raum Sloboschanske und Donezk aufrecht", teilte der Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht am Samstag mit.

Demnach bereiten die russischen Truppen Angriffe auf die Städte Sjewjerodonezk, Soledar und Bachmut vor und haben dazu zwei weitere taktische Bataillone an die Front verlegt. Mithilfe von Artillerie- und Luftunterstützung würde der Feind ukrainische Stellungen stürmen. "Er hat teilweise Erfolg in Awdijiwka", heißt es. Die Stadt gilt als ukrainische Festung und wird seit Kriegsbeginn erfolglos von den Russen gestürmt.

Weiterhin finden schwere Kämpfe in der Ostukraine statt.
Weiterhin finden schwere Kämpfe in der Ostukraine statt.  © AFP/Dimitar Dilkoff

18.45 Uhr: Finnland setzt auf Lösung mit Türkei bei Nato-Beitritt

Finnland ist zuversichtlich, dass es türkische Vorbehalte gegen seinen anvisierten Beitritt zur Nato ausräumen kann.

"Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden", sagte Außenminister Pekka Haavisto (64) am Samstag am Rande von Beratungen mit den Kolleginnen und Kollegen der Bündnisstaaten in Berlin. Er könne allerdings nicht versprechen, dass alles in einer Nacht gelöst werden könne.

Zuvor hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (68) mit ablehnenden Äußerungen zu einem möglichen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden für Unruhe im Bündnis gesorgt. "Derzeit beobachten wir die Entwicklungen bezüglich Schwedens und Finnlands, aber wir haben keine positive Meinung dazu", sagte er. Skandinavische Länder seien geradezu "Gasthäuser für Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

18.30 Uhr: Moskau wirft Baerbock Dummheit oder bewusste Irreführung vor

Russland hat die Verantwortung für die hohen Lebensmittelpreise und die Gefahr einer weltweiten Hungerkrise zurückgewiesen und auf entsprechende Vorwürfe von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) scharf reagiert.

Die Preise stiegen wegen der westlichen Sanktionen, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa (46) am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal. "Wenn man das nicht versteht, ist das entweder ein Zeichen von Dummheit oder für die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit", wandte sie sich an Baerbock.

Ein weiterer Grund für die globale Nahrungsmittelkrise liege zudem in dem Zerfall der Staatlichkeit der Ukraine - und auch dies habe der Westen zu verantworten. "Daran sind unter anderem die Vorgänger von Frau Baerbock schuld, die sich nicht nur in die Situation im Land eingemischt haben, sondern die Innen- und Außenpolitik der Ukraine per Hand gestaltet haben", behauptete Sacharowa.

Maria Sacharowa (46) wirft Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) Dummheit vor.
Maria Sacharowa (46) wirft Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) Dummheit vor.  © Montage: dpa/AP/Russian Foreign Ministry Press Service, dpa/Kay Nietfeld

17.10 Uhr: Zypern schließt offenbar einzelne Russland-Sanktionen aus

Die zyprische Regierung will weitere EU-Sanktionen gegen Russland mittragen, aber keine Maßnahmen umsetzen, die "Sanktionen gegen einen EU-Mitgliedsstaat" darstellen.

Das sagte der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades (75), am Samstag auf der Mittelmeerinsel. Konkrete Maßnahmen, um die es gehen könnte, nannte er nicht. Zypern hatte sich allerdings zuvor genauso wie auch Malta und Griechenland gegen ein Transportverbot von russischem Öl in Drittländer ausgesprochen. Die drei Staaten fürchten, dass ihre Reedereien dadurch benachteiligt sein könnten.

Zypern habe zum sechsten Sanktionspakets der EU gegen Russland "bereits einige Bedenken geäußert", sagte Anastasiades. "Was wir gesagt haben, ist, dass die Sanktionen zielgerichtet sein müssen." Richteten sich die Sanktionen eher gegen einen EU-Mitgliedsstaat als gegen den Aggressor, werde man entsprechend handeln. Auf die Frage, ob Zypern dann ein Veto gegen die Sanktionen einlegen würde, antwortet Anastasiades ausweichend. "So etwas gibt es nicht. Aber es ist möglich, dass wir einige der vorgeschlagenen Maßnahmen (...) nicht umsetzen werden."

