Bewegende Ukraine-Doku: Arte zeigt "Kriegstagebuch einer Kinderärztin"
Lwiw (Ukraine) - Seit fast einem Jahr leben Menschen vor allem in der Ostukraine in Angst und Schrecken. Was macht der Krieg mit den Ukrainern? Eine Fernsehdokumentation über eine Ärztin liefert Antworten.
Es gibt viele bewegende Geschichten aus der von Russland angegriffenen Ukraine. Immer wieder kommen bedrückende hinzu - je länger der vor fast einem Jahr begonnene Krieg dauert.
Eine erzählt Regisseur Carl Gierstorfer ("Charité Intensiv: Station 43"), der die Anästhesistin Wira Primakova in einem Kinderkrankenhaus in der westukrainischen Stadt Lwiw begleitet hat. Arte strahlt seine Dokumentation "Ukraine: Kriegstagebuch einer Kinderärztin" am Dienstag (7.2.) um 22.50 Uhr aus (dann ein Jahr in der Mediathek online).
Primakova leitet die Intensivstation der Okhmatdyt-Klinik nahe der polnischen Grenze. Gierstorfer (48) war über Wochen mit der Kamera an ihrer Seite. "Ukraine: Kriegstagebuch einer Kinderärztin" lässt die Zuschauer teilhaben am Leben einer Frau mitten im Krieg, die um ihren Mann an der Front bangt und gleichzeitig Menschenleben rettet.
"Mein Gott, das ist furchtbar", sagt die Ärztin zu Beginn des Films und schaut auf die Röntgenbilder der Zwillinge Diana und Sophia. "Hier ist die Lunge kollabiert. Das ist die Lungenentzündung."
Die beiden Frühchen sind in Kiew zur Welt gekommen. Nach dem Ausbruch des Krieges Ende Februar 2022 habe sie mit ihren Babys die ukrainische Hauptstadt verlassen müssen, erzählt Mutter Katja. Es sind Geschichten wie diese, die das Ausmaß des Krieges verdeutlichen.
Kinderärztin Primakova will sich positive Lebenseinstellung nicht nehmen lassen
Am 2. Februar 2023 steht Wira Primakova vor dem Filmtheater am Friedrichshain in Berlin. Ihr Zug hat Verspätung. Sie ist gekommen, um mit anderen Gästen zu sehen, wie der Dokumentarfilmer und Journalist Gierstorfer das Leben der Anästhesistin an dem Abend auf die Kinoleinwand bringt.
Wie sich ihr Leben im Krieg verändert habe, wird sie gefragt. "Ich habe abgenommen", antwortet sie und lacht dabei. Eine starke und lebensfrohe Frau steht vor den Kinotüren.
"Am Anfang war es schwer, weil mein Mann in den Krieg gegangen ist. Meine positive Einstellung habe ich mir aber nicht nehmen lassen", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. Vor zwei Wochen sei ihr Mann zurückgekehrt von der Front im Osten nahe der Stadt Bachmut, wo seit Monaten heftige Kämpfe toben.
Primakova ist erleichtert. Nun diene er nahe der Heimatstadt. "Ich hoffe, er bleibt auch dort." Lwiw (früher: Lemberg) ist bislang von größeren Kriegsschäden verschont geblieben.
Die einstündige Dokumentation begleitet Primakova in der Klinik, zu Hause mit ihrer Mutter, die wegen des Krieges viel weint. Aber auch betend in einer Kirche ist sie zu sehen.
Regisseur Gierstorfer möchte das Leben ukrainischer Zivilisten authentisch einfangen
Bewegend ist etwa die Szene, als ein Kind namens Wanja aus der lange umkämpften Stadt Mariupol in der Ostukraine eingeliefert wird mit einer Splitterverletzung am Rücken.
Ein anderer Junge hat bei einer Explosion schwerste Verletzungen erlitten. Nun kann er immerhin seine Zehe wieder bewegen. Welche seelischen Schäden er hat, lässt sich nur erahnen.
"Als ich das erste Mal rübergefahren bin, hatte ich sehr viel Angst", sagt Gierstorfer. "Man stellt sich vor, dass die Raketen auf einen niederhageln. Wenn man aber dort ist, dann wird alles ein Stück weit Normalität und dann verschwindet auch die Angst." Er habe nie Hass bei den Ukrainern gespürt, sondern "unglaublichen Zusammenhalt".
Ziel der Dokumentation sei es gewesen, die Normalität abzubilden, sagt der Regisseur der dpa. "Ich war nicht auf der Suche nach krassen Bildern und Geschichten. Ich wollte verstehen, wie die Zivilisten das erleben."
Primakova sagt, mit der Kamera habe sie kein Problem gehabt. Nur habe sie aufpassen müssen, nicht mehr so viel zu fluchen, sagt sie und lacht herzlich.
Was sie sich wünscht? "Ich möchte, dass die Ukraine gewinnt in diesem Krieg, wir wieder unseren Alltag zurückbekommen, die Kinder nicht mehr im Keller Zuflucht suchen müssen."
Titelfoto: Kateryna Klochko/AP/dpa, Christian Thiele/dpa