Orang-Utan von Besitzer mit Drogen vollgepumpt - doch dann kam die Rettung!
Palangkaraya - Verwaist, illegal verkauft, unter Drogen gesetzt: Was das Orang-Utan-Junge Taymur in seinem kurzen Leben schon erlebt hat, bewegt Tierfreunde in aller Welt und machte international Schlagzeilen. Jetzt, sechs Jahre später, ist er auf dem besten Wege, wieder wild und frei zu sein.
Verantwortlich dafür ist die Stiftung BOS (Borneo Orang-Utan Service), die den heute achtjährigen Affen vor wenigen Tagen in ihre "Walduniversität" aufgenommen hatten. Der letzte Schritt vor der großen Freiheit.
Doch von vorn: Taymur wurde bereits als Säugling zum Waisen, als seine Mutter bei der Nahrungssuche auf einer Palmölplantage skrupellos getötet wurde. Die Männer entrissen der sterbenden Mutter das Affenkind und verkauften es mit hohem Gewinn illegal auf dem Wildtiermarkt.
Traumatisiert und verängstigt fand sich der Orang-Utan anschließend im mehr als 7000 Kilometer entfernten Kuwait wieder.
Mit einem jährlichen Umsatz zwischen 8 und 20 Milliarden Euro liegt Tierschmuggel laut BOS auf Platz vier der globalen organisierten Kriminalität. Besonders in den Golfstaaten gilt es offenbar als schick, einen Tiger, eine Riesenschlange oder eben einen kleinen Orang-Utan zu halten.
Doch Taymur hat einen Schutzengel, der ihm das erste Mal im Jahr 2016 begegnete. Bei einem Autounfall seines reichen Besitzers entdecken Polizisten das Äffchen und konfiszieren es. Der drogenabhängige Mann gesteht den Beamten noch, dass er auch dem Tier Rauschmittel verabreicht habe - "aus Spaß".
Äffchen soll zurück nach Hause, doch die Regierung stellt sich quer
"Bei seiner Sicherstellung war Taymur bereits völlig entkräftet, zeigte auch Verhaltensauffälligkeiten", erklärt BOS-Deutschland-Chef Daniel Merdes der Deutschen Presseagentur. Dass er überlebt hat, grenze an ein Wunder. Welche Drogen dem Orang-Utan eingeflößt wurden, sei unklar, so Merdes weiter.
Als erste Auffangstation bringt man den kleinen Primaten in einen örtlichen Zoo - wieder in eine neue Umgebung, wieder ohne seine Mama. Dort durchleidet er wahrscheinlich auch einen kalten Entzug.
Dann zeigt sich Taymurs Schutzengel ein zweites Mal und bringt die BOS in sein Leben. Die Organisation will den Affen zusammen mit der indonesischen Regierung in seine Heimat zurückbringen. Doch der Weg dahin ist lang.
Aus Angst, sich Fehler eingestehen zu müssen, folgte ein fast einjähriger Diplomatiestreit inklusive komplizierter Verhandlung. 2017 ist es endlich so weit: Taymur wird, begleitet von einem Pfleger, nach Jakarta geflogen und nach der Quarantäne ins BOS-Schutzzentrum Nyaru Menteng in Zentral-Kalimantan.
Orang-Utan Taymurs "bemerkenswerte Verwandlung"
Seitdem besucht der junge Orang-Utan also die Waldschule, muss alles neu lernen und sich das Wissen aneignen, um allein im Urwald zu überleben. Für gewöhnlich übernimmt diese Aufgabe die Affenmutter, indem sie den Jungen lehrt, wie sie Nahrung finden, sich vor Feinden schützen oder sich Schlaflager bauen.
Taymur ist anfangs noch sehr anhänglich, lässt seine Pfleger nicht aus den Augen und ernährt sich fast nur von Tee und Gurken - nicht unbedingt typisches Primaten-Futter und nichts, was er im Urwald finden könnte.
Wie der örtliche Programm-Manager Denny Kurniawan erklärt, hätten die Tierschützer lange an einer Verbesserung der Situation gezweifelt. Doch dann legt das Äffchen "eine bemerkenswerte Verwandlung" hin, passt sich den neuen Bedingungen an und lernt schnell.
Ein Video des ZDF zeigt, wie Taymur sich selbstbewusst auf Bäume schwingt, ausgelassen mit seinen Kumpels Moza und Junior spielt und geschickt eine Kokosnuss verspeist.
Fast bereit für die Wildnis - wäre da nicht das Händewaschen
"Das alles machte ihn zu einem hervorragenden Kandidaten für die Vorauswilderungsinsel", sagte Kurniawan. Diese letzte Stufe vor der Freiheit wird passend "Walduniversität" genannt.
Drei weitere Jahre muss der Orang-Utan nun noch die Schulbank drücken, mittlerweile allerdings im Wald der Flussinsel Salat Island. Hier muss er nicht durch das Gelernte unter Beweis stellen, sondern sich auch wieder von Menschen entfremden. Erst misstrauisches oder ablehnendes Verhalten Zweibeinern gegenüber ist arttypisch.
Da die Insel jedoch nicht genügend Nahrung bietet, gibt's dennoch tägliche Obst- und Gemüse-Lieferungen für die Tiere. "Ich werde ihn vermissen", sagt seine frühere Betreuerin Sri. "Aber ich bin so glücklich, dass er der Freiheit nun einen Schritt näher gekommen ist."
Eine menschliche Marotte hat sich Taymur jedoch bis heute behalten: Hände waschen. Offenbar rennt der Primat häufig zum Fluss, um dort seine pelzigen Hände zu waschen. "Taymurs Leben könnte verrückter nicht sein", sagt Merdes. "Aber wenn es ein Taymur mit seinen denkbar schlechten Startchancen schaffen kann, dann gibt es noch Hoffnung."
Titelfoto: BOS Foundation/dpa