Ex-Merkel-Berater warnt: Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wäre "Weg in den Dritten Weltkrieg"
Berlin - Der ehemalige militärpolitische Berater von Altkanzlerin Angela Merkel (67, CDU), Brigadegeneral a.D. Erich Vad (65), hat sich gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Solche Lieferungen seien potenziell ein "Weg in den Dritten Weltkrieg", sagte Vad der Deutschen Presse-Agentur.
Davon abgesehen könne man komplexe Waffensysteme wie den Kampfpanzer Leopard oder den Schützenpanzer Marder nur nach jahrelanger Ausbildung systemgerecht bedienen und einsetzen, sagte Vad. Sie nützten den Ukrainern militärisch aktuell und auf absehbare Zeit also gar nichts.
"Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik - aus guter gesinnungsethischer Absicht", sagte Vad.
"Aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen."
Vad warnte davor, dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin (69), das Menschsein abzusprechen und ihn zum krankhaften Despoten abzustempeln, mit dem man nicht mehr reden könne.
So völkerrechtswidrig und furchtbar der Ukraine-Krieg sei, er stehe doch in einer Kette vergleichbarer Kriege jüngeren Datums. "Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan - so neu ist das alles nicht", sagte Vad.
Auch die viel zu vielen toten Zivilisten und die Massaker, die sich jetzt im Ukraine-Krieg ereigneten, seien leider nicht außergewöhnlich.
Die Ukraine im Vergleich mit anderen Kriegen
"Im Krieg werden Unschuldige getötet. So ist der Krieg. Das ist leider systemimmanent." Vad erinnerte an den Irakkrieg von 2003. In diesem Krieg und während der darauf folgenden Besetzung des Landes seien Hunderttausende von Zivilisten getötet worden.
"Damit verglichen, fällt Putin nicht aus dem Rahmen. Hier muss man die Kirche im Dorf lassen - so erschütternd die Bilder auch sind."
Wenn es zum Beispiel heiße, die Russen hätten eine Geburtsklinik unter Feuer genommen, dann schwinge dabei mit, dass dies absichtlich geschehen sei. "Es ist aber sicher nicht Putins Absicht gewesen - warum sollte er das tun? Er wird dafür weltweit an den Pranger gestellt. So schrecklich das ist, aber das und die Inkaufnahme tausender toter Zivilisten hatten wir im Irak, in Libyen, in Afghanistan genauso."
Die sogenannten Kollateralschäden in der Ukraine seien bisher sogar weitaus geringer als im Irak oder in Afghanistan.
Voraussetzungen für Friedensverhandlungen
Ebenso zweischneidig sei es, Putin vorzuwerfen, dass er die Ukraine und die Krim zur geopolitischen Einflusssphäre Russlands rechne. Es werde dann gesagt, dass das eine obsolete Sichtweise des 19. Jahrhunderts sei.
"Doch für die Amerikaner gilt bis heute die Monroe-Doktrin, die besagt, dass auf dem amerikanischen Kontinent keine Interventionen fremder Mächte geduldet werden. Und die Karibik ist sicherlich auch eine Einflusssphäre, nicht erst seit der Kuba-Krise."
Auch wenn man in guter Absicht die Demokratisierung der Welt vorantreiben wolle, gehe es faktisch und machtpolitisch immer auch um das Ausdehnen von Einflusssphären.
Der Sicherheitsexperte und Militäranalyst geht davon aus, dass Putin den ursprünglich von ihm angestrebten Regime-Wechsel in der Ukraine nach dem weitgehenden Abzug aus dem Raum Kiew aufgegeben habe.
"Deshalb stehen die Chancen für Verhandlungen eigentlich nicht schlecht", sagte Vad. "Beide Seiten könnten gesichtswahrend da rauskommen. Die Ukrainer haben bewiesen, dass sie ihre Hauptstadt Kiew wirksam verteidigt haben und darüber hinaus einen erfolgreichen Abwehrkampf führen gegen einen überlegenen Gegner.
Die Russen wiederum haben einige Landgewinne im Osten und an der Schwarzmeerküste erzielt. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen und für beide Seiten besser, als sich weiter in den Sumpf eines langen Krieges mit ungewissem Ausgang ziehen zu lassen."
Titelfoto: Jörg Carstensen/dpa