Justizministerium räumt ein: Können Putin "momentan weder verhaften noch anklagen"
Berlin - Es ist nicht lange her, da kündigte Justizminister Marco Buschmann (44, FDP) an, "Putins Schlächter" vor Gericht bringen zu wollen. Doch wie genau soll das funktionieren? Seine rechte Hand Benjamin Strasser (35, FDP) erklärte TAG24 im Gespräch einen möglichen Weg. Warum dieser bei Wladimir Putin (69) aber nicht funktionieren darf...
TAG24: Marco Buschmann kündigte zuletzt an, "Putins Schlächter" vor Gericht stellen zu wollen. Wie möchte das Justizministerium ihnen auf die Schliche kommen?
Benjamin Strasser: Zunächst muss man sagen, dass Deutschland bei der Verfolgung und Anklage von Kriegsverbrechern ein weltweites Vorbild ist. Das Beispiel ist Syrien: Wir haben in Syrien in Assads Bürgerkrieg jahrelang über den Generalbundesanwalt Beweise gesammelt, zusammen mit NGOs (Nichtregierungsorganisationen, Anm. d. Red.).
Vor dem Oberlandesgericht Koblenz wurde dann erfolgreich ein Folterknecht Assads für Taten in Syrien nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip verurteilt. Das hat weltweit Rechtsgeschichte geschrieben.
TAG24: Und das wollen Sie jetzt auch mit Ukraine-Verbrechern erreichen?
Strasser: Der Generalbundesanwalt sammelt gerade wieder mit NGOs Fotos und Videos aus der Ukraine. Es ist aber eine große Herausforderung, weil wir ja erstmal nachweisen müssen, dass es echt ist und auch beweisen müssen, in welchem Kontext es entstanden ist. Das ist eine Aufgabe, die uns noch viele Jahre begleiten wird. Deshalb danken wir auch dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dafür, dass er hierfür zusätzliche Stellen beim Generalbundesanwalt genehmigt hat.
Warum die Regierung gerade mit NGOs zusammenarbeitet
TAG24: Nochmal zurück zu den NGOs: Was qualifiziert die für eine Zusammenarbeit mit dem Generalbundesanwalt?
Strasser: Es gibt NGOs wie Human Rights Watch, die ein gutes Netzwerk in die entsprechenden Staaten haben, die uns Bildmaterial zuliefern und uns erste Anhaltspunkte geben. Wir machen das nicht allein nur mit den NGOs. Der GBA sorgt beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem BAMF für eine systematische Befragung der Geflüchteten aus der Ukraine. Zusätzlich tauschen wir uns über Eurojust mit den europäischen Partnern aus.
TAG24: Das Urteil ist ja das eine. Die Kriegsverbrecher werden doch aber nicht freiwillig nach Deutschland kommen, um hier ins Gefängnis zu wandern.
Strasser: Gerade bei dem Fall am Oberlandesgericht Koblenz ist der entsprechende Mensch ausgeliefert worden. Er war aus Syrien geflohen und wir sind ihm habhaft geworden, konnten ihn daraufhin in Deutschland vor Gericht stellen. Man kann keinen Prozess in Deutschland führen, wenn der Angeklagte nicht anwesend ist.
TAG24: Eine Auslieferung ist ja jetzt von Russland nicht zu erwarten.
Strasser: Zugegebenermaßen sind die Möglichkeiten, Putin eines Tages tatsächlich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anklagen zu können, begrenzt. Er genießt als russischer Staatspräsident momentan Immunität, das heißt: Wir können ihn momentan weder verhaften noch anklagen.
Wenn er es eines Tages nicht mehr sein sollte, dann sind wir darauf angewiesen, dass ihn die neue russische Regierung ausliefert. Die Erfolgsaussichten kann jeder selbst bewerten. Aber es geht ja nicht nur um Putin, sondern auch um den Macht- und Militärelite um ihn herum. Und da zeigen uns besonders die Beispiele der Balkankriege in den 1990er-Jahren, dass man durchaus auch oberste Generäle in Den Haag vor Gericht stellen und rechtswirksam verurteilen kann. Dazu trägt die ganze Vorarbeit bei, die jetzt geleistet wird.
Russisches Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine ist eine nette Idee, aber...
TAG24: Was halten Sie eigentlich vom Vorschlag des ukrainischen Außenministers, russisches Vermögen zu beschlagnahmen und zum Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen? Ist das überhaupt möglich?
Strasser: Das ist rechtlich sehr schwierig und muss intensiv geprüft werden. Aus praktischer Sicht ist es naheliegend, das Geld einfach einzuziehen, zu verwerten und den Ukrainern zu geben.
Es ist aber leider nicht immer nachweisbar, wer beispielsweise der wirtschaftlich Berechtigte an dem Vermögenswert wie einer Yacht ist. Kein Oligarch, und Herr Putin schon gleich dreimal nicht, lässt das auf seinen Namen zu.
Da werden Strohleute vorgeschickt, denen das zwar auf dem Papier gehört, die aber gar nicht die Mittel für den Kauf, geschweige denn für den Unterhalt haben.
TAG24: Das klingt nach einem kleinen Problem.
Strasser: Es gibt immer noch einen Unterschied, ob ich etwas beschlagnahme oder es tatsächlich verwerte - also das verkaufe und den Erlös jemand anderem gebe. Das muss alles vor deutschen Gerichten standhalten.
Wir sind aber in einem ständigen Prüfprozess, wie wir die Durchsetzung der erlassenen Sanktionen verbessern können.
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