15.33 Uhr: Lawrow beschuldigt Westen des "totalen hybriden Kriegs"

Die russische Führung hat das Handeln des Westens erneut mit Begrifflichkeiten aus dem Zweiten Weltkrieg kritisiert.

"Der kollektive Westen hat uns den totalen hybriden Krieg erklärt und es ist schwer vorauszusagen, wie lange das alles dauert, aber es ist klar, dass die Folgen alle ohne Ausnahme zu spüren bekommen", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow laut der Nachrichtenagentur Interfax am Samstag bei einer Sitzung des kremlnahen "Rats für Außen- und Sicherheitspolitik" in Moskau.

Russland habe alles getan, um eine direkte Konfrontation zu vermeiden, aber nehme die Herausforderung nun an, schließlich sei das Land Sanktionen gewohnt, erklärte Lawrow. Er kritisierte einen "steinzeitlichen Ausbruch von Russenfeindlichkeit" im Westen.

15.28 Uhr: G7-Staaten wollen Ukraine notfalls jahrelang Waffen liefern

Deutschland und die anderen G7-Staaten wollen den ukrainischen Streitkräften notfalls noch jahrelang Waffen und andere militärische Ausrüstung für den Kampf gegen die Angreifer aus Russland liefern.

"Wir werden unsere laufende Militär- und Verteidigungshilfe für die Ukraine so lange wie nötig fortsetzen", heißt es in einer von den Außenministern der Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) verabschiedeten Erklärung.

Ein Polizist einer Spezialeinheit inspiziert einen Krater nach einem Luftangriff der russischen Streitkräfte in der Region Luhansk.
Ein Polizist einer Spezialeinheit inspiziert einen Krater nach einem Luftangriff der russischen Streitkräfte in der Region Luhansk.  © Leo Correa/AP/dpa

15.26 Uhr: Keine Kampfjet-Zusage

Unerfüllt bleibt weiter der ukrainische Wunsch nach der Lieferung westlicher Kampfflugzeuge. Fragen zu weiteren Lieferungen müssten erst einmal "bis in jedes Detail" gemeinsam geklärt werden, sagte Baerbock und verwies auf eine große Verantwortung "in dieser absolut schwierigen Situation".

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt angedeutet, dass eine Belieferung der Ukraine mit immer schwereren Waffen zu einer Eskalation des Krieges und letztlich einem Atomkrieg mit Russland führen könne. Deutschland liefert seinen Angaben zufolge "immer sorgfältig abwägend auch schweres Gerät", tue aber zugleich nicht einfach alles, was der eine oder die andere gerade fordert.

15.17 Uhr: Erstes Zeltlager für Ukraine-Flüchtlinge in Prag eröffnet

In Prag ist am Samstag ein erstes Zeltlager für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eröffnet worden. Die Einrichtung im Stadtteil Troja verfügt über Betten für zunächst 150 Menschen. Mit dem Zeltlager will die Regierung die angespannte Lage am Hauptbahnhof der tschechischen Hauptstadt entschärfen, da andere Unterbringungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind.

Hilfsorganisationen klagen seit Tagen über unwürdige Zustände auf den Gängen des wichtigen Eisenbahnknotenpunkts. Dort harren viele Angehörige der Roma-Minderheit aus, die aus Transkarpatien im Westen der Ukraine stammen. Zeitungen zeigten Bilder von Kindern, die auf dem Boden schlafen müssen.

Der Prager Oberbürgermeister Zdenek Hrib stellte der Regierung inzwischen ein Ultimatum. Sollte es nicht bis Dienstag einen Plan für eine gerechte Umverteilung der Neuankömmlinge innerhalb Tschechiens geben, werde das Aufnahmezentrum in Prag geschlossen. Auf die Bevölkerung umgerechnet seien in der Hauptstadt viermal so viele Ukrainer wie in einigen anderen Regionen des Landes untergebracht.

Titelfoto: Montage: dpa/AP/Russian Foreign Ministry Press Service, dpa/Kay Nietfeld

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