Spinnen, Echsen, Papageien: Hessin bietet Zuhause für ausgesetzte Wildtiere
Rodgau/Wiesbaden - Ein Kongo-Graupapagei sitzt auf dem Esstisch und gibt beizeiten ein "genau" zum Besten. Ein anderer ist mit Hühnern aufgewachsen und gackert. Der Geldnackenamazone Raudi kommuniziert lieber auf hessisch.
Eines haben die drei Papageien aber gemeinsam. Sie sind Nachbarn einer Kraushaarvogelspinne, einer Aga-Kröte, einer Kragenechse, zahlreicher Madagaskar Fauchschaben, einem bei Zeiten zickigen Grünem Baumpython oder anderer Wildtiere. Sie alle leben im Haus von Petra Kipper (58) in der "Wildtierarche".
Petra Kippers Doppelhaushälfte mit Garten im südhessischen Rodgau ist voll mit Wildtieren. "Da rutscht man ehrenamtlich rein. Gefunden habe ich schon als Kind immer Tiere und habe sie aufgepäppelt", sagt die 58 Jahre alte Mutter von vier erwachsenen Kindern.
Ihr weitestgehend aus eigener Tasche finanziertes Engagement bezeichnet sie als "ehrenamtlich hauptberuflich". Mehrere Stunden verbringt sie jeden Tag mit der Pflege und der Fütterung von Reptilien, Amphibien, wirbellosen Arten oder Vögeln, also heimischen Wildtieren und Exoten.
In der Zeit der Jungtiere werden es wegen der Fütterungen auch mehr.
Die Wildtiere sollen so schnell wie möglich wieder in ihren angestammten Lebensraum gelangen
"Es gibt für Wildtiere keine Ausbildung, das ist ja juristisch immer die Krux", sagt Kipper. Die gelernte Zahnarzthelferin hat für die verschiedenen Tiere zahlreiche Sachkundeprüfungen gemacht und ist zertifiziert.
Zudem brauche man dann eine Genehmigung der zuständigen Veterinärbehörden, sagt die 58-Jährige, die ihr Geld als Umweltpädagogin mit Vorträgen in Schulen, Kindergärten, bei der Polizei oder Feuerwehr verdient.
Nach Angaben der zuständigen Regierungspräsidien in Darmstadt, Gießen und Kassel gibt es derzeit 78 Einrichtungen, die Wildtiere aufnehmen können. Das geht aber nicht in jedem Tierheim.
Grundsätzliches Ziel bei Wildtieren muss es nach der Rechtslage sein, sie wieder auszuwildern. "Vorrangiges Ziel muss es sein, die Tiere baldmöglichst wieder in ihren angestammten Lebensraum zurückzusetzen", heißt es beim Umweltministerium. Dies geht aber auch nicht bei allen.
Kipper zufolge sind invasive Arten (Tiere, die durch ihre Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen) wie Waschbären, aber auch Wildschweine und Kaninchen hiervon ausgenommen. Dies gelte wegen einer Fehlprägung auch für Hirschböcke, die bei einer Auswilderung aggressives Verhalten zeigen würden.
20.000 bis 25.000 Euro bringt Petra Kipper jährlich für die Tiere auf
Unterbringung, Verpflegung, Medikamente, Tierärzte zehren bei Kipper am Geldbeutel ebenso wie juristische Auseinandersetzungen mit dem Veterinäramt wegen Verlängerungen ihrer Genehmigung und ihrer Sachkundenachweise.
20.000 bis 25.000 Euro bringt sie nach eigenen Angaben im Jahr für die Tiere auf. Durch Beiträge eines eigens gegründeten Vereins oder Spenden sei dies nicht aufzubringen. Früher habe sie eine größere Station und auch einen Sponsor gehabt, der ihre Vorträge in Schulen und Kitas bezahlt habe. Beides sei durch die Corona-Pandemie futsch.
Ein neuer Sponsor für die umweltpädagogischen Vorträge sei für die Arbeit mit den Tieren, aber auch für die Kinder wichtig. Sie habe viele Schreiben von Kitas und Schulen, die ein Wegfall der Vorträge bedauern.
Aber nicht nur die finanzielle Seite sei bei der ehrenamtlichen Tätigkeit belastend. "Es gibt keine einheitlichen Regelungen, nicht mal von Landkreis zu Landkreis bei den Sachkundenachweisen", sagt die Tierschützerin. "Man läuft bei einigen Behörden gegen Wände."
Langsame Bürokratie macht es den Tierschschützern nicht leicht
Für jeden Weg braucht man Transportgenehmigungen. Oftmals seien Dutzende Telefonate nötig und oft fühle sich niemand zuständig. "Da mahlen die Mühlen langsam." Die Tiere bekommt sie aus privater Hand, von der Polizei, der Feuerwehr oder Tierärzten. Die Kosten übernehme niemand.
Nach Angaben des Umweltministeriums ist in Hessen vor rund acht Jahren die Stiftung Hessischer Tierschutz geschaffen worden, die Tierheime oder Wildtierauffangstationen finanziell unterstützt.
"Beispielsweise können auf Antrag Kosten für Tierarztbehandlungen sowie Futtermittel mit 20 Prozent bezuschusst werden und investive Maßnahmen wie beispielsweise Neu- oder Umbaumaßnahmen werden mit bis zu 80 Prozent gefördert", heißt es beim Ministerium. Jährlich stünden hierfür 350.000 Euro zu Verfügung.
Titelfoto: Bild-Montage: Helmut Fricke/dpa, Helmut Fricke/dpa