Mitarbeiter-Streik vor Hagenbeck gestartet: "Der einzelne Mensch ist hier nichts wert!"
Hamburg – Rund 40 Personen haben sich am heutigen Montag zum Auftakt des ersten unbefristeten Streiks der Hagenbeck-Mitarbeiter vor dem Hamburger Tierpark zu einer Kundgebung versammelt. Mit einem großen Banner mit der Aufschrift "Hagenbeck tariffrei? Das ist jetzt vorbei" machten die Beschäftigten ihren Standpunkt auch gegenüber den zahlreichen Besucher klar, denn trotz Streik bleibt der Zoo (vorerst) geöffnet.
Die Forderung der Beschäftigten des Tierparks Hagenbeck ist simple: ein Tarifvertrag und damit Arbeitsbedingungen, auf die man sich verlassen kann.
Seit der Übernahme von Geschäftsführer Dr. Dirk Albrecht vor drei Jahren und der Kündigung des damals bestehenden Haustarifvertrags "dümpelten" alle Beschäftigten "im Nichts" und seien den willkürlichen Entscheidungen Albrechts ausgesetzt.
Quasi nach "Nasenprinzip" wurde bisher entschieden, wer wann wie arbeitet und wer nur 20 statt 30 Urlaubstage hat, empörte sich Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU, der aufgrund der "Seltenheit des Falls" extra aus Frankfurt angereist war.
"Normalerweise würde man in einer Zeit nach Corona, mit hoher Inflation und Krieg in der Ukraine sagen, eine Forderung nach mehr als zehn Prozent Lohnerhöhung ist klassisch, aber das ist hier gar nicht der Fall. Hier geht es um fundamentale Dinge wie Arbeitszeit und Urlaubstage. Das ist einfach verrückt", so Schaum gegenüber TAG24.
Mitarbeiter über die Zustände: "Gleichberechtigung ist in diesem Unternehmen nicht vorhanden!"
Von den rund 140 Mitarbeitern des Zoos sind über 80 in den letzten Jahren aufgrund der katastrophalen Bedingungen unter der Führung von Dr. Albrecht in die Gewerkschaft "IG BAU" eingetreten. Vorher sei dies gar nicht nötig gewesen, so Tierpflegerin Liana Klüber im Gespräch mit TAG24.
"Aber seine ungleichen und gesetzwidrigen Handlungen haben uns dazu gedrängt, hier heute stehen zu müssen!" Unter anderem habe Albrecht den Betriebsrat mit Kündigungen von Mitarbeitern erpresst, nur um seinen Willen im Thema Kurzarbeit durchzusetzen.
Kein Einzelfall in dem Betrieb. "Nur wir Tierpfleger haben eine Prämie von unserem Arbeitgeber angeboten bekommen, für 150 Euro nicht zu streiken. Eigentlich zeigt das wunderbar, wie Gleichberechtigung in diesem Unternehmen nicht vorhanden ist. Der einzelne Mensch ist hier nichts wert", betonte Tierpfleger Dave Nelde gegenüber TAG24.
Unter den Streikenden sind auch Gärtner, Portiers, Kassierer, Handwerker und Reinigungskräfte.
"Niemand hat die Absicht, auch nur ein Tier leiden zu lassen!"
Und was sagen die beiden Pfleger im "Eismeer" zu dem Vorwurf Albrechts, durch einen unbefristeten Streik würden die Tiere zwangsläufig sterben?
"Es ist Fakt, dass heute nicht alle Tierpfleger hier draußen sind, damit die Tiere wie gewohnt versorgt werden", so Nelde, der wie gewohnt zu Schichtbeginn um 6.30 Uhr im Tierpark war, die Tiere gefüttert und die Gehege gereinigt hat.
"Niemand hat die Absicht, auch nur ein Tier leiden zu lassen. Das können wir mit unserem Gewissen gar nicht vereinbaren. Wir sind genau deswegen nun mal emotional erpressbar und überlegen uns ganz genau, was wir machen", betonte Klüber.
Vielen gehe es mit der Streik-Entscheidung nicht gut, aber sie hätten sich trotzdem überwunden, um für bessere Bedingungen zu kämpfen.
Albrechts Vorwurf sei ein weiterer Schlag ins Gesicht: "Uns wurde die Kompetenz abgesprochen, überhaupt irgendetwas zu können. Drei Jahre Lehre und die Erfahrung über all die Jahrzehnte werden nicht wertgeschätzt", so Klüber.
Und Nolde weiter: "Tierpfleger machen ihre Arbeit aus Überzeugung, wie Krankenpfleger oder Kindergärtner auch, wir werden durch unser Handeln hier nicht reich."
"Das kann man sich als Unternehmen schon lange nicht mehr leisten!"
Dr. Albrecht wollte sich auf TAG24-Nachfrage nicht zu den Vorwürfen und der aktuellen Streiklage äußern. Man wolle die "derzeitige Situation weiter beobachten".
Gewerkschaftssekretär Pascal Lechner äußerte gegenüber TAG24 seine ganz eigene Theorie, warum der Geschäftsführer sich so vehement weigert, in die Verhandlungen zu gehen.
"Ich kann mir nur vorstellen, dass es einfach aus einem Trotz heraus entsteht und die Arbeitgeber nicht auf Augenhöhe mit den Beschäftigten an einem Tisch sitzen wollen", so Lechner.
"Diese fast schon feudalistische Einstellung 'Wir sind die Herrscher und alle anderen haben sich unterzuordnen' ist nicht nur traurig, sondern kann man sich als Unternehmen auch schon lange nicht mehr leisten."
Die Linke: "Die Leute brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können!"
Bundesweit habe sich Albrechts unverständliches Verhalten bereits herumgesprochen und viele Zoos und Tierparks hätten abseits der Öffentlichkeit einen Weg gefunden, ihre Unterstützung kundzutun, wie TAG24 aus den Kreisen der Streikenden erfuhr.
Sichtbar waren die zivilen Unterstützer am Montag, die bei den Redebeiträgen mit pfiffen oder Nervennahrung vorbeibrachten.
Unter ihnen war auch Bürgerschaftsabgeordnete Olga Fritzsche (Die Linke), die persönlich die Streikenden unterstützen wollte. Sie brachte Kekse in Form von kleinen Glücksschweinen sowie Kackhaufen für die Gegenseite mit.
"Ich bin selber Betriebsrätin gewesen und ich weiß, wie schwer es manchmal ist, alleine mit der Geschäftsführung dazustehen und die Argumente nicht ernst genommen werden. Hier weigert sie sich ja sogar überhaupt nur zu verhandeln und deswegen brauchen die Leute jede Unterstützung, die sie kriegen können", so Fritzsche gegenüber TAG24.
Ab Dienstag geht der Streik "regulär" weiter, so Lechner. "Sobald wir ein ernsthaftes Verhandlungsangebot bekommen, brechen wir das hier ab und setzten uns an einen Tisch". Somit hänge alles von Dr. Albrecht ab.
Titelfoto: Madita Eggers/TAG24