Was diese süße Hundedame leistet, kann Menschenleben verändern
Gießen - Viele Menschen fühlen sich beim Zahnarzt mindestens unwohl, doch bei Angelika Derwort (75) ist es schlimmer.
"Es ist keine Angst, es ist Panik", erklärt die 75-Jährige. Nach schlimmen Erfahrungen als Kind auf dem Zahnarztstuhl war jede Behandlung für sie eine Qual.
Bis Anouk kam, ein Australian Shepherd. Die gutmütige Hündin gehört der Zahnärztin Ina Zöller in Gießen, begleitet dort angstgeplagte Patienten und soll besser wirken als jede Beruhigungspille.
"Bei dem Kontakt mit Hunden wird das Wohlfühlhormon Oxytocin ausgeschüttet", erklärt die Zahnärztin. "Es senkt Puls und Blutdruck, das ist wissenschaftlich erwiesen." Ihre Patientin Derwort nickt und erzählt von ihrem ersten Zahnarzttermin in Begleitung von Anouk.
Wie gewöhnlich sei sie sehr aufgeregt gewesen und habe sich ins Wartezimmer gesetzt. Dann sei Anouk gekommen und habe ihr eine Pfote hingehalten. "Sie hat mich so lieb angeguckt. Meine Panik vor der Behandlung, dem Ausgeliefertsein, war verflogen."
Seitdem ist die freundliche Hundedame immer dabei, wenn bei der 75-jährigen Frau aus Fernwald eine Behandlung ansteht. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet Anouk an einem Vormittag in der Woche in der Zahnarztpraxis und begleitet dabei jeweils zwei Patienten.
Zum Ritual gehört, dass sie zur Begrüßung im Wartezimmer, wo neben den Stühlen ein gemütliches rotes Sofa steht, ihre Pfote gibt. Dann begleitet sie die Menschen ins Behandlungszimmer.
Anouk nimmt Menschen die Angst vorm Zahnarzt - doch es gibt für sie auch Grenzen
"Sie liegt immer hinter dem Stuhl, diesen Platz hat sie sich selbst ausgesucht", berichtet Zöller. Die Patienten können sie zwar so nicht sehen, doch sie wissen, dass sie da ist. Allein das beruhige sehr, schildert Derwort ihre Gefühle.
Nähert sich die Behandlung dem Ende, steht die Hündin auf und geht zu dem Patienten. "Ich habe keine Ahnung, woran sie das erkennt, aber sie weiß es immer", so Zöller. Zum Abschied gibt Anouk dem Patienten noch einmal die Pfote.
Zöller hat den Vierbeiner für ihren Einsatz in der Praxis als Therapiehund ausbilden lassen. Vor dem ersten Einsatz brauchte es die Genehmigung vom Veterinäramt. Dabei wurde unter anderem überprüft, ob der Hund Rückzugsmöglichkeiten und einen Ruheplatz hat.
Ob es in Hessen auch andere Zahnärzte mit einem entsprechenden Angebot gibt, weiß Zöller nicht. Auch die Landeszahnärztekammer in Frankfurt hat hierzu keine Informationen. "Grundsätzlich ist aus Sicht der Praxishygiene der Aufenthalt von Tieren in der Praxis, insbesondere im Behandlungszimmer, nicht unproblematisch", gibt die Kammer zu Bedenken.
In der Gießener Praxis darf Anouk nicht in alle Räume und auch nicht bei allen Behandlungsarten dabei sein, erklärt ihre Besitzerin. Außerdem wird sie regelmäßig vom Tierarzt durchgecheckt, entwurmt und gegen weitere Parasiten behandelt.
Titelfoto: Boris Roessler/dpa